Von Justus Fischer-Zernin
Dem deutschen Fiskus fehlen 50 Milliarden. Doch statt eine echte Steuerreform voranzutreiben, konzentriert man sich auf Unternehmerschelte. Wer bekommt da nicht Fernweh? Der Hamburger Anwalt Justus Fischer-Zernin hat sich im Ausland umgeschaut und berichtet im Wochentakt über 15 andere Länder mit anderen Steuersitten.
True story Nr. 1: 1995 gründeten die Jungs ihre Multimedia-Internet GmbH und es ging richtig los. Auftrag rein, Auftrag bearbeiten, Rechnung raus, Geldeingang - Hurra! 1997 hatten die laufenden Kosten das Laufen gelernt. Gehälter, Mieten - und dann zahlten ein paar Kunden nicht pünktlich, bei einigen Aufträgen liefen die Kosten aus dem Ruder, ohne dass den Kunden mehr berechnet werden konnte, und überhaupt: Wo blieben die neuen Großaufträge?
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Die Zinsen für das private Darlehen werden bei der Einkommensteuer des Gründers als Kosten angesetzt; schließlich geht es bei der Sache um die Finanzierung der Firma, von der er sich eines Tages Gewinnausschüttungen erhofft, auf die er dann wieder Steuern zahlen muss. Anders als bei Zinsen sind die Raten für die Tilgung steuerlich nicht absetzbar; der Unternehmer muss knapp zwei Mark verdienen und darauf Steuern zahlen, um eine Mark an die Bank zurückzuzahlen.
Merkwürdige Hobbys eines Gründers
Fünf Jahre gehen ins Land und plötzlich meint das Finanzamt, so gehe das nicht. Folge: Steuernachzahlungen auf die abgesetzten Zinsen für fünf Jahre. Begründung: Diese Finanzierung der GmbH sei "Liebhaberei". Die Firma macht ja kaum Überschuss, sie schüttet an den Gründer keine Gewinne aus. Seine Finanzierung des Unternehmens fehle die "Gewinnerzielungsabsicht", das sei eher so etwas wie ein Hobby.
Wenn das so ist, dann vielleicht besser alle Mitarbeiter rausschmeißen, den Laden dicht machen und sich ein weniger aufreibendes Hobby suchen. Für ein Paar Gummistiefel und eine Angel sollte es noch reichen. Hätte passieren können, ist noch nicht passiert - mit teurer Hilfe der Steuerberater gelingt es, die Sache fürs Erste abzubiegen. Doch hinter der nächsten Kurve lauert neues Unheil.
Im Jahr 2002 flattert dem Geschäftsführer ein amtliches Schreiben ins Haus. Er soll 7500 Euro Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen das "Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit" bezahlen. Was? Das Unternehmen hat inzwischen 28 Mitarbeiter. Alle haben einen richtigen Vertrag. Für die Angestellten wird Krankenkasse, Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Lohnsteuer, Berufsgenossenschaftsbeitrag ausgerechnet, abgerechnet, durchgerechnet, angemeldet und gezahlt.
Justus Fischer-Zernin: "Und wer zahlt? Eine Kreuzfahrt durch unser Steuersystem und die aktuelle Reformdebatte"; Murmann Verlag, 2004, 22,00 Euro, 220 Seiten. Im Buch geht es um die politische Steuerdebatte, die zu Beginn des Jahres 2004 mit Reformvorschlägen ihrer diversen Protagonisten (Merz, Kirchhof, FDP et cetera) die deutschen Medien unter Dampf setzte. Buch bestellen | ||||
Voll der frohen Erwartung wird die Diskussion zur Zahnersatzversicherung begrüßt; der Unternehmer fühlt sich mit all der Abgabenverwaltung für den Staat schon lange unterfordert. Vielleicht kommt ja noch eine Zahnspangenversicherung hinzu. Und wenn mal ein Fehler passiert, steht die Firma dafür gerade, fantastisch: No risk - no fun!
Aber wieso gerät er jetzt beim Kampf gegen die Schwarzarbeit in die Schusslinie? Ganz einfach: Bei der Gründung 1995 gab es zwar die üblichen Notartermine, Anmeldungen beim Handelsregister, bei Banken, beim Finanzamt, bei Rentenkassen, Krankenkassen, bei der Berufsgenossenschaft - immer mit Brief und Siegel und Formular, mit allen Auskünften und heiligen Eiden, Erklärungen, Gebühren und, und, und - aber etwas wurde vergessen: die Gewerbeanmeldung! Der Schwarzarbeit-Terminator
Ein kleiner Zettel. Es ging nicht um Genehmigungen mit Kontrollen und Nachweisen und so. Eine Multimedia-Agentur beschäftigt sich ja in der Regel seltener mit der Aufbereitung von waffenfähigem Plutonium oder Herztransplantationen. Es ging um ein Formular beim Gewerbeamt und wer das vergisst, begeht einen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, der mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann. Da sind 7500 Euro eigentlich recht günstig. Bei einer solchen Freveltat wäre vielleicht auch ein langer böser Bericht in "Panorama" fällig.
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Plötzlich reden alle über Zypern
Inzwischen haben sich viele hiesige Computerfreaks davon gemacht und bieten ihre Programmierleistungen von wo auch immer an. Das wird alles durch das World-Wide-Web gejagt, völlig problemlos; hoch lebe das Internet! Und da bei der Multimedia-Agentur gerade eine Erweiterung der Programmierabteilung ansteht, stellt plötzlich jemand die Frage, ob "wo auch immer" diesmal nicht vielleicht woanders sein sollte.
Weil der deutsche Winter wieder zeigt, was er so drauf hat, reden plötzlich alle über Zypern. Viele deutsche Programmierer sind dahin ausgewandert und bedienen von dort ihre hiesige Kundschaft. Kein Wunder: Im November Temperaturen von 12 bis 22 Grad, 7 Sonnenstunden pro Tag, Wassertemperatur im Mittelmeer 20 Grad. Da stehen genügend begabte Computer-Koryphäen Schlange, um für ein paar Jahre blauen Himmel und blaues Meer zu genießen. Der traditionelle Aperitif ist Brandy Sour: 1/3 weicher lokaler Brandy, 1/3 Limonensaft, 1/3 Soda und ein Spritzer Angostura, etwas Eis. Und wenn wir schon da sind, versuchen wir als deutsche Medienagentur andere deutschstämmige Firmen in Zypern als Kunden zu gewinnen. "Wir sind ein Volk" - erst recht in der Fremde. 10 Prozent statt 40 Prozent Abgaben
In Deutschland laufen die Geschäfte inzwischen ganz auskömmlich. Die Verluste der Vergangenheit sind im Großen und Ganzen wieder reingeholt, es werden schwarze Zahlen geschrieben. Das gilt besonders für die neue IT-Abteilung.
Von Anfang an wird mit guten Gewinnen gerechnet. In Deutschland gehen davon etwa 40 Prozent Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag an den Staat. In Zypern sind es nur 10 Prozent.
Interessiert sich da noch jemand für Abschreibungssätze und dergleichen? Nein - aber selbst wenn: alles im grünen Bereich. Gründet unsere deutsche GmbH dort eine Tochtergesellschaft, so können die Gewinne - nach Zahlung der 10 Prozent zypriotischen Körperschaftsteuer - an die deutsche GmbH ausgeschüttet werden und sind hier zunächst steuerfrei.
Mit Niederlassung 2 Prozent sparen
Na ja, nicht so ganz. 5 Prozent solcher Dividenden von ausländischen Tochtergesellschaften werden bei der deutschen Mutter-GmbH als "nicht abzugsfähige Ausgaben" behandelt, was hier im Ergebnis zu einer weiteren Steuer von 2 Prozent führt, womit die Belastung solcher Gewinne aus Zypern noch ein bisschen ansteigt.
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Bei der Neuinvestition in Zypern bleiben also von den 100.000 Euro rund 90.000 Euro nach Steuern, in Deutschland nur 65.000 Euro. Wie man es dreht und wendet - die Mehrkosten für den Neustart auf Zypern dürften schon durch die Steuerersparnis bald wieder eingespielt sein. Alternative Spielkasino
Da bleibt bald noch ein gutes Plus für Neuinvestitionen über, oder?
Auf Zypern gibt es das angeblich größte Spielkasino in Europa namens Kyenia Yasmine Court - vielleicht auch eine Alternative. Vielleicht lassen sich die Anlaufkosten für das Auslandsprojekt auch mittels niedrigerer Gehälter für die Mitarbeiter ein wenig drücken - zumindest bei den Top-Kräften.
Ihre Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag kann in Deutschland in der Spitze auf über 44 Prozent kommen, in Zypern ist schon bei 30 Prozent Schluss, dazu für drei Jahre noch 20 Prozent Steuerabschlag bei neu zugezogenen Arbeitnehmern.
Aber wahrscheinlich würden unsere Top-Hacker ganz schön maulen, wenn es ans Drücken ihrer Bezüge geht. Die Forderung nach Gehaltserhöhungen bei höheren Abzügen kommt leicht über die Lippen; dass das Gehalt ein wenig sacken könnte, wenn in Zukunft netto viel mehr nach Steuern bleibt, dürfte auf ungläubiges Staunen stoßen. Aber egal - kühne Träume der Mitarbeiter über Auslandszulagen und dergleichen könnten damit sicher zerstreut werden.
Steuer steigt ab einer Million Euro Gewinn
Wenn es richtig brummt, kann es allerdings teurer werden. Auf Gewinne unserer zypriotischen Tochtergesellschaft von über 1 Million Euro im Jahr steigt die Steuer um 5 Prozent auf 15 Prozent. Aber wen juckt das heute schon? Wenn es soweit ist, werden wir lokale Musiker damit beauftragen, die erste zypriotische Folkloreadaption von Glenn Millers "Take Five" zu komponieren, und dem örtlichen Finanzamt bei einem öffentlichen Kalamatianos Tanz den Scheck mit den 5 Prozent Mehrsteuern überreichen.
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