Es hat dann doch nicht geklappt mit dem glücklich werden, denn am Samstag wurde ich unglücklich & das kam so: In der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung las ich einen Text, & in dem Text ging es um mich, besser gesagt um meine Generation, die Überzwanzigjährigen, die angeblich müde sind vom Dasein & nicht mehr wollen. Zum Beweis beschrieb der Autor das Leben von Martin – was schon mal gar kein Name für einen Mann ist: Martin arbeitet als Model & reißt in Berlin-Mitte geile Weiber auf, die ihn begehren, weil er sexy tanzt. So. Und diesem Martin geht es nicht gut & dieses Nichtgutgehen haben zwei amerikanische Journalistinnen in einem Buch beschrieben & das Buch „Quarterlife Crises“ genannt. Eine von ihnen ist 27, die andere 26. Alles supi finden
Ich bin auch so alt, aber ich weiß nichts von einer Viertellebenskrise. Sofort rief ich bei meinen Freunden an. „Und? Krise?“, fragte ich. „Nö“, war die Antwort von 95 Prozent der Befragten, zwei Prozent grölte ins Telefon: „Es gibt nur einen Carsten Jancker...“ – Deutschland hatte gerade acht zu null gegen Saudi-Arabien gewonnen - und drei Prozent sagten: „Krise? Bei mir nicht – aber bei dir, oder? Du jammerst doch ständig.“ Stimmt ja so auch nicht, denn erstens lehne ich Krisen kategorisch ab & zweitens jammere ich nicht, sondern kritisiere die Verhältnisse. Aber während ich durch meine Wohnung auf & ablief, beschloss ich, den Gegenbeweis zu erbringen: Eine Woche würde ich auf die Ausübung von Kritik verzichten & alles supi finden. In diesem Moment ahnte ich, dass ich für diese Kolumne noch einmal meiner Oma ihr klein Häuschen versaufen würde.
Der Sonntag war dann tatsächlich supi. Ich saß auf dem Balkon & las den Jahrhundert- ach was!, Jahrtausendroman „Der menschliche Makel“ von Philip Roth zu Ende. Jeder Satz gleicht einer Sinfonie, abwechselnd in Moll & in Dur gespielt – da kann man nicht jammern. Doch dann, am Abend, sah ich Guido Westerwelle bei Sabine Christiansen & sofort fiel mir die Umfrage ein, die ich vor kurzem gelesen hatte: Der Antisemitismus in meiner Generation nimmt seit einigen Jahren wieder zu. Ich fragte mich, ob das nicht viel eher eine Krise ist, als die Orientierungslosigkeit irgendwelcher Wohlstandsbengel & schlechtgefickter Möchtegernmodels. Mist, dachte ich da, ich kritisiere ja gerade, ich jammere, -Journalismus in Topform: klug, schön, lebenswert. Alles toll, toll, toll. In der Nacht kam die Angst vor der Woche, denn natürlich habe ich dauernd was zu meckern, aber das liegt ja nicht an mir, sondern an der Unzulänglichkeit der Verhältnisse. Ich meckere über Fußgänger, die nicht zügig vorankommen; über das Pack, das im Straßencafé frühstückt, wenn ich um zehn Uhr zur Arbeit hetze; darüber, dass die Bild-Zeitung nicht auf meinem Schreibtisch liegt; über meine Themenideen; über den Milchkaffee in der Kantine; über die deutschen Charts; schlechte Texte; den Aufstieg von Charlotte Roche; mein Gehalt – ich fühle mich umzingelt von Missverständnissen & Fehleinschätzungen, was soll man da anders machen, als jammern? Am Montag zwang ich mich, alles gut toll zu finden: Tolles Wetter, tolle Menschen, toller Job, tolle Ideen, tolles Spiel der italienischen Mannschaft, tolles Essen beim Thailänder; alles toll, toll, toll – trunken vor Begeisterung schlief ich um neun Uhr abends vor dem Fernseher ein. Auch am Dienstag & am Mittwoch gab es wenig zu jammern: Die Arbeit rockte, auf der Straße lächelten mich die Mädchen an, abends saß ich auf dem Balkon, trank Dosenbier & hörte „Original Pirate Material“ von „The Streets“. Am Donnertag traf ich mit einem lieben Freund in München zum Mittagessen: Wir saßen draußen, tranken eine Pilserfrischung & schauten auf einem kleinen Fernseher das WM-Spiel Frankreich gegen Uruguay. „Und?“, fragte mein lieber Freund, „wie geht es dir?“ Ich dachte an die letzten Tage, & dann sah ich plötzlich um mich herum die Vertreter meiner Generation – Models, Grafiker, Schauspielschüler, Regieassistenten, Autoren & sie alle lachten, redeten & kifften & dachten an neue Projekte, neue Clubs, neue Magazine, neue Filme – ein Bild des Jammers. Aber wo waren die anderen? Die Hilfsarbeiter, die Arzthelferinnen, die Autoverkäufer, die Versicherungsvertreter, die Juristen, die FDP-Wähler? Ich dachte: Wie geht es denen eigentlich? Und dann antwortet ich meinem lieben Freund: „Den Umständen entsprechend“.
Ich bin auch so alt, aber ich weiß nichts von einer Viertellebenskrise. Sofort rief ich bei meinen Freunden an. „Und? Krise?“, fragte ich. „Nö“, war die Antwort von 95 Prozent der Befragten, zwei Prozent grölte ins Telefon: „Es gibt nur einen Carsten Jancker...“ – Deutschland hatte gerade acht zu null gegen Saudi-Arabien gewonnen - und drei Prozent sagten: „Krise? Bei mir nicht – aber bei dir, oder? Du jammerst doch ständig.“ Stimmt ja so auch nicht, denn erstens lehne ich Krisen kategorisch ab & zweitens jammere ich nicht, sondern kritisiere die Verhältnisse. Aber während ich durch meine Wohnung auf & ablief, beschloss ich, den Gegenbeweis zu erbringen: Eine Woche würde ich auf die Ausübung von Kritik verzichten & alles supi finden. In diesem Moment ahnte ich, dass ich für diese Kolumne noch einmal meiner Oma ihr klein Häuschen versaufen würde.
Der Sonntag war dann tatsächlich supi. Ich saß auf dem Balkon & las den Jahrhundert- ach was!, Jahrtausendroman „Der menschliche Makel“ von Philip Roth zu Ende. Jeder Satz gleicht einer Sinfonie, abwechselnd in Moll & in Dur gespielt – da kann man nicht jammern. Doch dann, am Abend, sah ich Guido Westerwelle bei Sabine Christiansen & sofort fiel mir die Umfrage ein, die ich vor kurzem gelesen hatte: Der Antisemitismus in meiner Generation nimmt seit einigen Jahren wieder zu. Ich fragte mich, ob das nicht viel eher eine Krise ist, als die Orientierungslosigkeit irgendwelcher Wohlstandsbengel & schlechtgefickter Möchtegernmodels. Mist, dachte ich da, ich kritisiere ja gerade, ich jammere, -Journalismus in Topform: klug, schön, lebenswert. Alles toll, toll, toll. In der Nacht kam die Angst vor der Woche, denn natürlich habe ich dauernd was zu meckern, aber das liegt ja nicht an mir, sondern an der Unzulänglichkeit der Verhältnisse. Ich meckere über Fußgänger, die nicht zügig vorankommen; über das Pack, das im Straßencafé frühstückt, wenn ich um zehn Uhr zur Arbeit hetze; darüber, dass die Bild-Zeitung nicht auf meinem Schreibtisch liegt; über meine Themenideen; über den Milchkaffee in der Kantine; über die deutschen Charts; schlechte Texte; den Aufstieg von Charlotte Roche; mein Gehalt – ich fühle mich umzingelt von Missverständnissen & Fehleinschätzungen, was soll man da anders machen, als jammern? Am Montag zwang ich mich, alles gut toll zu finden: Tolles Wetter, tolle Menschen, toller Job, tolle Ideen, tolles Spiel der italienischen Mannschaft, tolles Essen beim Thailänder; alles toll, toll, toll – trunken vor Begeisterung schlief ich um neun Uhr abends vor dem Fernseher ein. Auch am Dienstag & am Mittwoch gab es wenig zu jammern: Die Arbeit rockte, auf der Straße lächelten mich die Mädchen an, abends saß ich auf dem Balkon, trank Dosenbier & hörte „Original Pirate Material“ von „The Streets“. Am Donnertag traf ich mit einem lieben Freund in München zum Mittagessen: Wir saßen draußen, tranken eine Pilserfrischung & schauten auf einem kleinen Fernseher das WM-Spiel Frankreich gegen Uruguay. „Und?“, fragte mein lieber Freund, „wie geht es dir?“ Ich dachte an die letzten Tage, & dann sah ich plötzlich um mich herum die Vertreter meiner Generation – Models, Grafiker, Schauspielschüler, Regieassistenten, Autoren & sie alle lachten, redeten & kifften & dachten an neue Projekte, neue Clubs, neue Magazine, neue Filme – ein Bild des Jammers. Aber wo waren die anderen? Die Hilfsarbeiter, die Arzthelferinnen, die Autoverkäufer, die Versicherungsvertreter, die Juristen, die FDP-Wähler? Ich dachte: Wie geht es denen eigentlich? Und dann antwortet ich meinem lieben Freund: „Den Umständen entsprechend“.