Versicherungen flüchten von der Börse
Die Versicherer haben Angst, die Überschuss-Beteiligungen ihrer Kunden erneut senken zu müssen. Darum verkaufen sie in großem Stil Aktien. Das treibt den Kursverfall an den Börsen weiter an.
DÜSSELDORF/FRANKFURT. Der Kursverfall an den Börsen nimmt kein Ende. Die schwache Umsatzprognose des Chipgiganten Intel ließ die Börsen in den USA und Europa auf das tiefste Niveau seit November sinken. Selbst ein unerwartet starker Rückgang der US-Arbeitslosenzahlen im Mai half nicht. Einige Bankstrategen fürchten jetzt sogar einen Rutsch unter die Tiefstände vom September 2001. Doch nicht negative Firmennachrichten sind die eigentliche Ursache für den Abwärtstrend, sondern massive Verkäufe großer Investoren.
Vor allem Versicherer stoßen seit Tagen Aktien ab, wie in Branchenkreisen bestätigt wird. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Markt: Schließlich besitzen Versicherer derzeit knapp jede dritte Aktie in Deutschland – während des Börsenbooms vor zwei Jahren waren es erst zehn Prozent. „Unter Verkaufsdruck stehen angesichts der fallenden Kurse vor allem Versicherer, die nur noch über geringe Reserven verfügen“, sagte Maximilian Zimmerer, Finanzvorstand der Allianz Leben, dem Handelsblatt.
Bei den Fondsgesellschaften verringern sich die Zuflüsse dramatisch
Für viele Inhaber von Lebensversicherungs- oder Rentenpolicen könnte dies bedeuten: Auch die Überschussbeteiligung, also die Rendite für das laufende Jahr, wird gesenkt. Denn Branchenexperten erwarten bei anhaltender Börsenschwäche eine weitere Absenkungsrunde im Herbst. „Und die wird wesentlich deutlicher ausfallen als im vergangenen Herbst“, sagt WestLB-Analyst Carsten Zielke.
Bereits 2001 hatten viele Assekuranzen ihre Anlageverluste durch Auflösung stiller Reserven kompensiert. „2002 ist für die Versicherer noch schwieriger als das schlechte Vorjahr“, sagt Sönke Papenhausen, Vorstand der Gothaer Asset Management. Zimmer bestätigt, dass die Situation angespannt sei.
Während reservestarke Versicherer wie die Allianz nun Kaufgelegenheiten sehen, stecken andere in einem Dilemma: „Selbst wenn reserveschwache Versicherer mittelfristig eine Börsenerholung erwarten, müssen sie bei sinkenden Kursen Aktien verkaufen,“ erklärt Papenhausen. „Sie müssen die Überschussbeteiligung für ihre Versicherten schließlich zum Ende des Jahres darstellen, nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt, an dem sich die Börsen wieder erholt haben.“
Wenig Hoffnung kommt von den Fonds. Während deutschen Immobilien-, Geldmarkt- und Rentenfonds von Januar bis April netto 16,3 Mrd. Euro zuflossen, waren es bei Aktienfonds nur 2,9 Mrd. Euro. In den ersten vier Monaten des Jahres 2000 war es das Zehnfache.
Bankexperten machen Anlegern wenig Mut. „Die Kurse können durchaus noch 20 bis 30 Prozent verlieren“, sagt Albert Edwards, Chefstratege von Dresdner Kleinwort Wasserstein. „Der Auslöser für eine Trendwende kommt wohl erst Mitte Juli mit den Quartalsberichten der Firmen“, so Rolf Elgeti von der Commerzbank.
HANDELSBLATT, Sonntag, 09. Juni 2002, 19:02 Uhr
Die Versicherer haben Angst, die Überschuss-Beteiligungen ihrer Kunden erneut senken zu müssen. Darum verkaufen sie in großem Stil Aktien. Das treibt den Kursverfall an den Börsen weiter an.
DÜSSELDORF/FRANKFURT. Der Kursverfall an den Börsen nimmt kein Ende. Die schwache Umsatzprognose des Chipgiganten Intel ließ die Börsen in den USA und Europa auf das tiefste Niveau seit November sinken. Selbst ein unerwartet starker Rückgang der US-Arbeitslosenzahlen im Mai half nicht. Einige Bankstrategen fürchten jetzt sogar einen Rutsch unter die Tiefstände vom September 2001. Doch nicht negative Firmennachrichten sind die eigentliche Ursache für den Abwärtstrend, sondern massive Verkäufe großer Investoren.
Vor allem Versicherer stoßen seit Tagen Aktien ab, wie in Branchenkreisen bestätigt wird. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Markt: Schließlich besitzen Versicherer derzeit knapp jede dritte Aktie in Deutschland – während des Börsenbooms vor zwei Jahren waren es erst zehn Prozent. „Unter Verkaufsdruck stehen angesichts der fallenden Kurse vor allem Versicherer, die nur noch über geringe Reserven verfügen“, sagte Maximilian Zimmerer, Finanzvorstand der Allianz Leben, dem Handelsblatt.
Bei den Fondsgesellschaften verringern sich die Zuflüsse dramatisch
Für viele Inhaber von Lebensversicherungs- oder Rentenpolicen könnte dies bedeuten: Auch die Überschussbeteiligung, also die Rendite für das laufende Jahr, wird gesenkt. Denn Branchenexperten erwarten bei anhaltender Börsenschwäche eine weitere Absenkungsrunde im Herbst. „Und die wird wesentlich deutlicher ausfallen als im vergangenen Herbst“, sagt WestLB-Analyst Carsten Zielke.
Bereits 2001 hatten viele Assekuranzen ihre Anlageverluste durch Auflösung stiller Reserven kompensiert. „2002 ist für die Versicherer noch schwieriger als das schlechte Vorjahr“, sagt Sönke Papenhausen, Vorstand der Gothaer Asset Management. Zimmer bestätigt, dass die Situation angespannt sei.
Während reservestarke Versicherer wie die Allianz nun Kaufgelegenheiten sehen, stecken andere in einem Dilemma: „Selbst wenn reserveschwache Versicherer mittelfristig eine Börsenerholung erwarten, müssen sie bei sinkenden Kursen Aktien verkaufen,“ erklärt Papenhausen. „Sie müssen die Überschussbeteiligung für ihre Versicherten schließlich zum Ende des Jahres darstellen, nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt, an dem sich die Börsen wieder erholt haben.“
Wenig Hoffnung kommt von den Fonds. Während deutschen Immobilien-, Geldmarkt- und Rentenfonds von Januar bis April netto 16,3 Mrd. Euro zuflossen, waren es bei Aktienfonds nur 2,9 Mrd. Euro. In den ersten vier Monaten des Jahres 2000 war es das Zehnfache.
Bankexperten machen Anlegern wenig Mut. „Die Kurse können durchaus noch 20 bis 30 Prozent verlieren“, sagt Albert Edwards, Chefstratege von Dresdner Kleinwort Wasserstein. „Der Auslöser für eine Trendwende kommt wohl erst Mitte Juli mit den Quartalsberichten der Firmen“, so Rolf Elgeti von der Commerzbank.
HANDELSBLATT, Sonntag, 09. Juni 2002, 19:02 Uhr