Utopie und Realität - Probleme mit UMTS
"Alles ist möglich" - zumindest, wenn man der Werbung glauben mag
Im Hochglanzformat präsentieren die Netzbetreiber die glorreiche UMTS-Zukunft: Videos per Handy, Internet im Hyper-Speed, umfangreiche Informationen in Sekunden abrufbar, mobiles Banking mit Aktiencharts und Fingerabdruck-Verifizierung. Doch das von UMTS genutzte Übertragungsverfahren hat Grenzen, und die UMTS-Technik selbst ist noch nicht voll ausgereift.
Einiges Kopfzerbrechen bereitet den Mobilfunk-Managern auch die breitbandige Netz-Zugangstechnologie WLAN (Wireless Local Area Network). WLAN macht schon heute, zwar nur in lokal begrenztem Rahmen, aber wesentlich billiger als UMTS, auf lizenzfreien Frequenzen Datenübertragungsraten von 172-facher ISDN-Geschwindigkeit möglich. MobilCom hat schon angedacht WLAN ins Portfolio aufzunehmen. T-Mobil hingegen fürchtet Konkurrenz für UMTS durch die alternative Funktechnik und hat die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) aufgefordert, der WLAN-Funktechnologie entgegenzuwirken.
Der nächste Stein des Anstoßes ist die Strahlenbelastung durch die Vielzahl neuer UMTS-Sendeanlagen. Wie nicht anders zu erwarten, erklärt hier die Industrie die Strahlenbelastung für nicht bedenklich, wohingegen die Mobilfunkkritiker eine Riesen-Angst vor dem Aufbau der UMTS-Sendeanlagen haben und vor eventuellen, heute noch gar nicht abwägbaren Gesundheitsrisiken warnen.
Datenrate von 2 MBit/s ist nur Idealwert
Auch in technischer Hinsicht scheint UMTS nicht alles halten zu können, was die Ausrüster vollmundig versprochen haben. Die maximale Datenrate von 2 MBit/s lässt sich nämlich nur im Idealfall erreichen, wenn das Netz voll hochgerüstet ist, sich der Nutzer nicht vom Fleck bewegt und am besten noch mit seinem Wunder-Handy allein auf weiter Flur steht.
Ein Problem ist, dass die Übertragungsrate mit zunehmender Geschwindigkeit, größerer Entfernung und steigender Netzauslastung stark sinkt. Der schnelle Internetzugang und die Videotelephonie wird auf der Autobahn oder im InterCityExpress wohl vorerst eine Wunschvorstellung bleiben. Bei Tempo 120 auf der Autobahn beträgt die Übertragungsrate nur noch ein Fünftel der maximalen Rate, bei Tempo 300 im ICE nur noch ein Vierzehntel, wobei dort praktisch jedoch kein stabiler Empfang mehr möglich ist. Selbst Telefonie per UMTS wird mit heutiger Technik im ICE kaum möglich sein. Zum einen wegen der hohen Geschwindigkeit und vor allem wegen der unzureichenden Netzabdeckung.
Wenn in der Werbeaussage für Ende 2003 eine Funkversorgung für 40 Prozent der Bevölkerung angepriesen wird, muss das noch lange nicht bedeuten, dass auch 40 Prozent der Fläche Deutschlands abgedeckt sind, denn diese 40 Prozent der Bevölkerung bewohnen gerade einmal 7 Prozent der Fläche Deutschlands: Versorgt sind dann nur die dicht besiedelten Ballungsgebiete. Im ländlichen Raum (das heißt 93 Prozent Deutschlands) könnte UMTS noch viele Jahre auf sich warten lassen. Die Lizenzbestimmungen schreiben bis 2003 eine Versorgung von 25 Prozent und bis 2005 eine Versorgung von 50 Prozent der Bevölkerung vor.
Deshalb wird erwartet, dass es Multiband-Handys geben wird, die sowohl im UMTS-Netz als auch in den GSM-Netzen arbeiten können. Durch solch einen dualen Betrieb von GSM und UMTS ist es den Mobilfunkanbieter möglich, ihre Netze langsam aufzubauen und den Kunden bereits UMTS-Geräte von Beginn an zur Verfügung zu stellen, auch wenn das Netz noch nicht flächendeckend ausgebaut ist. Die Betreiber werden, um die Investitionen in das neue Netz nicht ausufern zu lassen, ihre UMTS-Netze mit einer weitaus geringeren Datenrate als die theoretisch erreichbaren 2 MBit/s starten.
Aber sicherlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Netz einmal nahezu flächendeckend zur Verfügung steht und auch im Zug oder auf der Autobahn ein schnellerer Datenanschluss realisiert werden kann. Bis dahin sollten die Erwartungen an UMTS jedoch gedämpft werden.
Die Netzbetreiber wollen ihre Milliarden-Investitionen wieder einspielen
Fast 100 Milliarden Mark haben die Netzbetreiber für die sechs deutschen UMTS-Lizenzen ausgegeben. Weitere Milliardenbeträge müssen sie noch in den Aufbau der Infrastruktur stecken und zur Kundengewinnung ausgeben.
Klar ist aber, dass die Netzbetreiber diese immensen Kosten wieder einspielen wollen. Und es werden wohl wieder einmal die Kunden sein, die dies über hohe Preise werden zahlen müssen. Man schätzt, dass pro zukünftigen UMTS-Mobilfunkteilnehmer ein durchschnittlicher Rechnungsbetrag von 100 bis 160 Mark pro Monat notwendig ist, um die Netze wirtschaftlich betreiben zu können. Die Realität im Moment: Etwa 80 Prozent aller Neukunden kaufen lediglich Prepaid-Pakete. Der durchschnittliche Umsatz dieser Kunden beträgt etwa 20 Mark im Monat. Da auch die Prepaid-Pakete mit etwa 200 Mark subventioniert werden, ist der reale Gewinn pro Prepaid-Kunde kaum höher als 10 Mark im Monat. Die verbleibenden 20 Prozent sind Vertragskunden und haben unseren Umfragen gemäß Monatsrechnungen von etwa 80 Mark. Es ist daher für die Netzbetreiber unbedingt notwendig, vielen Kunden durch neuartige Angebote deutlich mehr Geld zu entlocken als bisher.
Eine schwere Aufgabe für die Netzbetreiber. Allein bei der Firma MobilCom arbeiten schon jetzt über 300 Mitarbeiter an der Umsetzung dieser Aufgabe. Bei GSM war der unerwartete SMS-Boom für die Netzbetreiber wie ein Sechser im Lotto. Um UMTS zu einem geschäftlichen Erfolg zu führen, werden in Zukunft wohl mehrere solcher 'killer applications' - Applikationen, die einen durchschlagenden kommerziellen Erfolg haben - nötig sein. In einer Umfrage des Handyportals Jamba! lag der Download von Spielen und Applikationen in der Gunst der Befragten an erster Stelle. Der Versand von Fotos per Funk und die Möglichkeit das Handy mit UMTS als Bildtelefon zu nutzen standen in der Prioritätenliste an zweiter und dritter Stelle, gefolgt von der Möglichkeit, sich Videoclips auf dem Handy anzusehen. Eine D-2-Umfrage kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Dem Verbraucher mag es egal sein, falls einer der UMTS-Netzbetreiber nicht überlebt, das Netz und die Verträge werden dann eben von einer anderen Firma weitergeführt. Nicht egal kann es den Kunden jedoch sein, dass die ersten Netzbetreiber über Preiserhöhungen in den GSM-Netzen schon jetzt versuchen, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, um die hohen UMTS-Kosten zu finanzieren. Die Zeiten der beständig sinkenden Mobilfunkpreise dürften damit endgültig vorbei sein.