US-Kampfpiloten auf Speed, gefunden bei heise
Florian Rötzer 07.08.2002
Für ihre Einsätze nehmen die Piloten Amphetamine, bei der Rückkehr Sedativa: friendly fire und Beschuss von Zivilisten sind nicht ausgeschlossen
In Afghanistan ist es schon zu einer ganzen Reihe von Vorfällen gekommen, bei denen Piloten von US-Kampfjets eigene Leute oder zivile Ziele beschossen haben. Offenbar ist es gang und gebe, dass die Piloten vor ihrem Einsatz und während des Flugs zum Wachbleiben Amphetamine schlucken. Die werden bekanntlich auch als Drogen verwendet, machen süchtig und führen gelegentlich zu Paranoia und Halluzinationen. So gedopt könnte es schon vorkommen, dass Piloten Schüsse am Boden mit einem gezielten Beschuss ihrer Flugzeuge verwechseln und sicherheitshalber einmal zurückschießen.
Warum sollte es bei den Soldaten, vornehmlich bei denen, die mit Hightech umgehen, auch anders zugehen? Vor allem dann, wenn ohne genügend Ruhezeiten permanent höchste Aufmerksamkeit bei Einsätzen verlangt wird, in denen das eigene Leben auf dem Spiel steht, ist womöglich die erforderliche Leistung nur noch mit Dope zu erbringen. Aber wenn die hochgeputschten Piloten dann vom Einsatz zurückkehren, was wie im Fall von Afghanistan mehr als sechs Stunden Flug erfordern kann, weil erst einmal jeweils drei Stunden Hin- und Rückflug zwischen Einsatzort und dem Luftstützpunkt in Kuwait erforderlich sind, müssen sie ebenso künstlich wieder sediert werden, um überhaupt schlafen zu können und wieder ein paar Stunden einsatzbereit zu sein.
Wie weit allgemein der Rauschmittelgenuss beim Militär verbreitet ist, wird man nicht erfahren. Dass routinemäßig Piloten der US Air Force Amphetamine, zu denen auch Ecstasy gehört, nehmen, wird selbst offiziell eingeräumt Eine Sprecherin der medizinischen Abteilung des Luftwaffe bestätigte gegenüber dem kanadischen Toronto Star, dass die Piloten Dexedrin erhalten, um im Einsatz in Afghanistan wach und aufmerksam zu bleiben. Piloten nennen offenbar die Speed-Tabletten "go-pills", während sie als "no-go pills" bei der Rückkehr die Sedativa Ambien oder Restoril zum Schlafen erhalten. Das Leben wird also chemisch dem Einsatz angepasst, Wachheit und Schlaf auf Bedarf ein- und ausgeschaltet.
Wie Betty-Anne Mauger von der Air Force erklärte, erhielten die Piloten im Afghanistan-Einsatz Dexedrin in 10 mg Dosen. Während des Golfkriegs hatte man noch 5 mg verabreicht. Da waren natürlich auch die Flugzeiten kürzer. Gleichwohl haben im Golfkrieg bereits 60 Prozent der Piloten Speed genommen, in machen Einheiten, die besonders häufig Einsätze flogen, bis zu 96 Prozent, also nahezu alle. Zwar nehmen die Piloten die Medikamente freiwillig, aber es gibt auch Druck.
"Different phases of flight have widely varying levels of arousal. Boring aspects might include flying a tanker, helicopter or E-2 on station for several hours, an uneventful combat air patrol, the transit back from a long range strike or holding in the marshal pattern prior to landing. Tasks with high arousal would include bombing a target with the enemy shooting back, engaging a fighter or simply taking-off or landing. We can predict that performance in situations with inherent arousal will be much better than those that are boring."
In dem Handbuch Performance Maintenance During Continuous Flight Operations, das 2000 vom Naval Strike and Air Warfare Center für die Ärzte der Luftwaffe herausgegeben wurde, heißt es denn auch, dass lange Flüge zu schlechter Leistung führen können. Auch Langeweile kann gefährlich ermüdend sein, während ein gefährlicher Einsatz wach hält. Zur Vorbeugung von Ermüdung wird neben ausreichendem Schlaf, richtiger Ernährung und Koffein auch die "richtig kontrollierte Verwendung von stimulierenden und sedativen Medikamenten wie beispielsweise Dexedrin, Ambien und Restoril" empfohlen.
Die Verwendung von Medikamenten zur Leistungssteigerung sei für die Luftwaffe auch gar nichts Neues. Bereits im Zweiten Weltkrieg hätten deutsche und britische Soldaten Amphetamine erhalten. Britische Soldaten bekamen im Falklandkrieg Sedativa. Auch US-Piloten wurden im Vietnam-Krieg mit Amphetamine fit gemacht, im Golfkrieg und danach haben sie sowohl Amphetamine als auch Sedativa erhalten: "Die Einnahme war nach Berichten in allen diesen Fällen sicher und effektiv."
Koffein wäre zwar vorzuziehen, weil es hier kaum zu einem Missbrauch kommen könne, bleibe aber nur zweite Wahl. Zwar werde die kognitive Leistung erhöht, aber Wachheit werde von Amphetaminen besser erzielt. Im Handbuch wird empfohlen, Amphetamine und Sedativa nur bei Kampfeinsätzen zu geben. Die Piloten müssen eine Erklärung unterschrieben, in der sie über die Wirkung aufgeklärt werden. Die Einnahme erfolgt freiwillig nach einer "Empfehlung" des Vorgesetzten. Im Golfkrieg wurden die Piloten offenbar mit entsprechend vielen Dexedrin-Tabletten (5 mg) versorgt, um alle zwei bis drei Stunden eine Dosis einnehmen zu können. Mittlerweile scheint man die Dosis auf 15 mg erhöht zu haben, empfiehlt jedoch, innerhalb von 24 Stunden nicht mehr als 30 mg zu nehmen.
Ob für den Abwurf einer lasergesteuerten 250 kg Bombe von einer amerikanischen F-16 auf eine kanadische Einheit im April Dexedrin im Spiel war, ist noch nicht bekannt. Bei dem Vorfall wurden vier Soldaten getötet. Da der Pilot nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak zur Überwachung der "No-Fly Zonen" eingesetzt wurde, kann man wegen der Doppelbelastung durchaus davon ausgehen, dass er Amphetamine genommen hat. Und weil sich die Piloten selbst "behandeln" dürfen, um fit zu bleiben, könnte die an sich vorgeschriebene Dosis auch schon einmal überschritten werden. Sogenannte Amphetaminpsychosen treten zwar normalerweise erst bei höheren Dosen auf, können sich aber gelegentlich schon bei 10 mg einstellen. Neben körperlichen Symptomen wie erhöhter oder niedrigerer Blutdruck, Übelkeit, Schwitzen oder Krampfanfälle beeinflussen Amphetamine auch die Stimmung, so dass es auch zu Euphorie, Depressionen oder Aggressionen kommen kann.
Möglicherweise hat eine Verwechslung von Gewehrfeuer mit Raketenbeschuss den Piloten oder seine Mitkämpfer auf Speed auch dazu geführt, dass am 1. Juli eine Ortschaft in Afghanistan beschossen und dabei um die 50 Menschen getötet wurden. Die Untersuchung des Pentagon ist noch nicht abgeschlossen.
Florian Rötzer 07.08.2002
Für ihre Einsätze nehmen die Piloten Amphetamine, bei der Rückkehr Sedativa: friendly fire und Beschuss von Zivilisten sind nicht ausgeschlossen
In Afghanistan ist es schon zu einer ganzen Reihe von Vorfällen gekommen, bei denen Piloten von US-Kampfjets eigene Leute oder zivile Ziele beschossen haben. Offenbar ist es gang und gebe, dass die Piloten vor ihrem Einsatz und während des Flugs zum Wachbleiben Amphetamine schlucken. Die werden bekanntlich auch als Drogen verwendet, machen süchtig und führen gelegentlich zu Paranoia und Halluzinationen. So gedopt könnte es schon vorkommen, dass Piloten Schüsse am Boden mit einem gezielten Beschuss ihrer Flugzeuge verwechseln und sicherheitshalber einmal zurückschießen.
Warum sollte es bei den Soldaten, vornehmlich bei denen, die mit Hightech umgehen, auch anders zugehen? Vor allem dann, wenn ohne genügend Ruhezeiten permanent höchste Aufmerksamkeit bei Einsätzen verlangt wird, in denen das eigene Leben auf dem Spiel steht, ist womöglich die erforderliche Leistung nur noch mit Dope zu erbringen. Aber wenn die hochgeputschten Piloten dann vom Einsatz zurückkehren, was wie im Fall von Afghanistan mehr als sechs Stunden Flug erfordern kann, weil erst einmal jeweils drei Stunden Hin- und Rückflug zwischen Einsatzort und dem Luftstützpunkt in Kuwait erforderlich sind, müssen sie ebenso künstlich wieder sediert werden, um überhaupt schlafen zu können und wieder ein paar Stunden einsatzbereit zu sein.
Wie weit allgemein der Rauschmittelgenuss beim Militär verbreitet ist, wird man nicht erfahren. Dass routinemäßig Piloten der US Air Force Amphetamine, zu denen auch Ecstasy gehört, nehmen, wird selbst offiziell eingeräumt Eine Sprecherin der medizinischen Abteilung des Luftwaffe bestätigte gegenüber dem kanadischen Toronto Star, dass die Piloten Dexedrin erhalten, um im Einsatz in Afghanistan wach und aufmerksam zu bleiben. Piloten nennen offenbar die Speed-Tabletten "go-pills", während sie als "no-go pills" bei der Rückkehr die Sedativa Ambien oder Restoril zum Schlafen erhalten. Das Leben wird also chemisch dem Einsatz angepasst, Wachheit und Schlaf auf Bedarf ein- und ausgeschaltet.
Wie Betty-Anne Mauger von der Air Force erklärte, erhielten die Piloten im Afghanistan-Einsatz Dexedrin in 10 mg Dosen. Während des Golfkriegs hatte man noch 5 mg verabreicht. Da waren natürlich auch die Flugzeiten kürzer. Gleichwohl haben im Golfkrieg bereits 60 Prozent der Piloten Speed genommen, in machen Einheiten, die besonders häufig Einsätze flogen, bis zu 96 Prozent, also nahezu alle. Zwar nehmen die Piloten die Medikamente freiwillig, aber es gibt auch Druck.
"Different phases of flight have widely varying levels of arousal. Boring aspects might include flying a tanker, helicopter or E-2 on station for several hours, an uneventful combat air patrol, the transit back from a long range strike or holding in the marshal pattern prior to landing. Tasks with high arousal would include bombing a target with the enemy shooting back, engaging a fighter or simply taking-off or landing. We can predict that performance in situations with inherent arousal will be much better than those that are boring."
In dem Handbuch Performance Maintenance During Continuous Flight Operations, das 2000 vom Naval Strike and Air Warfare Center für die Ärzte der Luftwaffe herausgegeben wurde, heißt es denn auch, dass lange Flüge zu schlechter Leistung führen können. Auch Langeweile kann gefährlich ermüdend sein, während ein gefährlicher Einsatz wach hält. Zur Vorbeugung von Ermüdung wird neben ausreichendem Schlaf, richtiger Ernährung und Koffein auch die "richtig kontrollierte Verwendung von stimulierenden und sedativen Medikamenten wie beispielsweise Dexedrin, Ambien und Restoril" empfohlen.
Die Verwendung von Medikamenten zur Leistungssteigerung sei für die Luftwaffe auch gar nichts Neues. Bereits im Zweiten Weltkrieg hätten deutsche und britische Soldaten Amphetamine erhalten. Britische Soldaten bekamen im Falklandkrieg Sedativa. Auch US-Piloten wurden im Vietnam-Krieg mit Amphetamine fit gemacht, im Golfkrieg und danach haben sie sowohl Amphetamine als auch Sedativa erhalten: "Die Einnahme war nach Berichten in allen diesen Fällen sicher und effektiv."
Koffein wäre zwar vorzuziehen, weil es hier kaum zu einem Missbrauch kommen könne, bleibe aber nur zweite Wahl. Zwar werde die kognitive Leistung erhöht, aber Wachheit werde von Amphetaminen besser erzielt. Im Handbuch wird empfohlen, Amphetamine und Sedativa nur bei Kampfeinsätzen zu geben. Die Piloten müssen eine Erklärung unterschrieben, in der sie über die Wirkung aufgeklärt werden. Die Einnahme erfolgt freiwillig nach einer "Empfehlung" des Vorgesetzten. Im Golfkrieg wurden die Piloten offenbar mit entsprechend vielen Dexedrin-Tabletten (5 mg) versorgt, um alle zwei bis drei Stunden eine Dosis einnehmen zu können. Mittlerweile scheint man die Dosis auf 15 mg erhöht zu haben, empfiehlt jedoch, innerhalb von 24 Stunden nicht mehr als 30 mg zu nehmen.
Ob für den Abwurf einer lasergesteuerten 250 kg Bombe von einer amerikanischen F-16 auf eine kanadische Einheit im April Dexedrin im Spiel war, ist noch nicht bekannt. Bei dem Vorfall wurden vier Soldaten getötet. Da der Pilot nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak zur Überwachung der "No-Fly Zonen" eingesetzt wurde, kann man wegen der Doppelbelastung durchaus davon ausgehen, dass er Amphetamine genommen hat. Und weil sich die Piloten selbst "behandeln" dürfen, um fit zu bleiben, könnte die an sich vorgeschriebene Dosis auch schon einmal überschritten werden. Sogenannte Amphetaminpsychosen treten zwar normalerweise erst bei höheren Dosen auf, können sich aber gelegentlich schon bei 10 mg einstellen. Neben körperlichen Symptomen wie erhöhter oder niedrigerer Blutdruck, Übelkeit, Schwitzen oder Krampfanfälle beeinflussen Amphetamine auch die Stimmung, so dass es auch zu Euphorie, Depressionen oder Aggressionen kommen kann.
Möglicherweise hat eine Verwechslung von Gewehrfeuer mit Raketenbeschuss den Piloten oder seine Mitkämpfer auf Speed auch dazu geführt, dass am 1. Juli eine Ortschaft in Afghanistan beschossen und dabei um die 50 Menschen getötet wurden. Die Untersuchung des Pentagon ist noch nicht abgeschlossen.