Vertrauensarbeit nicht nur Sache der Börse

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Vertrauensarbeit nicht nur Sache der Börse

 
18.07.01 07:00

Neuer Markt: Vertrauensarbeit nicht nur Sache der Börse


Von Tim Bartz, Hamburg

Die wegen der Krise am Neuen Markt heftig kritisierte Deutsche Börse muss nach Ansicht von Rechtsexperten ihr Regelwerk nicht grundlegend ändern, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Der Vorschlag, die in den USA angewandten Zulassungs- und Delisting-Regeln zu kopieren, ziele ins Leere, heißt es.

Notwendig seien neben Ergänzung zum Regelwerk vor allem strengere Gesetze und eine Stärkung der Aufsichtsbehörden. "Das Regelwerk am Neuen Markt hat hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen internationales Niveau", sagt Lutz Krämer von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt. Dies lehrten die Erfahrungen von Unternehmen, die auf beiden Seiten des Atlantiks notiert sind.

Die von der Börse geplante Streichung (Delisting) von Billigaktien wird kritisch gesehen. Die Börse überlegt derzeit, ob sie nach US-Vorbild einen automatischen Wechsel jener Unternehmen vom Neuen in den Geregelten Markt einführen soll, deren Aktien über einen längeren Zeitraum unter der Grenze von 1 Euro notieren. Mittwoch Abend trifft sich das "Primary Markets Advisory Committee" der Börse, um darüber zu beraten.



Prognose


"Eine 1 Euro-Grenze wäre willkürlich", sagt Hans-Dieter Stolper, Leiter Corporate Finance bei der Baden-Württembergischen Bank. Besser wäre es, Vorstände für verfehlte Prognosen haftbar zu machen. Ein anonymes, von der Börse benanntes Analysten-Gremium solle feststellen, ob gravierende Abweichungen vom Geschäftsplan auf Fehlentwicklungen innerhalb der Unternehmens oder das Marktumfeld zurückzuführen seien.


Jurist Krämer macht einen anderen Vorschlag: "Marktkapitalisierung und Börsenumsatz oder auch der relative Kursverlust zum Emissionspreis wären die besseren Delisting-Kriterien", sagt er. Dabei solle die Börse auch den Auswahlindex Nemax 50 auf 30 Mitglieder verkleinern, fordert er.


Die Möglichkeiten der Börse seien allerdings beschränkt, sagen die Experten. "Die Börse ist der falsche Prügelknabe", so Krämer. Edgar Matyschok von der Kanzlei Gleiss Lutz Hootz Hirsch weist dabei darauf hin, dass das Regelwerk des Wachstumssegmentes nicht die Verbesserung des Anlegerschutzes zum Ziel habe.


"Darin festgehalten sind praktisch nur die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die die Teilnahme am Neuen Markt regulieren sollen", sagt Matyschok. Damit werde das grundsätzlich öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Börse und gelisteten Unternehmen von privatrechtlichen Regelungen überlagert.


Dies wiederum erschwere zumindest die Einführung einer Delisting-Regel, da einseitige Leistungsänderungen nicht ohne weiteres zulässig seien. Die Deutsche Börse beruft sich allerdings auf den Passus 2.1.4. im Regelwerk, der den Entzug der Zulassung "zum Schutz des Publikums" erlaubt.



Fingerzeig


Der Fingerzeig auf die USA sei bei der Debatte wenig hilfreich, heißt es. Dort könne die Börsenaufsicht SEC mit ihrer überragenden Stellung nicht mit der Deutschen Börse verglichen werden. "Die SEC kann zugleich Normen setzen wie bei uns der Gesetzgeber und diese kontrollieren sowie bei Nichteinhaltung Strafen aussprechen", sagt Matyschok.


Damit vereine die SEC Machtbefugnisse auf sich, die sich in Deutschland auf die Börse, das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) und die Legislative beziehungsweise Fachministerien verteilten. So sind Vorstände und Aufsichtsräte von US-Firmen gezwungen, geplante An- und Verkäufe von Aktien des eigenen Unternehmens der SEC vor der Transaktion zu melden ("Exchange Act 1934"). Die SEC veröffentlicht diese Meldung, wenn eine Kursbeeinflussung erwartet wird. Der Deutschen Börse dagegen müssen Wertpapiergeschäfte erst nach der Transaktion gemeldet werden. Eine frühere Meldung verbiete Artikel 14 Grundgesetz, heißt es beim Deutschen Aktieninstitut.


Kaum Hoffnung bietet auch die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geplante Allfinanzaufsicht, die aus der Fusion der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), den Wertpapierhandel (BAWe) und das Versicherungswesen (BAV) entstehen soll. "Ist mehr Anlegerschutz gewollt, muss der Gesetzgeber Börsen- und Verkaufsprospektgesetz verschärfen. Nur Aufsicht und Durchsetzung der Standards kann Aufgabe einer Allfinanzbehörde sein", sagt Matyschok.

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