Die Nanotechnologie gilt als eine der Schlüsselindustrien des 21.
Jahrhunderts. Sie soll alles umwälzen. Doch nach Firmen in dieser
Zukunftsbranche muss man mit der Lupe suchen.
Zunächst ist es kaum sichtbar. Aber es wächst stetig: ein
aufhalten lässt. "Gray Goo" ("Graue Schmiere") heißt die Substanz, die
aus winzigen Robotern besteht. Diese Maschinchen beschäftigen sich
neuen Robotern zusammenzubauen.
schlecht gelaunt - die Welt in Assembler-Gelee verwandeln.
unvermeidlich, dass jemand dort in 50 Jahren sein wird. Ich glaube,
Die Visionäre der Nano-Ära sehen die Weltwirtschaft bereits vor einer
neuen industriellen Revolution. Auch an der Börse harrt so mancher
Investor des großen Geschäfts: "Biotechnologie-Werte werden schon
nächstes Jahr uninteressant, der nächste Boom sind die
Nanotechnologie-Werte", glaubt Vermögensverwalter Manfred Dobler.
Doch so schnell wird die schöne neue Nano-Welt die Industrie nicht
umkrempeln. Noch sind Killer-Gelees Science-Fiction. Noch ist ein
Börsengang von Assembler-Pionier Zyvex genauso wenig in Sicht wie
dessen Supermaschine. Seit drei Jahren ist die Firma voll damit
ausgelastet, die Labors und die Mannschaft aufzubauen.
Mehr als vage Schätzungen zum Nano-Potenzial gibt es bislang nicht.
In einer VDI-Studie von 1998 wurde für 2001 ein Weltmarkt von 105
Mrd. DM ausgemacht. Eine amerikanische Studie der National Science
Foundation aus diesem Jahr prognostiziert ein langfristiges
Umsatzvolumen von 700 bis 800 Mrd. $.
Ob und wann sich das an der Börse bemerkbar machen wird, ist
ungewiss: "Wir gehen eher von einer langsamen Durchsetzung der
Wirtschaft aus", sagt Bendix Todsen, Nanotech-Experte von der
Deutschen Venture Capital Gesellschaft.
Querschnittswissenschaft
Nanotechnologie ist eine Querschnittswissenschaft, die alles
beinhaltet, was zwischen einem und 100 Nanometern groß ist. Egal ob
Teilchen, Laser oder Löcher. In vielen Produktionsprozesse, ob von
Haushaltsgeräten oder Speicherchips, werden Nano-Komponenten
eingreifen. Komplexe Endprodukte im Nanoformat werden hingegen
die Ausnahme bleiben.
Wer sein Ersparnisse an der Börse dennoch auf den Nanotech-Boom
verwetten will, der hat ein Problem: Während unzählige
Biotech-Unternehmen den Neuen Markt und die Nasdaq bevölkern,
genügt eine Hand, um die Nano-Firmen zu zählen.
An der US-Technologiebörse ist Nanophase notiert, der Neue Markt
bietet Lambda Physik auf, mit gutem Willen lässt sich die SDax-Firma
Masterflex hinzuzählen. Auch Konzerne wie IBM, Intel, Lucent oder die
gute alte Degussa treiben Nanotech-Projekte voran. An Maschinen, die
kranke Körper reparieren oder gesunde in graue Schmiere
verwandeln, arbeitet allerdings keines dieser Unternehmen.
Insgesamt werkeln in Deutschland rund 30 Firmen an Nanostrukturen.
Viele davon beschäftigen nur wenige Mitarbeiter, haben kein
professionelles Management und kein Produkt. Sie sind zumeist
Ausgründungen von universitären Projekten, forschen an winzigen
Getrieben und neuen Datenspeicherverfahren.
Erste Börsengänge frühestens in drei Jahren
Mit ersten Börsengängen rechnen Experten hier zu Lande frühestens
in drei Jahren. "Für die Venture-Capital-Gesellschaften ist jetzt die
Zeit, sich umzusehen", sagt Christian Claussen von der Münchner
Techno-Venture-Management. "Dabei wird man sehr selektiv
vorgehen."
"Die meisten Nanotech-Unternehmen sind noch mit
Grundlagenforschung befasst," gibt auch Ulrich Eilers von der
Investment-Gesellschaft 3i zu bedenken: "Die Risiko-Kapitalisten
wollen aber in absehbarer Zeit Produkte sehen, damit sie sich
ausmalen können, wie die Firmen Werte schaffen." Etliche Produkte
mit Nanotech-Komponenten sind bereits auf dem Markt. Allerdings
wären sie Visionär Drexler vermutlich kaum in den Sinn gekommen.
Selbst reinigende Keramik-Beschichtungen für Easy-to-clean-Toiletten,
wie sie die Saarbrücker Firma Nanogate herstellt, sind so ein Produkt.
Das Startup ist mit einem Umsatz von 5 Mio. DM (2000) das
Vorzeige-Nano-Investment von 3i. Sprich: eines der wenigen
Nanotech-Engagements in Deutschland überhaupt. Wenn alles gut
geht, darf Nanogate in einigen Jahren an die Börse.
Nanogate macht sich Erkenntnisse aus der Materialwissenschaft
zunutze - und zeigt, dass schon einfache Effekte Marktpotenzial
haben: Mit der Größe wandelt der Partikel eines Werkstoffs auch seine
chemischen Eigenschaften. Etwa dadurch, dass die Oberfläche im
Verhältnis zum Volumen stetig zunimmt und sich so die
Bindungseigenschaften der Atome zueinander verändern.
Biegsame Keramik
Beispielsweise lässt sich der Schmelz- und Verdampfungspunkt von
Aluminium so verändern, dass es mit anderen Metallen leichter legiert
werden kann. "Damit werden völlig neue Verbindungen möglich",
schwärmt Gerd Bachmeier vom Verein Deutscher Ingenieure: "Eines
Tages könnte man sogar biegsame Keramik herstellen." Oder
superleichte Kampfflugzeuge, wie Experten in einer VDI-Studie
anmerken.
Die Kölner Firma Sunyx Surface Nanotechnologies arbeitet an selbst
reinigenden Fensterscheiben. Durch Nanostrukturen auf der
Oberfläche wird die Auflagefläche etwa eines Regentropfens von 40
Prozent auf 0,6 Prozent verringert. Nach Einschätzung von Harald
Fuchs, Physikprofessor an der Uni Münster, werden schon bald
attraktive Produkte auf dem Markt sein; "Man kann einiges sparen,
wenn man keine Fenster mehr putzen muss".
Auch die Medizin bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Schon
ist Sonnencreme weit verbreitet, bei der Titandioxid-Nanopartikel
UV-Strahlung absorbieren. Die Berliner Klinik Charité testet derzeit
eine Hyperthermie-Therapie. Dabei werden metallische Partikel in
Krebstumore gespritzt und anschließend durch Magnetfelder erhitzt,
um die bösartigen Zellen zu zerstören. Eine Neuentdeckung sind
solche Nanopartikel nicht. Das Patent für das Sol-Gel-Verfahren, mit
dem Nanogate seine Pulver herstellt, stammt aus den 30er Jahren.
Erfolgschancen kaum absehbar
Von den Partikeln bis zu Nanorobotern ist es ein weiter Weg. Ein
wenige Nanometer großen Brocken lässt sich weitaus einfacher
herstellen als eine ebenso große Maschine. "Damit ist erst in 10 bis 15
Jahren zu rechnen", sagt Christine Ziegler. Sie forscht an der Uni
Kaiserslautern an einem mobilen Nanomotor, der einmal Medikamente
durch den Körper transportieren soll. Ein Startup, das dieses Prinzip
vermarkten könnte, ist schon gegründet.
Doch die Erfolgschancen solcher Unternehmen sind noch schwerer
abzusehen als die von Gen-Startups. Junge Biotech-Gründer holen sich
meist Geld von der Börse, um ihre Produktideen zu verwirklichen.
Dagegen sind in der Nano-Robotik die Forschungsaufwendungen so
hoch, dass sie nicht über Börsengänge zu finanzieren sind. "Da
kommen sie mit 50 Mio. DM nicht weit", sagt Helmut Schmidt vom
Saarbrücker Nanotechnologie-Institut für Neue Materialien: "Da
brauchen sie Milliarden-Investments. Im Wesentlichen werden einige
Großkonzerne diese Dinge umsetzen." Kleine Unternehmen sieht er
eher in der Rolle von Zulieferern.
Eine Nische, die schnell eng werden könnte. "In der Nanotechnologie
wird mit kleinen Mengen gearbeitet", erklärt Forscherin Ziegler: "Um
einen Krebstumor zu bekämpfen, braucht man nicht viele Partikel, man
wird sie kaum tonnenweise absetzen können."
Der Saarbrücker Nano-Forscher Uwe Hartmann sieht dennoch Chancen
für junge Unternehmen: "Wir sind derzeit in einem so frühen Stadium,
dass schon kleine Startups viel bewegen können."
Keinen Forschungsrückstand
Anders als in der Mikroelektronik und der Biotechnologie haben die
Deutschen zumindest keinen Forschungsrückstand auf die Amerikaner.
In den USA wurde die Nanotechnologie erst zu Beginn des
Jahrtausends zur Kernwissenschaft ausgerufen. In Deutschland gab
es zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Kompetenz-Zentren.
Der erste Nanomotor drehte sich an der Universität Osnabrück.
"Die Nanotechnologie wird unsere industrielle Gesellschaft von Grund
auf umkrempeln", prophezeit Hartmann. "Man wird kleine Strukturen
nicht mehr aus größeren herausstanzen, -ätzen oder -fräsen, sondern
aus einzelnen Atomen aufbauen - ohne Abfall."
Möglicherweise wird es dann Nanomaschinen geben, die alles, was sie
zu fassen bekommen, zu Nanomaschinen umbauen und die ganze
Welt in einem grauen Schleimball verwandeln können. "Es gibt kein
Naturgesetz, was dagegen spricht, wahrscheinlich wird das einmal
möglich sein", glaubt Hartmann. "Aber erst in 50 Jahren."
© 2001 Financial Times Deutschland
Gruß Dr. Broemme