HINTERGRUND: Arbeitslosenzahl verpatzt Rot-Grün den Start ins Wahljahr 2002
BERLIN (dpa-AFX) - So hat sich Gerhard Schröder den Start ins Wahljahr 2002 wohl kaum gewünscht. Gerade aus dem Weihnachtsurlaub zurück, musste der Kanzler am Mittwoch neue Hiobsbotschaften vernehmen: Nur noch hauchdünn schrammte die Arbeitslosenzahl im Dezember an der Vier-Millionen-Grenze vorbei. Acht Monate vor der Wahl sieht sich Rot-Grün auf breiter Front mit schlechten Daten konfrontiert: Die Wirtschaft schwächelt, die Lage am Arbeitsmarkt verdüstert sich und in der Tarifpolitik droht ein harter Konflikt. Im Regierungslager macht sich Nervosität breit. Die Union wittert dagegen Morgenluft.
Während der Kanzler in der Außenpolitik bisher noch punkten konnte, gerät er mit der von ihm beschworenen Politik der ruhigen Hand an der heimischen Front zusehends in die Defensive. Vollmundig hatte Schröder selbst 1998 einen spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit zur Messlatte für seine Wiederwahl erhoben. Auf unter 3,5 Millionen im Jahresschnitt wollte Rot-Grün 2002 die Erwerbslosenzahl drücken. Nun holt den Kanzler sein Wort ein.
ARBEITSLOSENZAHLEN NOCH IMMER NIEDRIGER ALS IN ÄRA KOHL
Inzwischen glaubt er selbst nicht mehr, dass er dieses Ziel erreicht. Merklich kleinlauter rückte die Regierung bereits von der 3,5-Millionen-Marke ab - und verweist dabei auf die weltweite Wirtschaftsschwäche. Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslosenzahl 2002 im Jahresschnitt knapp unter vier Millionen liegen wird. Das ist zwar immer noch weniger als unter Vorgänger Helmut Kohl, aber deutlich mehr als versprochen.
Die Union sieht ihre Chancen bei den Wählern steigen. Sie will Rot-Grün vor allem in der Beschäftigungspolitik stellen und den Kanzler auf sein Wahlversprechen festnageln. Immerhin zeigen Umfragen, dass die Bürger die hohe Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme empfinden. "Die Regierung ist mit ihrer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik restlos gescheitert", gibt Unionsfraktionschef Friedrich Merz als Schlachtruf aus.
GRÜNE POCHEN AUF SOFORTPROGRAMM VON 500 MIO EURO
Bisher fehlt der Regierungskoalition eine überzeugende Strategie, um die Angriffe zu parieren und das Ruder noch herumzuwerfen. Die SPD setzt vor allem auf bereits eingeleitete Reformen wie das Job-Aktiv-Gesetz und hofft auf ein Anziehen der Konjunktur in der Jahresmitte. Die Grünen, die um ihren Wiedereinzug in das Parlament bangen, pochen dagegen auf radikale Reformen: Sie wollen noch vor der Wahl ein Sofortprogramm von 500 Millionen Euro (rund 940 Mio DM) gegen die Jobmisere auflegen.
Kernpunkt ihrer Vorschläge sind staatliche Zuschüsse für Niedrigverdiener, um die Aufnahme von Billigjobs attraktiver zu machen. Doch die Kosten würden den bisherigen Sparkurs der Schröder- Regierung konterkarieren. Die SPD will sich daher allenfalls auf ein "Kombilohn-Modell light" einlassen. "Den großen Wurf wird es vor der Wahl nicht mehr geben", lässt die SPD den kleinen Koalitionspartner abblitzen.
GEWERKSCHAFTEN WOLLEN KEINE MODERATEN ABSCHLÜSSE
Auch das Bündnis für Arbeit, Schröders einstiges Vorzeigeprojekt im Kampf gegen die Jobmisere, dümpelt vor sich hin. Gelähmt von gegensätzlichen Interessen hat es seit zwei Jahren keine größeren Erfolge vorzuweisen. Nun muss Schröder auch noch fürchten, dass ihm die Gewerkschaften das Wahljahr mit einer harten Lohnrunde vermasseln. Anders als 2000 wollen sie sich diesmal im Bündnis nicht auf moderate Tarifabschlüsse verpflichten lassen.
Führende Gewerkschafter schätzen das Risiko eines Streiks auf immerhin 50 Prozent. Ein Arbeitskampf käme dem Kanzler allerdings höchst ungelegen. Er dürfte daher alles daran setzen, die Gewerkschaften auf maßvollen Lohnkurs einzuschwören - und im Bündnis noch andere Erfolge zu vermelden. Doch ein zunächst geplantes Bündnistreffen noch vor Weihnachten sagten die Gewerkschaften kurzerhand ab - mangels greifbarer Ergebnisse. Und ein neuer Termin steht bisher nicht fest. Vage nannte ein Regierungssprecher nun als Datum nur "früh in diesem Jahr"./cm/DP/sh
---Von Christine Möllhoff, dpa---
BERLIN (dpa-AFX) - So hat sich Gerhard Schröder den Start ins Wahljahr 2002 wohl kaum gewünscht. Gerade aus dem Weihnachtsurlaub zurück, musste der Kanzler am Mittwoch neue Hiobsbotschaften vernehmen: Nur noch hauchdünn schrammte die Arbeitslosenzahl im Dezember an der Vier-Millionen-Grenze vorbei. Acht Monate vor der Wahl sieht sich Rot-Grün auf breiter Front mit schlechten Daten konfrontiert: Die Wirtschaft schwächelt, die Lage am Arbeitsmarkt verdüstert sich und in der Tarifpolitik droht ein harter Konflikt. Im Regierungslager macht sich Nervosität breit. Die Union wittert dagegen Morgenluft.
Während der Kanzler in der Außenpolitik bisher noch punkten konnte, gerät er mit der von ihm beschworenen Politik der ruhigen Hand an der heimischen Front zusehends in die Defensive. Vollmundig hatte Schröder selbst 1998 einen spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit zur Messlatte für seine Wiederwahl erhoben. Auf unter 3,5 Millionen im Jahresschnitt wollte Rot-Grün 2002 die Erwerbslosenzahl drücken. Nun holt den Kanzler sein Wort ein.
ARBEITSLOSENZAHLEN NOCH IMMER NIEDRIGER ALS IN ÄRA KOHL
Inzwischen glaubt er selbst nicht mehr, dass er dieses Ziel erreicht. Merklich kleinlauter rückte die Regierung bereits von der 3,5-Millionen-Marke ab - und verweist dabei auf die weltweite Wirtschaftsschwäche. Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslosenzahl 2002 im Jahresschnitt knapp unter vier Millionen liegen wird. Das ist zwar immer noch weniger als unter Vorgänger Helmut Kohl, aber deutlich mehr als versprochen.
Die Union sieht ihre Chancen bei den Wählern steigen. Sie will Rot-Grün vor allem in der Beschäftigungspolitik stellen und den Kanzler auf sein Wahlversprechen festnageln. Immerhin zeigen Umfragen, dass die Bürger die hohe Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme empfinden. "Die Regierung ist mit ihrer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik restlos gescheitert", gibt Unionsfraktionschef Friedrich Merz als Schlachtruf aus.
GRÜNE POCHEN AUF SOFORTPROGRAMM VON 500 MIO EURO
Bisher fehlt der Regierungskoalition eine überzeugende Strategie, um die Angriffe zu parieren und das Ruder noch herumzuwerfen. Die SPD setzt vor allem auf bereits eingeleitete Reformen wie das Job-Aktiv-Gesetz und hofft auf ein Anziehen der Konjunktur in der Jahresmitte. Die Grünen, die um ihren Wiedereinzug in das Parlament bangen, pochen dagegen auf radikale Reformen: Sie wollen noch vor der Wahl ein Sofortprogramm von 500 Millionen Euro (rund 940 Mio DM) gegen die Jobmisere auflegen.
Kernpunkt ihrer Vorschläge sind staatliche Zuschüsse für Niedrigverdiener, um die Aufnahme von Billigjobs attraktiver zu machen. Doch die Kosten würden den bisherigen Sparkurs der Schröder- Regierung konterkarieren. Die SPD will sich daher allenfalls auf ein "Kombilohn-Modell light" einlassen. "Den großen Wurf wird es vor der Wahl nicht mehr geben", lässt die SPD den kleinen Koalitionspartner abblitzen.
GEWERKSCHAFTEN WOLLEN KEINE MODERATEN ABSCHLÜSSE
Auch das Bündnis für Arbeit, Schröders einstiges Vorzeigeprojekt im Kampf gegen die Jobmisere, dümpelt vor sich hin. Gelähmt von gegensätzlichen Interessen hat es seit zwei Jahren keine größeren Erfolge vorzuweisen. Nun muss Schröder auch noch fürchten, dass ihm die Gewerkschaften das Wahljahr mit einer harten Lohnrunde vermasseln. Anders als 2000 wollen sie sich diesmal im Bündnis nicht auf moderate Tarifabschlüsse verpflichten lassen.
Führende Gewerkschafter schätzen das Risiko eines Streiks auf immerhin 50 Prozent. Ein Arbeitskampf käme dem Kanzler allerdings höchst ungelegen. Er dürfte daher alles daran setzen, die Gewerkschaften auf maßvollen Lohnkurs einzuschwören - und im Bündnis noch andere Erfolge zu vermelden. Doch ein zunächst geplantes Bündnistreffen noch vor Weihnachten sagten die Gewerkschaften kurzerhand ab - mangels greifbarer Ergebnisse. Und ein neuer Termin steht bisher nicht fest. Vage nannte ein Regierungssprecher nun als Datum nur "früh in diesem Jahr"./cm/DP/sh
---Von Christine Möllhoff, dpa---