Arrivederci Telefonino, benvenuto Videofonino
Italien legt bei UMTS einen Blitzstart vor
von Thomas Heuzeroth
So ist er, der Italiener. Die rechte Hand am Lenker röhrt er auf seinem Motorroller durch die engen Gassen von Mailand. Die linke Hand am geliebten Telefonino, das sich mit etwas Übung auch im Stadtverkehr bedienen lässt. Der Italiener ist ein Meister dieser Fingerfertigkeit.
Und er liebt das Telefonieren. Statistiker reiben sich die Augen, wenn sie die Verbreitung von Mobiltelefonen in Italien untersuchen. Die 90-Prozent- Hürde ist bereits genommen, nun rennt das Land auf die 100 Prozent zu. Will heißen: Das Zweit- und Dritthandy wird selbstverständlich. Und jetzt das noch: Der Vorreiter wird zum Pionier. Während hier zu Lande der Start des schnellen Mobilfunkstandards UMTS von einem Termin zum nächsten geschoben wird, haben die Italiener bereits ihren Auftakt hinter sich.
Und was für einen. Noch vor dem Netzstart haben sich 140 000 Neugierige registrieren lassen - für einen Handy-Dienst, den sie noch nicht einmal kannten. "Fulminant", hört man aus der Mailänder Unternehmenszentrale von H3G, einem Ableger des Hongkonger Mischkonzerns Hutchison Whampoa. "Wir sind von dem Andrang überrascht worden", sagt eine Sprecherin. Übrigens: Das erste UMTS-Handy ließ sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi sichern.
Tatsächlich kommt H3G mit dem Freischalten seiner Kunden nicht nach. Knapp drei Monate nach dem Netzstart sind es bereits deutlich mehr als 90 000 Italiener, die im UMTS-Netz telefonieren. Täglich werden 1000 hinzugeschaltet. Die Warteliste umfasst 20 000 Namen. Kein Wunder. Mehr als 100 Millionen Euro hat der Konzern bereits ausgegeben, um Italien mit seiner Werbung zu überrollen. Die Marke "3" ist bereits mehr als jedem zweiten Italiener als "Tre" bekannt. Das Ziel für dieses Jahr: eine Million UMTS-Nutzer.
Es ist aber nicht das Telefonieren, das die Italiener zu H3G lockt. Vielmehr stürzen sie sich auf das VideoGoal. Hutchison hat mit elf Top-Fußballvereinen Exklusiv-Verträge abgeschlossen - und könnte damit knapp 90 Prozent aller italienischen Fußballfans erreichen. Inhalt: Sobald ein Tor fällt, wird es als Videoclip auf die "Videofoninos" geschickt, wie das Unternehmen die neuen Geräte nennt. "Unsere Killerapplikation", sagt ein Sprecher.
Auch Nicht-Fußballinteressierte - in Italien eine Minderheit - werden von H3G bedient. Kurze Nachrichtenzusammenfassungen mit kleinen Filmen werden zehn Mal täglich aktualisiert. Selbst Comedy-Shows, Musik-Clips und natürlich kurze Erotikfilme spielt das Videofonino ab. Über 90 Prozent der UMTS-Nutzer sind Männer.
Große Hoffnung setzt die Branche auf Videotelefonie. Die Zahlen sind allerdings ernüchternd: Nur zwei Drittel der Kunden nutzen den VideoCall mindestens einmal pro Woche. Denn nur wenige der UMTS-Pioniere haben gleich Gesinnte in der Bekanntschaft. Inzwischen können sie aber auch Internet-Nutzer mit Webcam anrufen. In Kürze soll auch der umgekehrte Weg möglich sein.
Trotz dieser Dienste ist der UMTS-Traumstart doch verwunderlich. In den Tre-Läden, mit denen H3G das Land überzogen hat, wird nur ein einziges "Videofonino" angeboten. Das Telefon des japanischen Herstellers NEC liegt dafür aber gleich dutzendfach in den zahlreichen Glasvitrinen. Platziert nach der Design-Philosophie "Feng Shui", deren Ziel es ist, die Ströme und Felder der natürlichen Energie "Qi" in die günstigste Richtung zu lenken.
Ob die Inneneinrichtung zum Kauf des Geräts beiträgt, ist fraglich. Das 780 Euro teure NEC-Telefon wiegt mit über 150 Gramm deutlich mehr als normale Handys - und hält mit seinem Akku nicht einmal zwei Tage durch. Künftig sollen jedoch weitere Modelle hinzukommen. Auch die Pauschaltarife von 85 Euro oder 140 Euro (mit Handy-Miete) scheinen nur wenige abzuschrecken. Erst seit wenigen Tagen bietet H3G einen Prepaid-Tarif an.
Nach wie vor klaffen im Netz noch große Lücken. Derzeit haben Siemens, NEC und Ericsson rund 600 Städte fit gemacht für den UMTS-Empfang. Damit werden immerhin 44 Prozent der Bevölkerung versorgt. Wer jedoch seine Stadt verlässt, findet sich als Roaming-Kunde bei TIM, Vodafone, Omnitel oder Wind wieder - ohne den Multimedia-Dienst. Zwar klappt der Übergang aus den schnellen Netzen der dritten Generation in die alten Netze der zweiten Generation. Wer aber zurück will, muss damit rechnen, dass das Gespräch abbricht. Fieberhaft arbeiten die Siemens-Ingenieure in ihrem riesigen UMTS-Labor vor den Toren Mailands an einer Lösung. "Wir bekommen das bald in den Griff", sagt Siemens-Manager Peter Scherer in Mailand. Vorerst müssen sich die UMTS-Pioniere damit abfinden, dass fast jedes zehnte Gespräch irgendwann zusammenbricht.
Solche Kinderkrankheiten können etablierte Mobilfunkanbieter ihren Kunden nicht zumuten. "Die können warten, bis alles problemlos funktioniert", sagt Scherer. Hutchison hingegen hat sich ohne Kunden in das UMTS-Abenteuer gestürzt - und damit ein riskantes Spiel begonnen. Bereits für die Lizenz musste das Unternehmen in Italien mehr als drei Milliarden Euro auf den Tisch legen. In den nächsten zehn Jahren sollen weitere sieben Milliarden Euro investiert werden. Bis 2005 sollen 90 Prozent der Bevölkerung in Italien erreicht werden. Zum Vergleich: Die deutschen Lizenzbedingungen sehen bis dahin gerade einmal eine Abdeckung von 50 Prozent vor.
Bislang galt der Aufbau eines UMTS-Geschäfts ohne Mobilfunk-Kundenbasis als hoffnungslos. Aus diesem Grund ist auch Quam mit seiner UMTS-Lizenz vom deutschen Markt verschwunden. Allerdings spielt der Mischkonzern Hutchison Whampoa in einer höheren Gewichtsklasse: Zu den Geschäftsfeldern zählen unter anderem Häfen, Versorgung, Handel, Immobilien - und eben auch Telekommunikation. Bereits im März sagte Hutchison-Chef Li Ka-shing: "Heute in einem Jahr werden wir UMTS in zehn Ländern eingeführt haben." Bisher konnte der Pionier Schritt halten. In Großbritannien, Österreich und nun auch Italien hat Li bereits losgelegt.
Italien legt bei UMTS einen Blitzstart vor
von Thomas Heuzeroth
So ist er, der Italiener. Die rechte Hand am Lenker röhrt er auf seinem Motorroller durch die engen Gassen von Mailand. Die linke Hand am geliebten Telefonino, das sich mit etwas Übung auch im Stadtverkehr bedienen lässt. Der Italiener ist ein Meister dieser Fingerfertigkeit.
Und er liebt das Telefonieren. Statistiker reiben sich die Augen, wenn sie die Verbreitung von Mobiltelefonen in Italien untersuchen. Die 90-Prozent- Hürde ist bereits genommen, nun rennt das Land auf die 100 Prozent zu. Will heißen: Das Zweit- und Dritthandy wird selbstverständlich. Und jetzt das noch: Der Vorreiter wird zum Pionier. Während hier zu Lande der Start des schnellen Mobilfunkstandards UMTS von einem Termin zum nächsten geschoben wird, haben die Italiener bereits ihren Auftakt hinter sich.
Und was für einen. Noch vor dem Netzstart haben sich 140 000 Neugierige registrieren lassen - für einen Handy-Dienst, den sie noch nicht einmal kannten. "Fulminant", hört man aus der Mailänder Unternehmenszentrale von H3G, einem Ableger des Hongkonger Mischkonzerns Hutchison Whampoa. "Wir sind von dem Andrang überrascht worden", sagt eine Sprecherin. Übrigens: Das erste UMTS-Handy ließ sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi sichern.
Tatsächlich kommt H3G mit dem Freischalten seiner Kunden nicht nach. Knapp drei Monate nach dem Netzstart sind es bereits deutlich mehr als 90 000 Italiener, die im UMTS-Netz telefonieren. Täglich werden 1000 hinzugeschaltet. Die Warteliste umfasst 20 000 Namen. Kein Wunder. Mehr als 100 Millionen Euro hat der Konzern bereits ausgegeben, um Italien mit seiner Werbung zu überrollen. Die Marke "3" ist bereits mehr als jedem zweiten Italiener als "Tre" bekannt. Das Ziel für dieses Jahr: eine Million UMTS-Nutzer.
Es ist aber nicht das Telefonieren, das die Italiener zu H3G lockt. Vielmehr stürzen sie sich auf das VideoGoal. Hutchison hat mit elf Top-Fußballvereinen Exklusiv-Verträge abgeschlossen - und könnte damit knapp 90 Prozent aller italienischen Fußballfans erreichen. Inhalt: Sobald ein Tor fällt, wird es als Videoclip auf die "Videofoninos" geschickt, wie das Unternehmen die neuen Geräte nennt. "Unsere Killerapplikation", sagt ein Sprecher.
Auch Nicht-Fußballinteressierte - in Italien eine Minderheit - werden von H3G bedient. Kurze Nachrichtenzusammenfassungen mit kleinen Filmen werden zehn Mal täglich aktualisiert. Selbst Comedy-Shows, Musik-Clips und natürlich kurze Erotikfilme spielt das Videofonino ab. Über 90 Prozent der UMTS-Nutzer sind Männer.
Große Hoffnung setzt die Branche auf Videotelefonie. Die Zahlen sind allerdings ernüchternd: Nur zwei Drittel der Kunden nutzen den VideoCall mindestens einmal pro Woche. Denn nur wenige der UMTS-Pioniere haben gleich Gesinnte in der Bekanntschaft. Inzwischen können sie aber auch Internet-Nutzer mit Webcam anrufen. In Kürze soll auch der umgekehrte Weg möglich sein.
Trotz dieser Dienste ist der UMTS-Traumstart doch verwunderlich. In den Tre-Läden, mit denen H3G das Land überzogen hat, wird nur ein einziges "Videofonino" angeboten. Das Telefon des japanischen Herstellers NEC liegt dafür aber gleich dutzendfach in den zahlreichen Glasvitrinen. Platziert nach der Design-Philosophie "Feng Shui", deren Ziel es ist, die Ströme und Felder der natürlichen Energie "Qi" in die günstigste Richtung zu lenken.
Ob die Inneneinrichtung zum Kauf des Geräts beiträgt, ist fraglich. Das 780 Euro teure NEC-Telefon wiegt mit über 150 Gramm deutlich mehr als normale Handys - und hält mit seinem Akku nicht einmal zwei Tage durch. Künftig sollen jedoch weitere Modelle hinzukommen. Auch die Pauschaltarife von 85 Euro oder 140 Euro (mit Handy-Miete) scheinen nur wenige abzuschrecken. Erst seit wenigen Tagen bietet H3G einen Prepaid-Tarif an.
Nach wie vor klaffen im Netz noch große Lücken. Derzeit haben Siemens, NEC und Ericsson rund 600 Städte fit gemacht für den UMTS-Empfang. Damit werden immerhin 44 Prozent der Bevölkerung versorgt. Wer jedoch seine Stadt verlässt, findet sich als Roaming-Kunde bei TIM, Vodafone, Omnitel oder Wind wieder - ohne den Multimedia-Dienst. Zwar klappt der Übergang aus den schnellen Netzen der dritten Generation in die alten Netze der zweiten Generation. Wer aber zurück will, muss damit rechnen, dass das Gespräch abbricht. Fieberhaft arbeiten die Siemens-Ingenieure in ihrem riesigen UMTS-Labor vor den Toren Mailands an einer Lösung. "Wir bekommen das bald in den Griff", sagt Siemens-Manager Peter Scherer in Mailand. Vorerst müssen sich die UMTS-Pioniere damit abfinden, dass fast jedes zehnte Gespräch irgendwann zusammenbricht.
Solche Kinderkrankheiten können etablierte Mobilfunkanbieter ihren Kunden nicht zumuten. "Die können warten, bis alles problemlos funktioniert", sagt Scherer. Hutchison hingegen hat sich ohne Kunden in das UMTS-Abenteuer gestürzt - und damit ein riskantes Spiel begonnen. Bereits für die Lizenz musste das Unternehmen in Italien mehr als drei Milliarden Euro auf den Tisch legen. In den nächsten zehn Jahren sollen weitere sieben Milliarden Euro investiert werden. Bis 2005 sollen 90 Prozent der Bevölkerung in Italien erreicht werden. Zum Vergleich: Die deutschen Lizenzbedingungen sehen bis dahin gerade einmal eine Abdeckung von 50 Prozent vor.
Bislang galt der Aufbau eines UMTS-Geschäfts ohne Mobilfunk-Kundenbasis als hoffnungslos. Aus diesem Grund ist auch Quam mit seiner UMTS-Lizenz vom deutschen Markt verschwunden. Allerdings spielt der Mischkonzern Hutchison Whampoa in einer höheren Gewichtsklasse: Zu den Geschäftsfeldern zählen unter anderem Häfen, Versorgung, Handel, Immobilien - und eben auch Telekommunikation. Bereits im März sagte Hutchison-Chef Li Ka-shing: "Heute in einem Jahr werden wir UMTS in zehn Ländern eingeführt haben." Bisher konnte der Pionier Schritt halten. In Großbritannien, Österreich und nun auch Italien hat Li bereits losgelegt.