Gesund beten
VW kommt auch an der Börse nicht aus der Krise
Für eine gute Nachricht tut VW zurzeit fast alles. Im Sog der Wahl von Papst Benedikt XVI. schüren die Wolfsburger jetzt das Gerücht, Volkswagen könne das nächste Papamobil bauen. Bisher hatte Mercedes die prestigeträchtigen verglasten Fahrzeuge gebaut, mit denen der höchste Würdenträger der katholischen Kirche bei seinen Auslandsreisen durch die Menge rollte.
Den Aktienkurs kann das Unternehmen mit solch exotischen Meldungen nicht gesund beten. Von über 36 Euro brach der Kurs im Laufe des vergangenen Monats auf unter 33 Euro ein. Auch nach dem Mini-Auftrieb zur Hauptversammlung am vorigen Donnerstag setzte sich der Abwärtstrend fort.
Lange hatte allein der gute Name des Traditionsherstellers das Papier getragen, hatten Beobachter ihre Hoffnungen auf jedes neue Modell gesetzt – und waren fast jedes Mal enttäuscht worden. Nun sind die Analysten völlig ratlos: Von 29 bis 44 Euro rangieren die Kursziele. Seit der Veröffentlichung der Quartalszahlen in der vergangenen Woche halten sich in der Übersicht des Informationsdienstes Bloomberg die Kauf- und Verkaufsempfehlungen der Experten exakt die Waage.
Dabei ist mittlerweile offensichtlich, dass Vorstandschef Bernd Pischetsrieder die lange bekannten Probleme nicht hart und schnell genug angegangen ist. Deutlich zeigte sich bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren das schwere Erbe seines Vorgängers Ferdinand Piëch: zu wenig attraktive Modelle, zu starke Konzentration auf Technik, eine fatale Abhängigkeit vom Image- und Umsatzträger Golf, eine fehlgeschlagene Luxusstrategie. Der neue Chef zeigte sich damals zuversichtlich, die Probleme rasch in den Griff zu bekommen. Doch Pischetsrieder, die Dynamik seines früheren Arbeitgebers BMW gewohnt, hat offenbar die Beharrungskräfte im behäbigen VW-Konzern unterschätzt.
Immer wieder kommt VW zu spät. Der neue Golf beispielsweise bleibt nicht nur wegen der schwachen Konjunktur unter den Erwartungen. Es fehlen auch noch wichtige Varianten, wie etwa der beliebte Kombi oder das Cabrio. Der Konkurrent Ford dagegen brachte den Focus gleich zum Start mit allen Varianten. Den lukrativen Trend zum Blech-Klappdach hat Volkswagen komplett verschlafen. Nicht nur die Konkurrenten Peugeot und Renault zeigen den Wolfsburgern dort die Rückleuchten, selbst die angeschlagene Adam Opel AG hat mit dem Tigra schon ein solches Modell beim Händler stehen.
Mit Verspätung erkannt hat Pischetsrieder auch den Bedarf an preiswerten Kleinwagen. Erst jetzt, wo Renault den in Rumänien gebauten Logan nach Deutschland bringt, füllt VW mit dem in Brasilien gefertigten Fox diese Lücke. Das Problem dabei: Der Fox ist nicht nur kleiner als der Logan, er ist auch teurer. So bleiben die guten Nachrichten auf der Strecke, die der Aktie Impulse geben könnten. Selbst im Wachstumsmarkt China, den VW lange Zeit dominierte, zeigt sich die schädliche Selbstzufriedenheit des Marktführers. Schwächen in der Modellpolitik und im Vertrieb sind längst erkannt, doch passiert ist nichts.
Hoffnungen setzen viele Anleger jetzt auf den neuen VW-Markenchef Wolfgang Bernhard. Der ehemalige Daimler-Chrysler-Manager ist auf der Hauptversammlung bejubelt worden, als könne er Wunder vollbringen. Doch selbst wenn er seine bei Chrysler bewiesenen Saniererqualitäten konsequent einsetzt, kann er die Traditionsmarke kurzfristig nicht aus der Krise führen. Volkswagen braucht eine veränderte Modellpolitik und eine modernere Produktionsstrategie – und das braucht Zeit.
So wird auch die Aktie weiter nicht an Tempo gewinnen. Die Standardargumente mancher Analysten – günstige Bewertung und attraktive Dividende – laufen vor diesem Hintergrund ins Leere. Denn selbst wenn VW sich ausnahmsweise so flexibel zeigen sollte, und bis zum Weltjugendtag im August in Köln ein Papamobil mit dem VW-Emblem am Kühler auf die Räder stellt – die Schwächen im Kerngeschäft lassen sich damit nicht überdecken.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
VW kommt auch an der Börse nicht aus der Krise
Für eine gute Nachricht tut VW zurzeit fast alles. Im Sog der Wahl von Papst Benedikt XVI. schüren die Wolfsburger jetzt das Gerücht, Volkswagen könne das nächste Papamobil bauen. Bisher hatte Mercedes die prestigeträchtigen verglasten Fahrzeuge gebaut, mit denen der höchste Würdenträger der katholischen Kirche bei seinen Auslandsreisen durch die Menge rollte.
Den Aktienkurs kann das Unternehmen mit solch exotischen Meldungen nicht gesund beten. Von über 36 Euro brach der Kurs im Laufe des vergangenen Monats auf unter 33 Euro ein. Auch nach dem Mini-Auftrieb zur Hauptversammlung am vorigen Donnerstag setzte sich der Abwärtstrend fort.
Lange hatte allein der gute Name des Traditionsherstellers das Papier getragen, hatten Beobachter ihre Hoffnungen auf jedes neue Modell gesetzt – und waren fast jedes Mal enttäuscht worden. Nun sind die Analysten völlig ratlos: Von 29 bis 44 Euro rangieren die Kursziele. Seit der Veröffentlichung der Quartalszahlen in der vergangenen Woche halten sich in der Übersicht des Informationsdienstes Bloomberg die Kauf- und Verkaufsempfehlungen der Experten exakt die Waage.
Dabei ist mittlerweile offensichtlich, dass Vorstandschef Bernd Pischetsrieder die lange bekannten Probleme nicht hart und schnell genug angegangen ist. Deutlich zeigte sich bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren das schwere Erbe seines Vorgängers Ferdinand Piëch: zu wenig attraktive Modelle, zu starke Konzentration auf Technik, eine fatale Abhängigkeit vom Image- und Umsatzträger Golf, eine fehlgeschlagene Luxusstrategie. Der neue Chef zeigte sich damals zuversichtlich, die Probleme rasch in den Griff zu bekommen. Doch Pischetsrieder, die Dynamik seines früheren Arbeitgebers BMW gewohnt, hat offenbar die Beharrungskräfte im behäbigen VW-Konzern unterschätzt.
Immer wieder kommt VW zu spät. Der neue Golf beispielsweise bleibt nicht nur wegen der schwachen Konjunktur unter den Erwartungen. Es fehlen auch noch wichtige Varianten, wie etwa der beliebte Kombi oder das Cabrio. Der Konkurrent Ford dagegen brachte den Focus gleich zum Start mit allen Varianten. Den lukrativen Trend zum Blech-Klappdach hat Volkswagen komplett verschlafen. Nicht nur die Konkurrenten Peugeot und Renault zeigen den Wolfsburgern dort die Rückleuchten, selbst die angeschlagene Adam Opel AG hat mit dem Tigra schon ein solches Modell beim Händler stehen.
Mit Verspätung erkannt hat Pischetsrieder auch den Bedarf an preiswerten Kleinwagen. Erst jetzt, wo Renault den in Rumänien gebauten Logan nach Deutschland bringt, füllt VW mit dem in Brasilien gefertigten Fox diese Lücke. Das Problem dabei: Der Fox ist nicht nur kleiner als der Logan, er ist auch teurer. So bleiben die guten Nachrichten auf der Strecke, die der Aktie Impulse geben könnten. Selbst im Wachstumsmarkt China, den VW lange Zeit dominierte, zeigt sich die schädliche Selbstzufriedenheit des Marktführers. Schwächen in der Modellpolitik und im Vertrieb sind längst erkannt, doch passiert ist nichts.
Hoffnungen setzen viele Anleger jetzt auf den neuen VW-Markenchef Wolfgang Bernhard. Der ehemalige Daimler-Chrysler-Manager ist auf der Hauptversammlung bejubelt worden, als könne er Wunder vollbringen. Doch selbst wenn er seine bei Chrysler bewiesenen Saniererqualitäten konsequent einsetzt, kann er die Traditionsmarke kurzfristig nicht aus der Krise führen. Volkswagen braucht eine veränderte Modellpolitik und eine modernere Produktionsstrategie – und das braucht Zeit.
So wird auch die Aktie weiter nicht an Tempo gewinnen. Die Standardargumente mancher Analysten – günstige Bewertung und attraktive Dividende – laufen vor diesem Hintergrund ins Leere. Denn selbst wenn VW sich ausnahmsweise so flexibel zeigen sollte, und bis zum Weltjugendtag im August in Köln ein Papamobil mit dem VW-Emblem am Kühler auf die Räder stellt – die Schwächen im Kerngeschäft lassen sich damit nicht überdecken.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 25. April 2005, 07:00 Uhr
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Der Einsame Samariter