Starke Kursgewinne und Konjunkturoptimismus ziehen Investoren an. Indexzertifikate als "sichere Bank"
Von Beatrix Wirth
Berlin - In keinem anderen Marktsegment sind sich Gier und Angst der Anleger so nahe wie am Neuen Markt. Fast täglich sind fantastische Kurssteigerungen zu beobachten, die die Gier anheizen. Doch die Angst zu verlieren, ist nach den leidvollen Erfahrungen der Vorjahre mindestens genauso groß wie die Befürchtung, etwas zu verpassen.
Verpassen konnten Anleger einiges. Seit dem Tiefpunkt am 21. September 2001 ist der Nemax-All-Share-Index um fast 70 Prozent geklettert, und auch das neue Jahr lässt sich gut an: Nach sechs Handelstagen hat das Kursbarometer bereits an die zehn Prozent zugelegt. Schwächeperioden werden von den Experten in die Rubrik "Konsolidierung" eingeordnet, denn die Mehrheit der Profis sieht im Zeichen der erwarteten Konjunkturerholung und der wieder steigenden Risikobereitschaft weiteres Potenzial. "Wachstumsmärkte weisen im Konjunkturzyklus ein ähnliches Muster auf wie die Standardwerte, nur eben bei höherer Volatilität", untermauert Markus Reinwand, Stratege bei Helaba Trust, seinen Optimismus.
Doch ein Problem bleibt: So nahe wie sich Gier und Angst bei den Anlegern kommen, so nahe liegen Siege und Pleiten beieinander. Das Wachstumssegment gleicht einem unwegsamen Gelände mit unzähligen Stolpersteinen und Fallgruben. Von den 326 noch gelisteten Unternehmen haben an die 200 im abgelaufenen Geschäftsjahr nach Analystenschätzungen bisher keinen Cent verdient und beim Rest ist das noch nicht sicher. Denn nur wenige Firmen schaffen es, die Prognosen der Analysten einzuhalten, zeigen Studien. "Selbst nach den Pleiten 2001 ist die Selektion am Markt noch nicht abgeschlossen", so Reinwand.
Kein Wunder, dass Anlegern statt Einzelwerten lieber Fonds oder Indexzertifikate, die den Nemax-50 abbilden, ans Herz gelegt werden. "Im Blue-Chip-Index werden sich langfristig die guten Unternehmen sammeln", so Achim Matzke von der Commerzbank. Eine andere Strategie, die vor allzu bösen Überraschungen schützen dürfte, ist, in die Marktführer zu investieren. Diesen Ansatz verfolgt die Commerzbank mit ihrem "Neuer Markt Comeback Select"-Zertifikat. Es versammelt mit Aixtron, Medion, Mobilcom, Qiagen, Singulus, T-Online und Thiel sieben Werte in einem Korb.
Wer den Markt deutlich schlagen will, kommt allerdings um die Einzeltitelauswahl nicht herum. Georg Elsässer von HSBC Trinkaus & Burkhardt empfiehlt, die Werte genau unter die Lupe zu nehmen: "Reine Marktpsychologie greift zu kurz." Auch vermeintlich günstige Fundamentaldaten können Investoren auf die falsche Fährte locken. So ist Metabox mit einem Kurs/ Gewinn-Verhältnis von 0,6 zwar der günstigste Titel im Segment - aber die Multimedia-Firma ist gerade so an der Pleite vorbei geschrammt, und die letzten beiden Analysten, die den Wert beobachten, raten zum "Verkauf".
Die Experten haben ihre Favoritenauswahl für 2002 anhand vieler Kriterien getroffen. Absolute Analysten-Lieblinge bleiben Singulus und Qiagen, die bei einem KGV von 45 beziehungsweise 95 allerdings mit einem stolzen Preis bezahlt werden müssen. Aufgerückt in die Kauflisten sind die konjunkturunabhängigen Windkraftanbieter, wobei die Commerzbank Nordex und HSBC P&T besonders positiv herausstellen. Im Biotech-Bereich, der von den meisten Profis als attraktiv angesehen wird, liegen bei der Helaba Evotec und Lion Bioscience in der Gunst und bei HSBC Eurofins und Macropore. Aber auch die konjunktursensitiven Logistiker sind mit Blick auf die wirtschaftliche Trendwende wieder im Kommen. Als Top-Pick sehen Analysten Thiel an.
Zusätzlich zum Kauf empfohlen werden von HSBC Wavelight, Medion und DAB sowie Gericom. Die Linzer konnten erst in dieser Woche mit einer Kooperation mit Siemens auftrumpfen. Für besonders spekulativ eingestellte Anleger hat Peter Dombeck von der Berenberg Bank Medienwerte als heißen Tipp, insbesondere IM Internationalmedia. "Die Branche hat mit das größte Aufholpotenzial."
Gruß Kostolmoney