DIE STIMME AUS FRANKFURT
Wacklige Börsenrally
Von ROLF KNIGGE
Investoren an den deutschen Aktienmärkten ist in den vergangenen drei Jahren einiges zugemutet worden: Seit dem Tiefstand im Oktober 1998 hat sich der Dax in knapp 18 Monaten mehr als verdoppelt – und in den darauf folgenden 18 Monaten mehr als die halbiert. Der Nemax 50 hat im gleichen Zeitraum seinen Wert zunächst mehr als verdreifacht und sich danach gezehntelt. Dabei können sich Anleger, deren Portfolios den Indizes folgten, noch glücklich schätzen. Viele Investoren, insbesondere am Neuen Markt, haben erst spät am Aufschwung partizipiert, dafür aber den Abwärtstrend voll mitgemacht. Ist das ein Grund, nach anderen Anlageformen Ausschau zu halten?
Die Börse straft diese Überlegung derzeit Lügen. Nach dem Kurstief am 21. September stieg der Dax um 45 %, der Nemax 50 um über 100 %. Der Optimismus der Anleger scheint ungebrochen, die steile Talfahrt der Konjunktur lässt sie unbeeindruckt. Es sieht so aus, als ob der Katerstimmung vom September diesen Jahres gleich der nächste Börsenrausch folgt. Haben wir nichts aus der Kursblase von 1999/2000 gelernt?
Sicher, es gibt sie, die guten Nachrichten. Die Zinsen sind niedrig, der Ölpreis auch, Inflation ist nicht in Sicht, und die großen Sorgen in Sachen Weltsicherheit haben sich verringert. Dies kommt in einer wiedererwachten Risikobereitschaft der Anleger zum Ausdruck. War es bis vor kurzem im Geldmarkt „geparkte“ Liquidität, die wieder in Aktien investiert wurde, so sieht man jetzt auch Umschichtungen aus Rentenanlagen; die jüngste Schwäche des Rentenmarkts zeugt davon. Innerhalb des Markts der Festverzinslichen fließen Mittel aus sicheren Staatsanleihen in risikoreichere Unternehmensanleihen.
Unserer Einschätzung nach ist der Optimismus verfrüht, er birgt das Risiko von Rückschlägen in naher Zukunft. Die konjunkturelle Entwicklung hat ihren Tiefpunkt noch nicht erreicht. Deshalb sind die Unternehmensgewinne – deren Wachstum und Höhe die Kurse rechtfertigen müssen – weit davon entfernt, den derzeitigen Kursen zu entsprechen. Dass niedrige Zinsen allein keine solide Basis für steigende Notierungen sein können, zeigt das Beispiel Japan. Der Aktienmarkt braucht Gewinne.
In den kommenden Monaten dürften neue konjunkturelle Enttäuschungen die Stimmung an der Börse und damit den Aktienmarkt belasten. Dass die günstigen Zinsen den kommenden Aufschwung stimulieren, steht außer Zweifel. Doch das Konjunkturtal ist noch längst nicht durchschritten. Der gegenwärtig an den Aktienmärkten gezeigte Optimismus scheint vor diesem Hintergrund unangebracht. Wer die jüngste Rally verpasst hat, braucht also nicht zu verzagen. Auch wenn die alten Tiefstände sicherlich nicht erreicht werden: Es kommen wieder günstigere Einstiegsmöglichkeiten als die derzeitigen.
HANDELSBLATT, Montag, 26. November 2001, 06:01 Uhr
Wacklige Börsenrally
Von ROLF KNIGGE
Investoren an den deutschen Aktienmärkten ist in den vergangenen drei Jahren einiges zugemutet worden: Seit dem Tiefstand im Oktober 1998 hat sich der Dax in knapp 18 Monaten mehr als verdoppelt – und in den darauf folgenden 18 Monaten mehr als die halbiert. Der Nemax 50 hat im gleichen Zeitraum seinen Wert zunächst mehr als verdreifacht und sich danach gezehntelt. Dabei können sich Anleger, deren Portfolios den Indizes folgten, noch glücklich schätzen. Viele Investoren, insbesondere am Neuen Markt, haben erst spät am Aufschwung partizipiert, dafür aber den Abwärtstrend voll mitgemacht. Ist das ein Grund, nach anderen Anlageformen Ausschau zu halten?
Die Börse straft diese Überlegung derzeit Lügen. Nach dem Kurstief am 21. September stieg der Dax um 45 %, der Nemax 50 um über 100 %. Der Optimismus der Anleger scheint ungebrochen, die steile Talfahrt der Konjunktur lässt sie unbeeindruckt. Es sieht so aus, als ob der Katerstimmung vom September diesen Jahres gleich der nächste Börsenrausch folgt. Haben wir nichts aus der Kursblase von 1999/2000 gelernt?
Sicher, es gibt sie, die guten Nachrichten. Die Zinsen sind niedrig, der Ölpreis auch, Inflation ist nicht in Sicht, und die großen Sorgen in Sachen Weltsicherheit haben sich verringert. Dies kommt in einer wiedererwachten Risikobereitschaft der Anleger zum Ausdruck. War es bis vor kurzem im Geldmarkt „geparkte“ Liquidität, die wieder in Aktien investiert wurde, so sieht man jetzt auch Umschichtungen aus Rentenanlagen; die jüngste Schwäche des Rentenmarkts zeugt davon. Innerhalb des Markts der Festverzinslichen fließen Mittel aus sicheren Staatsanleihen in risikoreichere Unternehmensanleihen.
Unserer Einschätzung nach ist der Optimismus verfrüht, er birgt das Risiko von Rückschlägen in naher Zukunft. Die konjunkturelle Entwicklung hat ihren Tiefpunkt noch nicht erreicht. Deshalb sind die Unternehmensgewinne – deren Wachstum und Höhe die Kurse rechtfertigen müssen – weit davon entfernt, den derzeitigen Kursen zu entsprechen. Dass niedrige Zinsen allein keine solide Basis für steigende Notierungen sein können, zeigt das Beispiel Japan. Der Aktienmarkt braucht Gewinne.
In den kommenden Monaten dürften neue konjunkturelle Enttäuschungen die Stimmung an der Börse und damit den Aktienmarkt belasten. Dass die günstigen Zinsen den kommenden Aufschwung stimulieren, steht außer Zweifel. Doch das Konjunkturtal ist noch längst nicht durchschritten. Der gegenwärtig an den Aktienmärkten gezeigte Optimismus scheint vor diesem Hintergrund unangebracht. Wer die jüngste Rally verpasst hat, braucht also nicht zu verzagen. Auch wenn die alten Tiefstände sicherlich nicht erreicht werden: Es kommen wieder günstigere Einstiegsmöglichkeiten als die derzeitigen.
HANDELSBLATT, Montag, 26. November 2001, 06:01 Uhr