Vorsicht mit Schweizer-Aktien!

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Mr.Esram:

Vorsicht mit Schweizer-Aktien!

 
14.04.08 10:10
€uro am Sonntag Aktuell
Die Spur führt in die Schweiz
13.04.2008

Die neueste Masche von Aktienabzockern: Pennystocks mit dem soliden Anstrich der Eidgenossen. Nicht nur Anleger, sondern auch Firmenchefs werden gleich mit über den Tisch gezogen.


Rainer Popp hat einen Traum: Er will einen Fernsehsender schaffen, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen hat – nur Information und niveauvolle Unterhaltung. 82 Millionen Bundesbürger sollen Tele-Veronika per Kabel oder Satellit empfangen können. Der Entwurf für das geplante Studio in Hannover ist dem Schloss Versailles nachempfunden. An den Wänden hängen, nicht ganz dazu passend, Bilder von Rudi Dutschke und Ché Guevara. „Wir senden für die Generation Dutschke – die über 50-Jährigen“, erläutert Popp, Jahrgang 1946 und einst Chefredakteur von RTL.

Doch der TV-Veteran muss seine Vision jetzt auf unbestimmte Zeit vertagen. Anfang April einigte Popp sich mit der Landesmedienanstalt Niedersachsen, den Antrag auf eine Sendelizenz einstweilen ruhen zu lassen. „Die Finanzierung ist noch nicht ganz gesichert“, so Popp. Er verhandele weiter mit den Banken.
Keine gute Nachricht für die freien Aktionäre von Popps Firma Prime Beteiligungen AG. Schon Anfang Januar hatten sie einen Kurssturz von etwa einem Euro auf unter 20 Cent verkraften müssen. „Der Börsenwert stand doch nur auf dem Papier“, versucht Popp abzuwiegeln. Das Schicksal von Prime ist typisch für die neueste Abzockermasche mit Pennystocks im Open Market der Frankfurter Börse. Das ­Perfide daran: Die angeblich billigen Unternehmen kommen aus der vermeintlich soliden Schweiz und haben oft einen deutschen Hintergrund.

Das Muster ist immer dasselbe: Ein Unternehmen aus der Bundesrepublik, das eigentlich noch lange nicht reif für die Börse ist, wird in der Schweiz in eine Holding eingebracht, die zuvor nur aus einem nahezu wertlosen Firmenmantel bestand. Dank der überhöht bewerteten Sacheinlage kann die Holding plötzlich ein ansehnliches Eigenkapital ausweisen. Obendrein teilen die Dealmaker das Kapital in eine riesige Zahl von Aktien auf, die jeweils nur einen winzigen Nominalwert haben. In der Schweiz liegt die Untergrenze für den Nennbetrag bei 0,01 Franken – in Deutschland ist es ein Euro.

Dann wird der Pennystock an die Börse Bern gebracht, wo das Listing denkbar einfach ist. Wenig später führt ein befreundeter Makler den Titel im Frankfurter Freiverkehr ein. Auch dort sind die Zulassungsvoraussetzungen recht lax: Viele Firmen, die sich listen lassen, haben zuvor noch nie eine Bilanz vorgelegt oder ihre Erträge ausgewiesen.

Aufgrund des niedrigen Nennbetrags übersehen die Aktionäre leicht, wie hoch der Ausgabepreis eigentlich ist. Die Prime-Aktien haben einen Nennwert von 0,10 Franken, wurden aber in Frankfurt zu 0,79 Euro eingeführt. Am ersten Handelstag betrug die Marktkapitalisierung 47,4 Millionen Euro – ein stolzer Preis für eine TV-Gesellschaft in Gründung, die nichts als sechs Millionen Franken in bar vorweisen kann.

Die Initiatoren des Börsengangs vergattern den Firmengründer meist dazu, die Mehrheit der Anteile langfristig zu halten. „Ich habe mich verpflichtet, meine 51 Prozent fünf Jahre lang nicht zu verkaufen“, sagt Prime-Gründer Popp. Als Dank für ihre Bemühungen verlangen die Börsenhelfer zudem ein größeres Aktienpaket – zehn Prozent oder mehr. Peu à peu stoßen sie dann ihre Anteile an der Börse ab.

Damit der Kurs nicht unversehens ins Rutschen gerät, trommeln zeitgleich allerlei dubiose Börsenbriefe wie „Börsenkurier“, „Smart Money Research“ oder „Hotstock-Kurier“ für die junge Aktiengesellschaft. Bei Prime empfahl der „Deutsche Investment Report“ (DIR) nahezu im Wochenrhythmus den Kauf. „Diese Marktschreierei war mir unangenehm“, räumt Popp ein. „Doch was sollte ich dagegen tun?“

Offenbar systematisch machen die Abzocker Jagd auf Unternehmer, die dringend Geld für ihre Firma brauchen oder die endlich Kasse machen wollen. Windige Finanzjongleure rechnen unbedarften Mittelständlern vor, wie viel ihr Unternehmen an der Börse wert wäre – und die fallen auf die Versprechungen herein. Zu ihnen gehört anscheinend auch der Berliner Rainer Böhnke, dessen Softwarehaus Esiqia Pionier bei Verschlüsselungssoftware ist.

Nach dem Listing im Freiverkehr Ende 2007 hatte das Unternehmen zeitweise einen Börsenwert von rund 70 Millionen Euro; derzeit sind es immer noch rund 15 Millionen. Das ist viel für eine Firma, die 2007 laut vorläufigen Zahlen knapp zwei Millionen Euro Umsatz erzielte. Böhnke beklagt jedoch, dass die Zocker jetzt auf fallende Kurse setzen. „Wer einen Push oder Call betreibt, wettet auf jeweils eine von ihm ausgesuchte Aktie. Er verfolgt damit durch uns nicht steuerbare Interessen“, stellt er fest.

Genauso lautstark wie für Esiqia und Prime machen die umstrittenen Börsenbriefe derzeit Propaganda für Pennystocks wie Swiss Fe, Tunc Holding und Voltavis. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) prüft, ob die Anleger mittels der Berichterstattung im DIR systematisch gerupft werden. Vor wenigen Tagen hat die Behörde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Marktmanipulation gestellt. Der mögliche Schaden könnte sich insgesamt auf mehrere Dutzend bis hundert Millionen Euro belaufen. In der Tat gibt es Verbindungen, die den Argwohn der Investoren erregen. So haben Esiqia, Prime, Swiss Fe, Tunc und Voltavis sowie eine Schweizer Firma, die einschlägige Börsenbriefe herausgibt, denselben Buchprüfer – eine Gesellschaft mit dem klingenden Namen McKinley Goldman Smith. Die erst Anfang 2007 ins Handelsregister eingetragenen Wirtschaftsprüfer sind der deutschen Börsenaufsicht bereits aufgefallen.

Besonders pikant: Esiqia-Prüfer Rolf I. stand als Verwaltungsrat an der Wiege der 2006 gegründeten Equity Research. Der Verlag erscheint u.?a. im Impressum des Börsenbriefs „Smart Money Research“ auf. Auch den DIR gab Equity Research heraus, bis der Ende Februar plötzlich nach Panama umsiedelte.

Bei den Firmenanschriften gibt es ebenfalls befremdliche Übereinstimmungen. Eine Zeit lang hatte Prime den Firmensitz in der Hinterbergstraße 26 in Cham. Dorthin ist kürzlich Equity Research gezogen. Zuvor residierte Equity in der Sumpfstraße 32 in Steinhausen bei Zug. Hier wiederum sitzt auch die Voltavis AG, deren Aktien die Equity-Dienste heiß empfehlen. Besonders beliebt im Umfeld der Pennystocks ist die Nordstraße 89 zu Zürich. Dort sitzt die Firma Recross, ebenfalls als Verleger von jubilierenden Börsenbriefen hervorgetreten. Die gleiche Adresse hat die Tunc Holding, das jüngste Lieblingskind der Aktienschmeichler. Voriges Jahr nahm in der Nordstraße 89 zeitweise die Tiro Listing Quartier. Die Firma gehört zur Tiro-Holding, die ein ganzes Bündel von Pennystocks an die Börse begleitet hat – etwa Met­riopharm, Prime und Swiss Fe.

Im Frankfurter Freiverkehr gilt offenbar das Prinzip: Dreistigkeit siegt. Die Voltavis AG will angeblich eine Fabrik für Solarmodule in Sachsen bauen. Hierfür hat der Freistaat Fördermittel von 25 Millionen Euro bewilligt. Damit das Geld wirklich fließt, müsste Voltavis aber endlich mit dem Bau der Fabrik beginnen.
Fas Unternehmen hat allerdings bisher noch nicht einmal das notwendige Grundstück gekauft – die Finanzierung durch die Banken sei noch nicht abschließend gesichert. „Die Verhandlungen sind am Laufen und dauern an“, sagt Chef und Mehrheitseigner Holger Küfner. Er räumt ein, dass seine Geschäftspartner und die Stadt Oelsnitz, wo die Solarfabrik gebaut werden soll, wegen der langen Verzögerungen misstrauisch geworden sind. Bis dato hat Voltavis neben dem Chef und einem weiteren Verwaltungsratsmitglied nur eine einzige feste Angestellte – eine Mitarbeiterin für strategische Planung. Dennoch erzielte das Unternehmen beim Börsengang eine Marktkapitalisierung von 60 Millionen Euro.

Nicht alle Pennystocks sind so virtuell wie Voltavis. Bei anderen Wunderkerzen haben sich die Initiatoren etwas mehr Mühe gegeben, die Börsenmäntel mit Inhalt zu füllen. So verweist die Swiss Fe Group, seit November 2006 im Freiverkehr, stolz auf das Stahlunternehmen Tisan, das sie in der Türkei gekauft hat. Doch die einzige Tochterfirma von Swiss Fe betreibt nur ein kleines Walzwerk in Izmir, in dem 135 Arbeiter anspruchslosen Baustahl produzieren. 2007 betrug der Gewinn vor Steuern umgerechnet 1,2 Millionen Euro. Rechtfertigt das den Börsenwert von mehr als 70 Millionen Euro, auf den Swiss Fe einmal geklettert war?

Nur wenige Unternehmen, die unter die Abzocker gefallen sind, distanzieren sich energisch von den Machenschaften. Dazu gehört die Biotechfirma Metriopharm, die seit März 2007 im Open Market gehandelt wird. Die Marktkapitalisierung sank in dieser Zeit von 72 Millionen auf weniger als neun Millionen Euro – immer noch viel für eine Firma, die nur 18 Mitarbeiter hat. „Den Börsendienst DIR haben wir mehrmals, zuletzt Ende November 2007, unter Androhung rechtlicher Schritte aufgefordert, die irreführende Berichterstattung über die Metriopharm AG zu unterlassen“, berichtet Firmenchef Wolfgang Brysch. Danach sei Ruhe gewesen.

Für die Anleger freilich ist schwer zu erkennen, welche Pennystocks seriös und welche nichts als Schwindel sind. Noch viel weniger können sie wissen, ob die Zocker gerade long oder short engagiert sind. Vollends unsichtbar bleiben meist die Hintermänner – auch Börsenaufseher und Staatsanwälte stochern im Nebel. Der Düsseldorfer Nebenwerte-Spezialist Matthias Schrade hat deshalb einen einfachen, klaren Rat: „Hände weg von Schweizer Pennystocks.“

Slater:

jo, hoch interessanter Artikel

 
14.04.08 10:14
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