HACKTIVISMO
Polit-Hacker veröffentlichen Tool für verschlüsselte Kommunikation
"Camera/Shy", sagt Hacker Oxblood Ruffin, sei "ein kleiner Schritt", das amerikanische Ideal der Meinungsfreiheit mit allen Menschen zu teilen. Wenig begeistert davon dürften seine Landsleute im Staatsdienst sein: Die können dann nicht mehr mitlesen.
Die "Hacktivismo-Deklaration", Gründungsurkunde der international agierenden Hackergruppe gleichen Namens, verzichtet nicht auf Pathos: Nichts als der Artikel 19 der Deklaration der Menschenrechte liegt den Hackern am Herzen, ihn schützen und hegen und pflegen sie - notfalls auch gegen den Willen des Staates.
Denn die in amerikanischer Verfassung wie Uno-Deklaration der Menschenrechte so hoch gehaltene Meinungsfreiheit wird im Internet längst schon nicht mehr auch als Kommunikationsfreiheit verstanden. Der Staat hat sich in der ganzen westlichen Welt - spätestens seit dem 11. September 2001, der von manchen als Anlass, von anderen als Vorwand gesehen wird - das Ohr an der Wand, den Blick in den virtuellen Briefumschlag per Gesetz gesichert.
Der Staat, glaubt darum Hacktivismo, ist auf dem Holzweg: Die Gruppe zeigt sich "ernsthaft alarmiert, dass sich die staatlich geförderte Zensur des Internet mit der Unterstützung einiger transnationaler Grossunternehmen verbreitet". Und dagegen unternimmt sie was, und deshalb heißt sie Hacktivismo.
In mehrfacher Hinsicht: Der Begriff "Hacktivism" fasst Methoden zusammen, mit elektronischen, zumeist digitalen Mitteln politisch aktiv zu werden, Opposition zu üben oder gar Widerstand zu leisten - wogegen auch immer. Dazu gehören die spektakulären Hacks in die lächerlich unzureichend gesicherten Adressbestände der
IM INTERNET
· Hacker-Homepage: Hacktivismo
· New Yorker Hackerkongress: H2K2
· Burkhard Schröders Linkseiten zum Thema Steganografie und Kryptografie
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Welthandelsorganisation vor knapp eineinhalb Jahren, diverse Denial-of-Service-Attacken, Mailing-Aktionen mit Petitionen und Protestbriefen bis hin zum Aufbau alternativer News-Netzwerke für Globalisierungsgegner. Hacktivismus boomt - und er steht in den USA unter Strafe.
Denn spätestens seit dem 11. September 2001 weht ein eiskalter Wind in der westlichen Welt: Der Trend geht dahin, jeden, der sich Hacker nennt, über einen Kamm zu scheren und zu kriminalisieren. Grund genug für einige, namentlich längst bekannte Mitglieder der Gruppe Cult of the Dead Cow (cDc), in die Anonymität der Gruppe Hacktivismo abzutauchen. Denn auch das "White Hat"-Hacking, hacken aus ethischen Motiven, ist in den USA längst ein Straftatbestand.
So beschränkt sich cDc - als "Organisation" dem deutschen Chaos Computer Club nicht unähnlich - zunehmend darauf, als IT-Sicherheitsexperten aus der Szene aufzutreten, während Hacktivismo die subversiveren Aufgaben angeht.
Wie zum Beispiel "Camera/Shy"
Das Programm, dessen Veröffentlichung Hacktivismo für den IT-Sicherheits- und Hackerkongress H2K2 (12. bis 14. Juli in New York) ankündigen, führt eine kraftvolle Kommunikationsverschlüsselung mit einem Steganografie-Programm zusammen. Die Kombination soll weitgehende Sicherheit vor dem Mitlesen von E-Mails bieten - und das wollen derzeit alle Regierungen der westlichen Welt, die davon ausgehen, dass es so etwas wie ein Briefgeheimnis im Internet nicht mehr geben dürfe.
Steganografie ist eine Technik, mit der sich Textinformationen (oder andere Daten) in Bilddateien verstecken lassen. Sender und Empfänger teilen einen Schlüssel, der die Information zugänglich macht. Wer über diesen nicht verfügt, muss erst einmal informationstragende Bilder finden und identifizieren, den Steganografie-Code knacken und danach noch die Verschlüsselung der Mail: Das wäre allerdings eine harte Nuss.
Der Witz daran - und aus Sicht von Polizeibehörden und Geheimdiensten ein Alptraum - ist in diesem Verschlüsselungs-Tandem das Element der Steganografie: Mit dieser Methode lässt sich nämlich nicht nur die Information verbergen, sondern auch die Tatsache, dass überhaupt kommuniziert wird.
Denn Information fällt in Bildern gar nicht auf - sie verändert die Größe der Dateien nicht, solange der Absender die Sache nicht übertreibt. Dazu müsste er sich tippend allerdings ziemlich anstrengen: In ein ganz normales JPEG lassen sich etliche Seiten Text verstecken.
Steganografieprogramme - auch mit zusätzlicher Verschlüsselung - sind dabei nicht neu und auf dem freien Markt erhältlich. Doch Hacktivismo deuten an, das "Camera/Shy" noch mehr könne. Das Programm soll den Prozess der doppelt verschlüsselten Kommunikation weitgehend automatisieren. Aufsetzend auf dem Internet Explorer etabliert es sich als Steganografie-Browser, der Webseiten nach steganografierter Information durchsuche. Ein Verschlüsselungs-Tool für jedermann, das die Hacktivismo-Hacker gern im Zusammenspiel mit einem anderen Produkt aus ihren Kreisen im Einsatz sehen würden: "Peek a Booty", das verschlüsselte und anonymisierte P2P-Netzwerk, das das World Wide Web unzensier- und unüberwachbar machen soll.
Auch das wird seit rund zwei Jahren versprochen, hat sich aber bisher nicht materialisiert. Spätestens auf der H2K2 wird man sehen, ob "Camera/Shy" mehr kann, als nur ein bisschen Unruhe und Schlagzeilen zu produzieren.
Frank Patalong
Quelle Spiegel-online