Der Vatikan für MBAler
oder ein erfolgreicher turnaround
der Vatikan AG
Man kann sicherlich viele
Geschichten über den Vatikan
erzählen, aber welche interessiert
MBAler und Absolventen von
Executive Programmen des INSEAD?
Hier kommt der nicht ganz ernst
gemeinte, aber inhaltlich korrekte,
Versuch eines Unternehmensberaters
den Vatikan aus einer etwas
anderen Perspektive zu beleuchten,
nämlich der eines erfolgreichen
Turnarounds von operativen
Verlusten hin zu einer der best
gemanagten, wirklich globalen AGs.
1991 machte der Vatikan noch einen
herben operativen Verlust von 52
Mio. EUR. Im Jahr 2000 konnte ein
Überschuß von knapp 65 Mio. EUR
erwirtschaftet werden. Das ist das
achte Jahr in Folge, wo der Vatikan
einen Haushaltsüberschuß
erwirtschaftet. Wo lag das
ökonomische Problem in den 80er
Jahren und davor und wie gelang es,
diesen eindrucksvollen, und über fast
eine Dekade stabilen turn-around
hinzubekommen? Möglich wurde dies
vor allem durch Giorgio Stoppa,
mittlerweile 70 Jahre alt, der vom
Papst zum Investment Chef in den
90er Jahren berufen wurde.
Die Ausgangssituation: Noch im
19ten Jahrhundert war das
Patrimonium, der damalige
Vatikanstaat, mit ca. 41.000
Quadratkilometern fast so groß wie
das heutige Niedersachsen. Der
Kirchenstaat finanzierte sich über die
soliden Einkünfte aus dem
Großgrundbesitz. Doch in 1870
geschah eine der weltweit ersten,
unfreundlichen Übernahmen durch
die italienische Armee. Der damalige
CEO, Papst Pius IX, wurde
entmachtet und verschanzte sich in
seinem Palast. Er versuchte
verzweifelt, und letztendlich erfolglos,
durch die Exkommunikation der
Eroberer die Übernahme zu vereiteln
(vergleiche auch Thyssen-Krupp und
Vodafone-Mannesmann). Erst 1929
schlossen beide Seiten mit Hilfe des
Lateranvertrages Frieden
(vergleiche Vodafone-Mannesmann
und IFA-FAG). Der Papst begnügte
sich mit einem Staatsgebiet von 0,44
Quadratkilometern und weniger als
480 Staatsbürgern und stand damit
dem kleinsten Staat der Welt vor.
Zum Ausgleich erhielt er eine
einmalige Abfindung in Höhe von
91,7 Mio. Dollar (vergleiche Esser &
Co.), wovon er fortan den Haushalt
bestreiten musste. Dies gelang nicht
und in den 70er und 80er Jahren zum
Beispiel erwirtschaftete der Heilige
Stuhl regelmäßig Verluste.
Kostensenkungsprogramme waren
im Vatikan unbekannt und auch die
weit verbreitete Meinung des
Vorstandes, nur Gott Rechenschaft
zu schulden, war einer
ordnungsgemäßen Buchführung und
Gewinnerzielungsabsicht abträglich.
Die Overheadkosten sind mit 21
Mio. Euro pro Jahr für Gehälter und
Rentenrückstellungen im
Benchmarkvergleich zu anderen
Staaten viel zu hoch. Der Staat leistet
sich eine eigene Polizei, Feuerwehr,
Justiz, Gefängniszelle und
Schweizer Garde zum Schutz des
Vorsitzenden. Etwa 2700 Personen,
sowohl weltliche
Verwaltungsangestellte als auch
geistliche Würdenträger, stehen
beim Vatikan auf der Gehaltsliste.
Die Gehälter sind allerdings im
Wettbewerbsvergleich günstig:
Weltliche Angestellte beziehen netto
dieselben niedrigen Löhne, die sie in
Italien bezahlt bekämen. Geistliche
Würdenträger bekommen sogar noch
weniger. Ein Kardinal, also ein Mann
in der zweiten Hierarchieebene, muß
beispielsweise mit etwa 1500 Euro
netto im Monat auskommen. Die
Qualifikation der Angestellten ist in
Anbetracht der bescheidenen Bezüge
aber überraschend hoch: Fast alle
besitzen ein ausgeprägtes
Allgemeinwissen, haben ein
Hochschulstudium - häufig mit
Promotion - absolviert und sprechen
mindestens 4 Sprachen fliessend. Ein
Problem ist aber die Überalterung
der Mitarbeiter und die Schwierigkeit
den notwendigen Nachwuchs zu
recruitieren, um das Niveau zu
halten. Neben den Personalkosten
verschlingen die chronisch
defizitären Corporate
Communications Aktivitäten
Millionen, ohne eine zunehmend
Schar potenzieller Mitglieder zu
erreichen. Der Staatsrundfunk Radio
Vatikan, der Fernsehsender TV
Vaticana und die päpstliche Zeitung
L´Osservatore Romane belasten den
Etat mit einem zweistelligen Millionen
Euro-Betrag. Seit einiger Zeit ist der
Staat auch im Internet mit einer
offiziellen deutschen homepage,
nämlich
www.vatican.va/phome_ge.htm,
vertreten. Auch der Nebenkostenetat
ist ungewöhnlich hoch. Durch die
hohe Internationalität der
Mitarbeiter sind die Reisekosten weit
überdurchschnittlich. Die Vatikan
AG lebte jahrelang aus der
Substanz und drohte bei fortgesetzt,
unverändertem Wirtschaften in die
Überschuldung und Illiquidität zu
gleiten.
Der turn-around: Klassische
Restrukturierungsansätze waren
und sind in der absoluten Monarchie
des Papstes tabu. So sollen die
Outsourcing-Potentiale bei
Feuerwehr, Polizei, Justiz und Armee
ebenso wenig genutzt werden wie die
Chancen, mit Hilfe eines Finanzamtes
Steuern einzutreiben, die Waren um
30% teurer zu machen und damit den
römischen Supermarkt-Preisen
anzugleichen, die 15 Monatsgehälter
oder drei zusätzlichen Feiertage
(z.B. der Tag der Amtseinführung des
Papstes) zu kürzen,
betriebsbedingte Kündigungen
auszusprechen, das weibliche und
nicht-katholische Human Potential
zu nutzen oder die Cash-Reserven
in Form von über 1000 Wohnungen
im römischen Stadtgebiet zu
aktivieren. Allein letzter Posten steht
mit 250 Millionen Euro in der Bilanz
und besitzt einen Marktwert von mehr
als doppelt so viel. Auch die
lukrativen Investments in
Pharmafirmen, die Antibabypillen
herstellen und vertreiben, sowie
risikobewußte, aber rentable,
Investments in Rüstungsfirmen
wurden 1967 vom damaligen CEO
Papst Paul VI - nach heftigen
Beschwerden der Share- und
Stakeholder - als nicht
strategiekonform abgelehnt. All das
half natürlich nicht, die
Haushaltslage des Staates in
Ordnung zu bringen und
Überschüsse zu erwirtschaften. Da
die klassischen Restrukturierungsinstrumente
tabu sind, engagierte
man mit Giorgio Stoppa einen
Investment Profi und Broker, der im
Rahmen der vorgegebenen
Möglichkeiten die Vatikan AG zu
einem profitablen und echten
global Player auf- und ausbaute.
Mit einem Team aus zehn weiteren,
weltlichen Investmentbankern
managed er ein Depot von rund 250
Millionen Euro, investierte in Aktien
und festverzinsliche Wertpapiere und
managed zusätzlich Cash-Reserven
in gleicher Höhe.
Anlageschwerpunkt sind
christliche Fonds mit reinem
Gewissen. Teufelswerk, wie
Rüstungsgüter, Sex-Artikel, Tabak,
Glücksspiel, Alkohol und Kinderarbeit,
fliegt direkt aus dem Depot raus.
Neben dem amerikanischen Noah
Fund oder dem Ave Maria Catholic
Values Fund sind in Deutschland der
2000 von Invesco aufgelegte Fonds
für Orden und Ökumene
Investitionsschwerpunkte.