Stockpicking ist angesagt der Gesamtmarkt sollte weiter seitwärts mit leicht fallender Tendenz verlaufen.
Volkswirte sind uneinig über den weiteren Verlauf der Konjunkturaussichten und Inflationsgefahren.
Große Wall-Street-Häuser rechnen mit Dollar-Abwertung und raten von US-Wertpapieren ab
Zinswende in den USA birgt Risiken für Investoren
Von Norbert Häring, Handelsblatt
Die Wende in der Zinspolitik der US-Notenbank (Fed) birgt Gefahren für die Depots vieler Anleger. Das gilt nach Ansicht führender Ökonomen der großen Wall- Street-Häuser vor allem dann, wenn der Fed der Balanceakt misslingt, die anziehende Inflation einzudämmen, ohne die konjunkturelle Erholung abzuwürgen.
§
FRANKFURT/M. Wegen der daraus folgenden Ungewissheit raten die Experten, Dollar-Anlagen zu meiden. Viele Fondsgesellschaften und andere Großinvestoren haben einen großen Teil ihres Geldes in Dollar investiert.
Jim O’Neill, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, macht sich große Sorgen um die US-Verbraucher. Er hält sie für sehr anfällig für steigende Zinsen, weil sie in den letzten Jahren viel ausgegeben haben und hoch verschuldet sind. Das spricht aus seiner Sicht für eine sehr maßvolle und langsame Zinsanhebung durch die Fed. Die Inflationssorgen der Märkte würden diese andererseits aber wahrscheinlich zwingen, entschlossenes Handeln zu demonstrieren. Zudem müsse die Fed gewährleisten, dass weiterhin sehr viel Kapital in die USA ströme, um das hohe Defizit im Außenhandel zu finanzieren. Dafür müssten ausländischen Investoren attraktive Renditen geboten werden.
„Keine Konjunkturerholung seit dem Zweiten Weltkrieg hat bei einem Leistungsbilanzdefizit von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts begonnen“, warnt auch John Llewellyn, Chefvolkswirt der Investmentbank Lehman Brothers. Ebenso wie O’Neill geht er wegen des Leistungsbilanzdefizits, also der starken Abhängigkeit von ausländischem Kapital, davon aus, dass der Dollar weiter abwerten und der Euro über 1,30 Dollar steigen wird – wenn alles gut geht. Das größte Risiko sehen beide darin, dass die Kapitalströme in die USA versiegen. Das könnte zum Dollar-Crash und zur Rezession führen. Beide sind deshalb in ihrer Empfehlung einig, Dollar-Anlagen zu meiden.
Bei Morgan Stanley sind die Meinungen sehr geteilt. Chefvolkswirt Stephen Roach, der den Ruf einer Kassandra genießt, sieht die USA wegen der hohen Defizite von Leistungsbilanz und Staatshaushalt in einer extrem prekären Lage, aus der es kaum einen Ausweg gebe. US-Chefökonom Richard Berner gehört dagegen zu den Optimisten. Für ihn ist die US–Konjunktur in guter Verfassung. Die Konsumenten hätten sich nicht übernommen, weil ihren hohen Schulden auch hohe Vermögen gegenüberständen. Deshalb traut er der Federal Reserve auch zu, mit Zinserhöhungen jegliche Inflationsgefahren in den Griff zu bekommen, ohne dass die Konjunktur Schaden erleidet.
Auch Lehman-Ökonom Llewellyn hält das Inflationsrisiko für gering, vor allem, weil es noch genügend unausgelastete Produktionskapazitäten gebe. Sein Goldman-Kollege O’Neil ist sich da nicht so sicher. Die hohe Liquidität als Resultat der lange Zeit extrem niedrigen Zinsen hat aus seiner Sicht ein großes Inflationspotenzial geschaffen. Die erwartete Dollar-Abwertung bringt weiteren Inflationsdruck, und die Lage im Nahen Osten birgt für ihn die Gefahr, dass der Staatshaushalt der USA völlig aus den Fugen gerät. „Sollten Irak und Saudi-Arabien weiter destabilisiert werden, könnte dies zu einer Stagflation wie in den siebziger Jahren führen“, befürchtet er, also zu stagnierender Konjunktur bei hoher Inflation. Um sich dagegen abzusichern, empfiehlt O’Neill, in Gold zu investieren.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 01. Juli 2004, 08:19 Uhr
Volkswirte sind uneinig über den weiteren Verlauf der Konjunkturaussichten und Inflationsgefahren.
Große Wall-Street-Häuser rechnen mit Dollar-Abwertung und raten von US-Wertpapieren ab
Zinswende in den USA birgt Risiken für Investoren
Von Norbert Häring, Handelsblatt
Die Wende in der Zinspolitik der US-Notenbank (Fed) birgt Gefahren für die Depots vieler Anleger. Das gilt nach Ansicht führender Ökonomen der großen Wall- Street-Häuser vor allem dann, wenn der Fed der Balanceakt misslingt, die anziehende Inflation einzudämmen, ohne die konjunkturelle Erholung abzuwürgen.
§
FRANKFURT/M. Wegen der daraus folgenden Ungewissheit raten die Experten, Dollar-Anlagen zu meiden. Viele Fondsgesellschaften und andere Großinvestoren haben einen großen Teil ihres Geldes in Dollar investiert.
Jim O’Neill, Chefvolkswirt von Goldman Sachs, macht sich große Sorgen um die US-Verbraucher. Er hält sie für sehr anfällig für steigende Zinsen, weil sie in den letzten Jahren viel ausgegeben haben und hoch verschuldet sind. Das spricht aus seiner Sicht für eine sehr maßvolle und langsame Zinsanhebung durch die Fed. Die Inflationssorgen der Märkte würden diese andererseits aber wahrscheinlich zwingen, entschlossenes Handeln zu demonstrieren. Zudem müsse die Fed gewährleisten, dass weiterhin sehr viel Kapital in die USA ströme, um das hohe Defizit im Außenhandel zu finanzieren. Dafür müssten ausländischen Investoren attraktive Renditen geboten werden.
„Keine Konjunkturerholung seit dem Zweiten Weltkrieg hat bei einem Leistungsbilanzdefizit von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts begonnen“, warnt auch John Llewellyn, Chefvolkswirt der Investmentbank Lehman Brothers. Ebenso wie O’Neill geht er wegen des Leistungsbilanzdefizits, also der starken Abhängigkeit von ausländischem Kapital, davon aus, dass der Dollar weiter abwerten und der Euro über 1,30 Dollar steigen wird – wenn alles gut geht. Das größte Risiko sehen beide darin, dass die Kapitalströme in die USA versiegen. Das könnte zum Dollar-Crash und zur Rezession führen. Beide sind deshalb in ihrer Empfehlung einig, Dollar-Anlagen zu meiden.
Bei Morgan Stanley sind die Meinungen sehr geteilt. Chefvolkswirt Stephen Roach, der den Ruf einer Kassandra genießt, sieht die USA wegen der hohen Defizite von Leistungsbilanz und Staatshaushalt in einer extrem prekären Lage, aus der es kaum einen Ausweg gebe. US-Chefökonom Richard Berner gehört dagegen zu den Optimisten. Für ihn ist die US–Konjunktur in guter Verfassung. Die Konsumenten hätten sich nicht übernommen, weil ihren hohen Schulden auch hohe Vermögen gegenüberständen. Deshalb traut er der Federal Reserve auch zu, mit Zinserhöhungen jegliche Inflationsgefahren in den Griff zu bekommen, ohne dass die Konjunktur Schaden erleidet.
Auch Lehman-Ökonom Llewellyn hält das Inflationsrisiko für gering, vor allem, weil es noch genügend unausgelastete Produktionskapazitäten gebe. Sein Goldman-Kollege O’Neil ist sich da nicht so sicher. Die hohe Liquidität als Resultat der lange Zeit extrem niedrigen Zinsen hat aus seiner Sicht ein großes Inflationspotenzial geschaffen. Die erwartete Dollar-Abwertung bringt weiteren Inflationsdruck, und die Lage im Nahen Osten birgt für ihn die Gefahr, dass der Staatshaushalt der USA völlig aus den Fugen gerät. „Sollten Irak und Saudi-Arabien weiter destabilisiert werden, könnte dies zu einer Stagflation wie in den siebziger Jahren führen“, befürchtet er, also zu stagnierender Konjunktur bei hoher Inflation. Um sich dagegen abzusichern, empfiehlt O’Neill, in Gold zu investieren.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 01. Juli 2004, 08:19 Uhr