Über Ochsen, Bullen, Bären und Lemminge

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Über Ochsen, Bullen, Bären und Lemminge

 
29.10.01 18:20
Es gibt Selbsthilfegruppen für anonyme Alkoholiker, Container in denen sich selbst produzierende Gehirnamputierte 24h gefilmt werden, nachmittägliche Talkshows, die als Podium für Familiendramen, Sodomie, Bauchnabelpiercing und anderen Banalitäten dienen. Natürlich noch Peep! und Liebe Sünde (oder war es Wahre Liebe?), in denen man auch dem letzten Durchschnittsdeutschen demonstriert , wo die (Meß-)Latte hängt. Es gibt quasi kein Thema, das zu peinlich, keine soziale Randgruppe wie Arbeitslose, Studenten, Sozialhilfeempfänger, Schwule Hamburger und Frauen, über deren Probleme nicht hinreichend diskutiert worden wäre. Dabei lauert neben Nikotin-, Alkohol- und Drogensucht noch eine andere Suchtspezies unter uns: die Börsenjunkies.

Wie kann man erkennen, daß man selbst infiziert ist? Es gibt folgende 10 Frühindikatoren. Welcome to the real world:

Stufe 1: DIE WURZELN ZUM HANDELN

Die Generation unserer Väter, die Kraft durch Freude - Generation legte ihr Geld ins Eigenheim und aufs Sparbuch, ausgestattet mit der Psyche des deutschen Michels und einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis. Die Autobahn war noch auf allen 2 Spuren frei, der Benzin kostete unter einer Mark und die Rente war sicher. Heute werden sie abgelöst durch risikobereite Wohlstandsjünger, aufgewachsen mit Begriffen wie Shareholder Value, Kernkompetenzen, Diversifizierung, Global Player und Outsourcing, auf allen Skipisten der Alpen beheimatet, mit Fitnessstudioabo und Genion - Handyvertrag.

Stufe 2: GAZETTEN

Erste Suchttendenzen zeigen sich, wenn auf dem Wohnzimmertisch nicht mehr die Audio & Video oder Cinema liegt, sondern FINANZEN, CAPITAL, der Aktionär oder BÖRSE-ONLINE. Der Börsenjunkie verinnerlicht nach einer Woche bereits Begriffe wie Outperformer, Fundamentaldaten, Chartanalyse, Boden gefunden und Herbstrallye. Kaufempfehlungen sind wie Schnee von gestern, lagen die Schreiberlinge daneben liest man selten einen Nachruf. Vielleicht sollte man wissen, daß die Redaktion Aktie xy im Portfolio hat und diese noch ein wenig hypen will. Es ist wie in der Straßenbahn, man sollte rechtzeitig einsteigen, aber aussteigen bevor der Fahrkartenkontrolleur vor einem steht.

Stufe 3: FERNSEHEN

Der Börsenjunkie ändert fundamental seine Fernsehgewohnheiten. An die Stelle von MTV tritt n-tv. Dabei sind die Sendungen Tag für Tag stereotyp gleich. Manche kennen Bernd Heller wohl noch vom Aktuellen Sportstudio, nun hält er sein fröhliches Bratzengesicht in einem Börsenmagazin in die Kamera. 'Wir schalten nach New York, direkt an die NASDAQ zu Jens Korte'. Folgt nun die Schaltung in ein Krisengebiet, muß man mit Flüchtlingsbildern oder anderen Havarien rechnen ? Nein! Jens Korte gleicht einem Sparkassenangestellten, hinter ihm sieht man die Waden vorüberhuschender Parkettbesucherinnen und die Anzeigentafel diverser Kurse. 'Die heute vorgelegten Halbjahreszahlen haben den ganzen Technologiesektor nach unten gezogen, vor allem hat Salomon-Smith-Barney Razorfish vom Outperformer auf neutral gestuft' Während man noch bei Razorfish an Schweinskram aus Peep! denkt, wird auch schon der Chartverlauf eingeblendet. Sieht aus wie das EKG eines Herzpatienten, konstatiere Death on Arrival! 'Danke Jens Korte aus N.Y' 'Bitte Bernd in Berlin'. 'Und damit sind wir auch schon am Ende angelangt, die Citybanker erwarten morgen den DAX bei 4743 Punkte, das sind 17 Punkte mehr. Gute Nacht!'. Früher war es die Nationalhymne nun ist es der Ausblick auf den DAX der in den Schlaf wiegt.

Stufe 4: ANALYSTEN

Die Analysten sind die modernen Prediger die man aus den Tempelanlagen treiben müßte. Es vergeht kein Tag, ohne daß sich ein renommiertes Analystenhaus mit einem optimistischen Kursziel für die Aktie xy aus dem Fenster lehnen würde. Market Outperformer, Outperfomer, Strong Buy , Hold und andere Anglizismen halten Einzug. Seltsamerweise sind es oftmals die Konsortialbanken, die den Börsengang begleiteten und nun ihre Schäfchen empfehlen. Goldman & Sachs, UBS Warburg, Salomon Smith Barney und bei Hornblower Fisher muß man schon wieder an Schweinskram denken.

Stufe 5: DIE CHARTANALYSE

Wer hier die Top100 auf VIVA versteht ist fehl am Platz. Gibt es doch Menschen, die daran glauben, man könne aus Kursverläufen der Vergangenheit auf die Zukunft schließen und der Markt verliefe wie die Menstruation zyklisch. So soll eine Schulter,Kopf,Schulter - Formation ein klares Kaufsignal geben, da ist die Rede von Abwärtstrend- und Aufwärtstrendkanälen und wenn die 200 Tageslinie gekreuzt wird ist das ein Zeichen. Ganz zu schweigen von der 38-Tages-Linie, wird sie überschritten, sollte man in die Drogerie gehen und sich einen Schwangerschaftstest einholen.

Stufe 6: DER KAUF

Prinzipiell kann man den Kauf bei einer Direktbank oder über das Depot der Bank des Vertrauens tätigen. Die erstere wirbt mit einem Mönch, über dessen Kopf Ameisen laufen und somit unwillkürlich an die Unterkunft beim letzten Baliurlaub erinnnert. Die gute alte Hausbank dagegen hat unverschämte Konditionen, zeigt sich aber kompomißbereit, wenn man privat versichert ist, und einem Brief der mit dem Satz 'Sollten sich die Gebührensätze in den nächsten Monaten nicht moderater gestalten, sehe ich mich leider gezwungen Ihrer Bank den Rücken zu kehren' endet, diskret den Chartverlauf der Achse xy gezogen aus der Website der Direktbank yz beifügt. Plötzlich erhält der Börsenjunkie einen persönlichen Anruf eines emsigen Bankangestellten, der ihm keinen Bausparvertrag verkaufen will, sondern günstigere Konditionen einräumt. Das Spiel kann beginnen und die Geister, die man rief, wird man nicht mehr los!

Stufe 7: DER KURSVERLAUF

Eine stetige Kontrolle des Kursverlaufes ist unabdingbar. Bald weiß er die Videotexttafeln auswendig, bei mehreren Werten landet er zwangsläufig beim n-tv - Laufband und bei der Arbeit läuft bald schon die Kurstabelle im Hintergrund auf dem Bildschirm. Ganz Emsige legen sich noch ein edelstahlgehärtetes WAP - Handy zu, mit dem man, laut Werbung, selbst im Auto eines wie ein Lebensmüder fahrenden Taxifahrers handeln kann und lautes 'Kaufen bei 53 Euro' - Rufen sichert in der gutbesuchten Kneipe eine gewisse Aufmerksamkeit zu. Auf das 'Ja genau 3 Stück!' sollte man aber besser verzichten.

Stufe 8: WENN UND ABER

Für den Börsenjunkie gibt es keinen optimalen Zeitpunkt zum Aussteigen. Im Geist rechnet er den Gewinn hoch und kommt zum Schluß 'Damit wäre der Skiurlaub bezahlt', nach der Rückkehr und Ausführen von Stufe 6 ist vom fiktiven Gewinn aber nur noch 1 Almdudler übrig, da mittlerweile der Vorstand der FICKTIEF - AG zurückgetreten ist und sich das nicht bis zur blauen Piste Nr. 5 herumgesprochen hatte. Verkauft man aber zu früh, steigt der Kurs nach Murphy's Law immer weiter, und es bleibt ein Gefühl, als wäre man gerade der Ex-Freundin über den Weg gelaufen und sie hätte sich von Jenny Elvers zu Angelina Jolie gemausert.

Stufe 9: HOLD AND BUY

Wie sagte der alte Kostolany 'Die Aktie unter das Kopfkissen legen, nicht mehr anschauen und nach 10 Jahren verkaufen'. Das ist die Hold and Buy - Strategie. Vergleiche? Die 6.Armee hoffte auf Entsatz, der Führer, Volk und Vaterland auf den Endsieg (Wolfschanzenstrategie) und wir Nicht- TDI 3,0 Liter Motor - Fahrer auf die Senkung der Mineralölsteuer.

Stufe 10: DISPO

Stufe 2-5 suggeriert dem Börsenjunkie Handlungsbedarf, den es gibt permanent einmalige Einstiegskurse, IPO's (neudeutsch Neuemission) und Wachstumsphantasien . Die Aktie ist das Paninni-Fußballsammelbild aus Kindertagen, für das Kind im Manne. Und erst, wenn das Wunsch-Portfolio zusammengestellt ist - aber da gibt es ja noch Stufe 8 und 9? In den seltensten Fällen hat der Börsenjunkie eine volle Kriegskasse in Höhe von 100000.-(in n-tv werden Beträge in Höhe von 50000.- mitleidig belächelt) oder eine Oma, deren Ableben bis zum Börsengang absehbar ist. Was liegt da also näher , als den Dispositionskredit anzutesten, zumal die Aktie für den Junkie einen reellen Gegenwert darstellt und das Weihnachtsgeld vor der Tür sprich auf dem Konto steht.

Fällt Telekom unter die 200 Tages - Unterstützungslinie, meldet sich Jens Korte aus NY mit Boeing, die ihm gerade den Hornblower macht , werden die Innenstädte bald nicht mehr von den Zeugen Jehovas, Sinti und Roma, Punkern und jenen, die einfach mal ne Mark brauchen, bevölkert, sondern von den Jüngern der alten New Economy, die in der Hand ein Schild mit der Aufschrift 'Wegen anhaltender Baisse mittellos' tragen? Wann ? Spätestens, wenn der NEMAX 50 bei 500 Punkten liegt.

Und was lernen wir daraus? Doch lieber FANTA4 unplugged auf MTV statt Bernd Heller in n-tv. Oder wie sagte StoxDude 'YOU HAVE TO LET GO!'.

Aufwind:

Thats it !

 
29.10.01 18:43
Publi ,Du hast recht.
Nur leider müsste die ganze Sache  verboten werden um sie stoppen können!
Ich war jetzt fast 4 Jahre clean ,
hab mir vor zwei Wochen Pc gekauft ,Internet...
und bin wieder ziemlich drin ,leider...
Hält mich nämlich ziemlich von meiner sonstigen Arbeit ab.
Aber wie war es schon im Goldrausch ....
Siegmund Fre.:

Diagnose: Depression aus Überforderung

 
29.10.01 19:39
Depression ist ein lateinisches Wort für „Niederdrückung”, In der Alltagssprache wird jemand als depressiv bezeichnet, der sich traurig und lustlos zeigt. Diese Verwendung in der Alltagssprache ist nicht unbedingt identisch mit der Krankheit Depression um die es hier gehen soll.  

Unser Stimmung wechselt häufig. Gefühle sind wichtiger Bestandteil unserer Person. Auch negative Gefühle wie Trauer und Ärger sollen uns helfen und haben bei Gesunden einen Sinn. Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Trauer oder Verzweiflung gehören zu den grundlegenden Phänomenen menschlichen Erlebens. Sie sind z.B. eine Reaktion auf den Verlust von wichtigen Bezugspersonen oder Lebensinhalten, auf Misserfolg oder Kränkung und dienen nicht zuletzt der Um- oder Neuorientierung von Betroffenen.  Unsere Gefühle sind Reaktionen auf alltägliche Ereignisse und wechseln sich rasch ab.  

Bei Menschen mit einer Depression dagegen besteht meist eine langanhaltende unangenehme Stimmungslage,  welche sich auf das ganze Verhalten und Erleben auswirkt. Sie ist meist nicht mehr angemessen der Situation angepasst.  Verstimmung, manchmal Reizbarkeit, Energielosigkeit, Antriebsminderung, Wertlosigkeit, Appetitstörungen, Libidoverlust, Schlafstörungen, Schmerzen, Konzentrationsprobleme und Suizidideen sind typische Symptome einer Depression.  

Jährlich erkranken in Deutschland nach Daten des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie etwa 4,4%der Männer bzw.13,5%der Frauen an einer Depression. Das entspricht 7,8 Mio.Betroffenen (2,8 Mio.Männer und 5 Mio.Frauen). Ungefähr 1%der Bevölkerung erkranken an einer manisch- depressiven (oder bipolaren) Störung, d.h.insgesamt etwa 0,82 Mio.Bundesbürger.

 

Die Life-event-Literatur (Brown et al. Psychol.Med.1995;25, 7-21) deutet darauf hin, dass das Erleben von Entwertung, Erniedrigung und Verlust in engen Beziehungen ein hohes Risiko für eine Depression bedeutet. Unzweifelhaft stellt Armut und Arbeitslosigkeit ebenfalls ein hohes Depressionsrisiko dar. Depressionen sind keine Wohlstandskrankheiten, sie kommen in allen Schichten der Gesellschaft vor. Auch viele berühmte, intelligente, schöne und reiche Menschen haben darunter gelitten und leiden darunter. Dennoch können Begriffe wie Sissi- Syndrom in die Irre führen. Als Folge von Armut, Rechtlosigkeit und mangelnder Bildung sind Depressionen in Entwicklungsländern häufiger als bei uns. Sie stellen dort entgegen vieler Vorurteile einen wesentlichen Faktor dar, der nicht nur aus der Armut entsteht, sondern sie auch in einer Art Teufelskreis aufrecht erhält.  

Auch Persönlichkeitsmerkmale können einen Risikofaktor für die Entstehung von Depressionen darstellen.   Die Forschung zeigt, dass das Persönlichkeitsmerkmal "vegetative Labilität" in Verbindung mit dem Merkmal "Rigidität" im Persönlichkeitsprofil  von Gesunden, das Risiko zu erkranken erhöhen. Die Wirkung von Stress und chronischer Überforderung als Risikofaktor für die Entstehung von Depressionen wird z.B. in einer Untersuchung an Personen deutlich, die Familienangehörige mit einer Demenz  zu versorgen hatten.  

Bei der Depression handelt es sich um ein Syndrom, welches durch eine Vielzahl von Symptomen hervorgerufen werden kann. Charakteristisch ist, dass körperliche und psychische Symptome gemeinsam vorkommen. Obwohl den meisten Menschen einmal belastende Lebensereignisse wie Todesfälle, Trennungen oder der Verlust des Arbeitsplatzes widerfahren, führen sie nur bei einigen Menschen zu eigentlichen Depressionen. Gerade weil die meisten Menschen diesbezügliche Erfahrungen haben, ohne dadurch krank geworden zu sein, fällt es oft schwer, die Depression als eigenständiges Krankheitsbild zu erkennen. Depression bedeutet als mehr als normale Niedergeschlagenheit und Traurigkeit als Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis.  Depression meint eine Störung des Gefühlslebens die sich weniger in wirklicher Trauer als in einem Leeregefühl, einem Gefühl der Gefühllosigkeit äußert.  Hoffnungslosigkeit, Abwertung der eigenen Person und anderer, Schlafstörungen, Energiemangel, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Nachlassen des Appetits sind häufig begleitende Symptome. Ganz unrealistische negative Fehleinschätzungen der eigenen Vergangenheit, der Gegenwart, der finanziellen Situation, der Partnerbeziehung usw. können dazukommen.    Depressives Kranksein ist heute kein unabänderliches Schicksal mehr. Jedes depressive Zustandsbild ist behandelbar, Ziel jeder Behandlung ist, die depressive Verstimmung vollständig zum abklingen zu bringen --  was jedoch nicht immer hundertprozentig gelingt. Die Behandlung von Depressionen ist aber wenn sie fachgerecht geführt wird erfolgreicher als die Behandlung der meisten körperlichen Krankheiten
Publizist:

Siegmund Freud willst Du Dich wirklich mit mir

 
29.10.01 20:43
über medizinische Psychologie unterhalten?.
Mein Tipp studier ein paar Semester damit wir auf gleicher Ebene sind.
Leidest Du an Psittakose?. Denke deshalb daran, da ich Deine Worte unter
DarhKnight ausführlich beschrieben hatte.
Du kleiner Pulcinella
Publizist:

DK der Ochse ist 4you o.T.

 
29.10.01 21:28
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