US-Börsenaufsicht
Harvey Pitts katastrophaler Fehlgriff
Von Thomas Hillenbrand
William Webster, der gerade inthronisierte Chef der neuen US-Aufsichtsbehörde für Wirtschaftsprüfer, erweist sich als katastrophale Fehlbesetzung. Der Mann, der Fälle wie Enron zukünftig verhindern soll, hat es als Aufsichtsrat mit den Bilanzregeln selber nicht so genau genommen.
AP
Das Glück währte nicht lang: Harvey Pitt hat offenbar den Bock zum Gärtner gemacht
New York - William Webster, ehemaliger Direktor des FBI und der CIA, soll seinen Spürsinn einsetzen, um der ins Zwielich geratenen Wirtschaftsprüferbranche auf die Finger zu schauen. Der 78-jährige ist seit vergangenem Freitag Vorsitzender des neu gegründeten Public Company Accounting Oversight Board (PCAB).
Offenbar hat der Chef der US-Börsenaufsicht SEC, Harvey Pitt, mit Webster den Bock zum Gärtner gemacht. Wie jetzt bekannt wurde saß der PCAB-Chef bis vor kurzen im Aufsichtsrat des Unternehmens U.S. Technologies. Dort saß er dem Ausschuss für Rechnungsprüfung vor. Dieser ist vor allem für die Zusammenarbeit des Unternehmens mit externen Wirtschaftsprüfern und die Korrektheit der Jahresabschlüsse zuständig.
Gegen U.S. Technologies und dessen Chef Gregory Earls laufen inzwischen zahlreiche Verfahren wegen Betrugs von Investoren. Gegen Webster wird nicht ermittelt - allerdings flog das Unternehmen während seiner Amtszeit aus dem Börsensegment Nasdaq, weil es Pflichtmitteilungen an die SEC wiederholt zu spät einreichte. Noch schwerer wiegt jedoch, wie Webster während seiner Tätigkeit bei U.S. Technologies mit den externen Wirtschaftsprüfern umging.
Webster entließ renitente Wirtschaftsprüfer
Die "New York Times" berichtet, der damalige Wirtschaftsprüfer des Unternehmens, BDO Seidman, habe im Sommer 2001 Websters Ausschuss auf gravierende Mängel im Controlling hingewiesen. Es gebe, zitiert das Blatt einen Seidman-Bericht, erhebliche Defizite "in der zeitnahen Aufzeichnung materieller Transaktionen und in der Organisation und Aufbewahrung von Dokumenten, die Finanzen und Buchhaltung betreffen." Statt den Einwänden von Seidman nachzugehen, entschied sich Webster dafür, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu feuern und eine andere Gesellschaft zu beauftragen.
Für SEC-Chef Harvey Pitt ist Websters nicht allzu weiße Weste mehr als nur eine weitere Blamage. Sie könnte den ohnehin im Kreuzfeuer der Kritik stehenden ehemaligen Wall-Street-Anwalt den Kopf kosten. Denn Pitt wurde von Webster über die laufenden Untersuchungen gegen U.S: Technologies frühzeitig informiert. Webster gegenüber der "New York Times": "Ich habe ihnen gesagt, dass die Leute mit Anschuldigungen kommen. Ich sagte ihm, dass wir das Ganze nicht weiter verfolgen sollten, wenn dies ein Problem darstellt".
Pitt ließ seine Kollegen im Dunkeln
Pitt habe ihm jedoch versichert, die SEC habe die Sache geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, Websters Tätigkeit für U.S. Technologies stelle kein Problem dar. Ganz korrekt ist das nicht: Die Entscheidung trafen Pitt und sein Team offenbar ganz alleine. Die vier anderen Commissioner der SEC, die an der Abstimmung über die Postenvergabe an Webster beteiligt waren, informierte Pitt laut SEC-Kreisen nicht über die Vergangenheit des Kandidaten. Auch das Weiße Haus war nach eigenen Angaben nicht eingeweiht.
Pitt ist in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ungeschickte politische Manöver aufgefallen. Der bei öffentlichen Auftritten bräsig und humorlos wirkende Jurist verbrannte seinen ursprünglichen Wunschkandidaten für das Amt des PCAB-Chefs, John Biggs, indem er dessen Namen in der Presse durchsickern ließ - ohne sich vorher mit wichtigen Politikern des Kongresses oder dem Weißen Haus abzusprechen. Danach machte er sich erneut lächerlich, indem er öffentlich leugnete, Biggs je für das Amt in Betracht gezogen zu haben.
Bush unter Druck
Möglich, dass Präsident George Bush jetzt die Geduld mit seinem Parteifreund Pitt verliert, über den er bisher immer seine schützende Hand gehalten hat. Kurz vor den Kongresswahlen kommt dem Präsidenten, der ebenso wie sein Vize Dick Cheney Probleme wegen zweifelhafter geschäftlicher Transaktionen hat, der Fauxpas Pitts denkbar ungelegen. Die Demokraten haben schon wiederholt versucht, Bush in eine Reihe mit Skandalunternehmern wie Bernie Ebbers oder Kenneth Lay zu bringen. Mit dem Fehlstart der PCAB, die das Herzstück der kürzlich verabschiedeten US-Finanzmarktreformen darstellt, gerät Bush erneut in Bedrängnis.
Pitt flüchtet sich unterdessen ins Absurde. Zu dem Vorwurf, er habe seinen Kollegen wichtige Informationen vorenthalten, will er sich nicht äußern. Stattdessen hat er eine Untersuchung gegen sich selbst angeordnet: Der Generalinspekteur der SEC, Walter Stachnick soll untersuchen, ob bei der Auswahl Websters alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
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© SPIEGEL ONLINE 2002
Harvey Pitts katastrophaler Fehlgriff
Von Thomas Hillenbrand
William Webster, der gerade inthronisierte Chef der neuen US-Aufsichtsbehörde für Wirtschaftsprüfer, erweist sich als katastrophale Fehlbesetzung. Der Mann, der Fälle wie Enron zukünftig verhindern soll, hat es als Aufsichtsrat mit den Bilanzregeln selber nicht so genau genommen.
AP
Das Glück währte nicht lang: Harvey Pitt hat offenbar den Bock zum Gärtner gemacht
New York - William Webster, ehemaliger Direktor des FBI und der CIA, soll seinen Spürsinn einsetzen, um der ins Zwielich geratenen Wirtschaftsprüferbranche auf die Finger zu schauen. Der 78-jährige ist seit vergangenem Freitag Vorsitzender des neu gegründeten Public Company Accounting Oversight Board (PCAB).
Offenbar hat der Chef der US-Börsenaufsicht SEC, Harvey Pitt, mit Webster den Bock zum Gärtner gemacht. Wie jetzt bekannt wurde saß der PCAB-Chef bis vor kurzen im Aufsichtsrat des Unternehmens U.S. Technologies. Dort saß er dem Ausschuss für Rechnungsprüfung vor. Dieser ist vor allem für die Zusammenarbeit des Unternehmens mit externen Wirtschaftsprüfern und die Korrektheit der Jahresabschlüsse zuständig.
Gegen U.S. Technologies und dessen Chef Gregory Earls laufen inzwischen zahlreiche Verfahren wegen Betrugs von Investoren. Gegen Webster wird nicht ermittelt - allerdings flog das Unternehmen während seiner Amtszeit aus dem Börsensegment Nasdaq, weil es Pflichtmitteilungen an die SEC wiederholt zu spät einreichte. Noch schwerer wiegt jedoch, wie Webster während seiner Tätigkeit bei U.S. Technologies mit den externen Wirtschaftsprüfern umging.
Webster entließ renitente Wirtschaftsprüfer
Die "New York Times" berichtet, der damalige Wirtschaftsprüfer des Unternehmens, BDO Seidman, habe im Sommer 2001 Websters Ausschuss auf gravierende Mängel im Controlling hingewiesen. Es gebe, zitiert das Blatt einen Seidman-Bericht, erhebliche Defizite "in der zeitnahen Aufzeichnung materieller Transaktionen und in der Organisation und Aufbewahrung von Dokumenten, die Finanzen und Buchhaltung betreffen." Statt den Einwänden von Seidman nachzugehen, entschied sich Webster dafür, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu feuern und eine andere Gesellschaft zu beauftragen.
Für SEC-Chef Harvey Pitt ist Websters nicht allzu weiße Weste mehr als nur eine weitere Blamage. Sie könnte den ohnehin im Kreuzfeuer der Kritik stehenden ehemaligen Wall-Street-Anwalt den Kopf kosten. Denn Pitt wurde von Webster über die laufenden Untersuchungen gegen U.S: Technologies frühzeitig informiert. Webster gegenüber der "New York Times": "Ich habe ihnen gesagt, dass die Leute mit Anschuldigungen kommen. Ich sagte ihm, dass wir das Ganze nicht weiter verfolgen sollten, wenn dies ein Problem darstellt".
Pitt ließ seine Kollegen im Dunkeln
Pitt habe ihm jedoch versichert, die SEC habe die Sache geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, Websters Tätigkeit für U.S. Technologies stelle kein Problem dar. Ganz korrekt ist das nicht: Die Entscheidung trafen Pitt und sein Team offenbar ganz alleine. Die vier anderen Commissioner der SEC, die an der Abstimmung über die Postenvergabe an Webster beteiligt waren, informierte Pitt laut SEC-Kreisen nicht über die Vergangenheit des Kandidaten. Auch das Weiße Haus war nach eigenen Angaben nicht eingeweiht.
Pitt ist in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ungeschickte politische Manöver aufgefallen. Der bei öffentlichen Auftritten bräsig und humorlos wirkende Jurist verbrannte seinen ursprünglichen Wunschkandidaten für das Amt des PCAB-Chefs, John Biggs, indem er dessen Namen in der Presse durchsickern ließ - ohne sich vorher mit wichtigen Politikern des Kongresses oder dem Weißen Haus abzusprechen. Danach machte er sich erneut lächerlich, indem er öffentlich leugnete, Biggs je für das Amt in Betracht gezogen zu haben.
Bush unter Druck
Möglich, dass Präsident George Bush jetzt die Geduld mit seinem Parteifreund Pitt verliert, über den er bisher immer seine schützende Hand gehalten hat. Kurz vor den Kongresswahlen kommt dem Präsidenten, der ebenso wie sein Vize Dick Cheney Probleme wegen zweifelhafter geschäftlicher Transaktionen hat, der Fauxpas Pitts denkbar ungelegen. Die Demokraten haben schon wiederholt versucht, Bush in eine Reihe mit Skandalunternehmern wie Bernie Ebbers oder Kenneth Lay zu bringen. Mit dem Fehlstart der PCAB, die das Herzstück der kürzlich verabschiedeten US-Finanzmarktreformen darstellt, gerät Bush erneut in Bedrängnis.
Pitt flüchtet sich unterdessen ins Absurde. Zu dem Vorwurf, er habe seinen Kollegen wichtige Informationen vorenthalten, will er sich nicht äußern. Stattdessen hat er eine Untersuchung gegen sich selbst angeordnet: Der Generalinspekteur der SEC, Walter Stachnick soll untersuchen, ob bei der Auswahl Websters alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
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