Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind angeknackst. Aber die Warnungen vor Folgen für den Kapitalmarkt sind übertrieben
Einige Hardliner im US-Kongress machen Stimmung. Und auch manch deutsches Unternehmen äußert schon mehr oder weniger offen seine Ängste vor Umsatzeinbußen. Können die politischen Spannungen jenseits des Atlantiks wirklich zu einem Boykott deutscher Produkte und Aktien führen?
Immerhin: Volkswirte und Fondsmanager in den Banken machen sich Gedanken. „Wir haben gerade ausführlich darüber diskutiert", berichtet Lorenzo Codogno von der Bank of America. Das Ergebnis war allerdings: Entwarnung. Unmittelbare und direkte Folgen für Deutschland befürchtet der Volkswirt nicht. „Ich glaube nicht, dass für den Investor solche politischen Fragen eine Rolle spielen", sagt er. Denn ein US-Fondsmanager, der sein Portfolio nach politischen Gesichtspunkten bestückt und dadurch seine Kunden um die Rendite bringt, würde wohl erhebliche Probleme bekommen.
Geschäft ist eben Geschäft. „Was einige US-Senatoren derzeit sagen, ist nicht das, was Unternehmen und Konsumenten dann wirklich machen", beruhigt daher auch Gerhard Grebe, deutscher Chefstratege bei der Schweizer Bank Julius Bär. Das seien jetzt Aufgeregtheiten, die aber langfristig keinen Schaden anrichten. Die Unternehmen schauen schlicht und einfach, wo sich etwas verdienen lässt, unabhängig vom aktuellen politischen Klima. „Und der amerikanische Konsument lässt sich davon auch nicht abhalten ein deutsches Auto zu kaufen, wenn es denn wirklich zur Entscheidung ansteht", so Grebe.
Hinzu kommt, dass die gemeinsame politische Basis breiter ist, als es in der gegenwärtigen Aufregung manchmal scheint. „Man muss im Auge behalten, dass es keine prinzipiellen Gegensätze in den Werthaltungen zwischen Amerikanern und Deutschen gibt", betont Lorenzo Codogno. Und der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Fred Irwin, weist darauf hin, dass es 1800 Firmen mit US-Kapital in Deutschland und 2500 Firmen mit deutschem Kapital in den USA gibt. Bei so viel Verflechtung würde ein Boykott daher zweifellos auch die eigenen Unternehmen treffen.
Doch warum ist der Dax in den vergangenen Monaten dann stärker abgestürzt als alle anderen Börsenbarometer? Warum haben die amerikanischen Fonds deutsche Aktien praktisch vollkommen aus ihrem Portfolio beseitigt? „Der deutsche Markt ist zurzeit einer der am wenigsten gemochten im Ausland", konstatiert Thomas Körfgen, Leiter Aktienmanagement bei SEB Invest. „Das hat allerdings viel mit der Zusammensetzung des Dax zu tun", erklärt er. Technologie- und Finanzwerte haben in letzter Zeit weltweit überdurchschnittlich verloren. „Und die sind im Dax überproportional vertreten, während die Gewinner der Krise, Ölaktien, gar nicht darin enthalten sind", sagt er.
Hinzu kommen die steuerpolitischen Kapriolen hier zu Lande. „Ein amerikanischer Investor versteht schwer, dass hier neue Steuern auf Aktiengewinne eingeführt werden, während in den USA gerade überlegt wird, die Doppelbesteuerung von Dividenden abzuschaffen", so Körfgen.
Und schließlich lastet auch der gestiegene Euro-Kurs auf den deutschen Unternehmen. Sie sind mehr als viele andere europäische Firmen davon betroffen, da sie besonders exportabhängig sind. Vor allem jene Firmen, die einen Großteil ihrer Umsätze in den USA machen, leiden darunter. So stiegen beispielsweise die Umsatzerlöse von SAP im vergangenen Jahr um gerade mal ein Prozent. Ohne die Verschiebung beim Euro-Dollar- Verhältnis hätten sie jedoch um sechs Prozent zugelegt.
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