"Herr Minister Fischer, warum haben Sie in Algier geklatscht - keine Antwort? Wollen Sie immer vor Ihrer Vergangenheit davonlaufen?"
Joschka Fischer, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesaußenminister:
"Ach woher."
Algier, Ende Dezember 1969: Joschka Fischer auf der Palästina-Solidaritätskonferenz. Fatah-Führer Arafat fordert den Kampf gegen Israel bis zum Endsieg. Der Delegierte des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) Joschka Fischer, hebt die Faust zum Gruß.
Zurück in Ludwigshafen. Auch im Saal kein Kommentar zur Algier-Reise.
Joschka Fischer, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesaußenminister:
"Ich habe in meinem Leben weiß Gott schon viele Dinge gemacht, für die ich mich zu entschuldigen habe. Dafür habe ich mich entschuldigt. Aber auf der anderen Seite sage ich Ihnen, so wie ich bin, bin ich nur weil meine Biographie so ist wie sie ist; und das will ich nicht ändern."
Sympathisierte der SDS-Delegierte Fischer mit dem palästinensischen Kampf gegen Israel? War den SDS-Delegierten klar, dass sie mit ihrer Reise den Terror gegen den jüdischen Staat propagandistisch unterstützten?
Drei Wochen vor Fischers Abflug nach Algier feiert das Frankfurter SDS-Infoblatt auf sieben Seiten den palästinensischen Guerilla-Krieg gegen den Staat Israel, "von spektakulären Operationen, wie der Bombardierung des jüdischen Viertels von Jerusalem mit Raketen ganz zu schweigen."
Kannte er nicht die antizionistische Ausrichtung des SDS?
Juli 69: Eine SDS-Gruppe reist nach Jordanien in ein Lager von Arafats Fatah. Die Grundhaltung des SDS ist klar: "Selbstverständlich bejahen wir im Nahen Osten die Anwendung von Gewalt" sagte ein SDS-Bundesvorstandsmitglied der Zeitung "Die Zeit".
Hat Fischer auch von dieser Reise nichts erfahren?
Juni 69: Plakate in der Frankfurter Uni. Eine Veranstaltungsankündigung zum Thema: Kollaboration von Zuhältern, Polizei, Presse und dem Bundesverband der jüdischen Studenten in Deutschland, BJSD.
Mitorganisator der Veranstaltung ist der Frankfurter SDS.
In der gleichen Woche sprengt der SDS in Frankfurt eine Veranstaltung mit dem israelischen Botschafter Ben Nathan. Er wurde - laut Süddeutscher Zeitung - als "`Faschist` beschimpft und niedergeschrieen, Israel als imperialistisch verdammt."
Neue Details zur antizionistischen Haltung des SDS.
Doch Außenminister Fischer schweigt beharrlich und schickte in der vergangenen Woche zum zweiten Mal Staatsminister Volmer in den Bundestag. Der sollte Fragen zu Fischers Vergangenheit beantworten. Aufklärung: Fehlanzeige.
Ludger Volmer, Bündnis 90/Die Grünen, Staatsminister Auswärtiges Amt:
"Die Bundesregierung sieht es nicht als Ihre Aufgabe an, und sieht sich auch nicht in der Lage nachzurecherchieren, was einzelne Mitglieder, die heute der Bundesregierung angehören, vor dreißig Jahren auf Kongressen gemacht haben."
Der Frankfurter Häuserkampf Anfang der 70er Jahre: Auch zu seiner Rolle als militanter Straßenkämpfer will sich Fischer nicht mehr äußern. Wie Fischer einen Polizisten niederschlug, zeigte damals die Tagesschau:
Tagesschau, 7.4.1973:
"An der Kundgebung nahmen auch etwa 100 Rocker teil, die mit schwarzen Fahnen, Gesichtsmasken, Helmen und Schlagwaffen angetreten waren. Nachdem sich der Zug aufgelöst hatte, begann diese Gruppe eine Schlägerei mit der Polizei. Dabei wurden vier Beamte durch Tritte, Schläge und Steinwürfe verletzt."
Aufgetaucht ist nun ein Polizeibericht zu den Randalen, der "Report aus München" vorliegt. Er zeigt Fischer vermummt, mit schwarzem Helm und Gesichtsmaske. Bislang unbekannt - dieses Foto: Frankfurter Politrocker, bewaffnet mit Schlagstöcken.
Einen Höhepunkt erreicht der Häuserkampf im Februar 1974.
Im Anschluss an die Februarkrawalle trifft sich die Frankfurter linke Szene. Selbsternannter Sprecher der Politrocker: Joschka Fischer:
Joschka Fischer, Sprecher Frankfurter Häuserrat am 12. März 1974:
"Genossen, also ich will hier für den Häuserrat reden, für die Genossen, die gewöhnlich in den letzten Tagen als Politrocker bezeichnet wurden."
Tonbandmitschnitte, die Report aus München exklusiv vorliegen. Darin verteidigt Fischer Steinwürfe, Gewalt und wirft dem Frankfurter Polizeichef Müller Gestapomethoden vor:
Joschka Fischer, Sprecher Frankfurter Häuserrat am 12. März 1974:
"Am Samstag wurde deswegen angegriffen, weil es die Genossen nicht verwunden haben hinzunehmen, dass wieder ein Haus zusammengeschlagen wurde, dass der Müller wirklich mit einem obszönen Grinsen im Gesicht Terrormethoden, die gestapoartig waren, noch als große Taktik ausgegeben hat, dass demonstriert werden sollte, dass ein Widerstand von uns unmöglich ist. Deswegen sind die Steine geflogen, gegen jene, die dieses System dort an dem Trümmerhaus repräsentiert haben."
Ein weiterer Scharfmacher: Daniel Cohn-Bendit:
Daniel Cohn-Bendit am 12. März 1974:
"Was uns Chile gezeigt hat: Dieser legitime gegenproletarische Widerstand ist dann sinnlos und führt zu einer Niederlage, wenn er nicht vorher vorbereitet wird. Das ist die Lehre aus Chile: Wir wollen nicht den legitimen Widerstand führen, wir wollen den siegreichen Widerstand gegen den Faschismus führen. Das ist der Unterschied. [...] Denn das Grundgesetz ist nichts anderes, als das verbriefte Recht der Kapitalistenklasse, die Arbeiterklasse und die Massen auszubeuten. Nicht mehr und nicht weniger. Und deswegen, deswegen sage ich: Warum die Klasse heute nicht mordet, ist einfach weil die Massenbewegung noch nicht so weit ist, dass sie real machtvoll in Frage stellt, diese Macht der Kapitalistenklasse."
Es fiel das Wort "morden". Noch einmal das Zitat:
"Deswegen sage ich: Warum die Klasse heute nicht mordet, ist einfach, weil die Massenbewegung noch nicht so weit ist, dass sie real machtvoll in Frage stellt, diese Macht der Kapitalistenklasse."
Vor den unkontrollierbaren Folgen dieser Parolen, warnt allein der Juso-Sprecher und heutige SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt:
Karsten Voigt am 12. März 1974:
"Daniel Cohn-Bendits Strategie und die von Fischer ist gefährlich. Sie ist ausgesprochen gefährlich und provoziert die Reaktion. Warum? Weil unter den Bedingungen der bewaffneten Macht in der Bundesrepublik unter ungefähr 500.000 bewaffneten Leuten in der Bundesrepublik oder mehr sich befindet. Diese Spielereien mit seiner Gewaltsache an Gesetzen vorbei, die Reaktion provoziert. Das ist gefährlich..."
Öffentliche Bekenntnisse zur Gewalt, über die Außenminister Fischer auf dem Grünen-Parteitag nicht sprechen will:
Vergangenheitsbewältigung in 10 Sekunden:
Joschka Fischer, Bündnis 90/Die Grünen, Bundesaußenminister:
"Wir sind auf einem Parteitag und nicht in einem historischen Seminar; auch wenn ich mich in der letzten Zeit in der Geschichte ziemlich zuhause gefühlt habe."
Fischer der Zögling von Cohn-Bendit. Fischer, der Claquer für Arafats Fatah. Fischer der Frontmann im Häuserkampf.