von Uwe Wagner, Deutsche Bank AG
Allgemeine Beurteilung
Der Krieg gegen den Irak, daß derzeit relevanteste Thema an den Börsen, läuft nicht so, wie von den Marktteilnehmern erwartet. Zunehmend wird deutlich, daß ein schnelles Ende noch Ausgang absehbar sind, somit greifen Unsicherheit und Zurückhaltung auf der Kaufseite wieder um sich. Die Rentenmärkte schlugen zum Wochenende hin den Weg nach oben ein, der EURO gewann und gewinnt gegenüber dem USD an Fahrt und der Ölpreis erreichte am letzten Freitag ein neues Reaktionshoch, nachdem er noch in der Woche davor dramatisch eingebrochen war. Sogar der Goldpreis , in den letzten Wochen eher auf der seitwärts-, abwärts ausgerichteten Seite präsent, legte am Freitag zu und setzt zumindest bisher diese Tendenz auch am heutigen Handelstag fort.
Steigende Renten, steigender Ölpreis, stärkerer EURO und ansteigender Goldpreis, das alles sind Indizien für eine eher schwierige Zeit an den Aktienmärkten und zwingt uns, jede jüngst herausgearbeitete positive Erwartungshaltung zu überdenken.
Halten wir zunächst grundsätzlich fest: so wie die Märkte an den direkten und unmittelbaren Entwicklungen im Irak derzeit gekoppelt sind, so wird auch weiterhin mit plötzlichen Richtungswechseln und überraschenden Wendungen gerechnet werden müssen. Dies gilt es bei jeder Positionierung, ob long oder short, zu berücksichtigen und bei der Positionsgröße und Stop-Kurs-Platzierung im Hinterkopf zu haben.
Weiterhin müssen wir aber auch klar beachten: selbst ohne den Irak Krieg, ist das wirtschaftliche Umfeld für Aktien derzeit eher kritisch. Eine drastische Änderung würde lediglich ein rasches Ende des Krieges und ein Ausgang im Sinne der Wirtschaft mit sich bringen, was sich in einem drastisch fallenden Ölpreis widerspiegeln sollte. In diesem Falle wären alle eher belastenden Wirtschaftszahlen zweitrangig. Doch entwickelt sich der aktuelle militärische Konflikt anders als ursprünglich erwartet, kommt dieser zum ohnehin kritischen Umfeld noch belastend hinzu.
Unter diesem Eindruck, wollen wir uns kurz den chart- und markttechnischen Ausgangsbedingungen für den heutigen Wochenstart zuwenden:
(1) in den europäischen Aktienindizes dominieren noch immer die, in der Vorwoche ausgebildeten, seitwärts ausgerichteten Konsolidierungszonen; diese schlossen sich den kräftigen Aufwärtsimpulsen an, welche Mitte März die europäischen Börsenbarometer von ihren bisher gültigen Mehrjahrestiefs nach oben katapultierten und in einigen sogar zur Überwindung der sekundären Abwärtstrends im Sinne in ihren jüngsten Definitionen führten; sehen wir uns noch die Kursentwicklungen in den meisten Europabörsen vom letzten Freitag an (ausgebildete Lunten in den Tageskerzen), so untermauern diese zumindest bisher das kurzfristig noch intakte neutrale Szenario;
(2) charttechnisch zwar ebenfalls noch immer neutral im kurzfristigen Zeitfenster, ist der deutsche Aktienindex DAX zu beurteilen; dennoch, im Gegensatz zu seinen europäischen Gegenstücken hatte er noch bis Freitag 20:00 Uhr Zeit, die erneute Kursschwäche an Wall Street umzusetzen und ebenfalls wieder in Richtung seiner unteren Begrenzung der derzeit noch immer gültigen Konsolidierungszone hin abzutauchen; somit nahm er bereits einiges von dem vorweg, was uns heute in Europa im allgemeinen zur Börseneröffnung wohl erwarten wird und signalisiert eine unübersehbare Gefahr für den Bestand des aktuell noch immer gültigen neutralen Szenarios für die Aktienkursentwicklung;
(3) an den US-Börsen hat sich die allgemeine Situation am Freitag unter charttechnischen Gesichtspunkten deutlich verschlechtert; im Dow Jones und im S&P 500 Index wurden die unteren Begrenzungen der bisher (kurzzeitig) gültigen Konsolidierungszonen in Angriff genommen, per Schlußkurs im Dow Jones unterschritten, im S&P 500 Index per Schlußkurs zumindest zur Disposition gestellt; im NASDAQ 100 und im NASDAQ Comp. ist uns der Bruch der unteren Begrenzungen aktuell zwar bisher noch erspart geblieben, es lassen sich derzeit jedoch kaum noch sinnvolle technische Argumente bringen, was den Bestand dieser Auffangbereiche erhärten könnte; somit signalisieren auch die Börsen in den USA einen Bruch ihrer erst kürzlich ausgebildeten Unterstützungen und damit Belastung für die Börsen Europas;
(4) an den Rentenmärkten geht es mit den Kursen wieder hoch, mit den Renditen dafür runter; der EURO / BUND übersprang im Freitagshandel der letzten Woche die 113.96, der Bereich, den wir als erweiterte Widerstandsebene im letzten Kommentar definiert hatten; per Schlußkurs (113.95) kam es zwar zu einer Punktlandung, doch daß Risiko weiter steigender Kurse und damit einer weiterführenden Entfaltung des sich jüngst ausbildenden tertiären Aufwärtstrends ist wohl unübersehbar; nach oben hin eröffnet sich nun Platz in Richtung 115.37, dem nächst höher gelegenen, möglichen Widerstandsbereich; daneben lassen sich, bezogen auf den vorangegangenen Abschwung vom 11. bis 21. März, folgende Korrekturpotentiale errechnen, welche eine Indikation liefern, bis wohin Reaktionen auf der Oberseite nun wohl realistisch erwartet werden können: 113.90 / 114.11 (Minimumkorrektur – bereits letzten Freitag im Tageshoch ausgeschöpft), 114.64 (Normalkorrektur) bzw. 115.16 / 115.37 (Maximumkorrektur); intakte tertiäre Aufwärtstrends liegen uns auch in den 10 und 30 jährigen US-T-Bonds vor;
(5) der EURO gegenüber dem USD wies uns bereits Ende letzter Woche einen beginnenden tertiären Aufwärtstrend aus, eine Tendenz, welche sich beschleunigt hat; machttechnisch wird diese Entwicklung klar bestätigt, die Schwungkraft auf der Oberseite nimmt zu und stabilisiert damit diese Entwicklung; nächstes charttechnisch herleitbares „Zielgebiet“ des Kursanstiegs wäre der Bereich um 1.0857, ein potentielles Widerstandsniveau welches noch im Monat Februar die obere Begrenzung einer Konsolidierungsphase bildete, welche zum Bruch des vorangegangenen sekundären Aufwärtstrends führte;
(6) der Ölpreis katapultierte sich am Freitag aus der jüngst definierten, jedoch nie bestätigten Konsolidierungszone; im Hoch erreichte der Preis für´s Nordsee-Öl mit 28.56 USD ein neues Reaktionshoch, schwächte sich dann aber im Laufe des Freitagshandels wieder etwas ab (Tagestief bei 27.66, Tagesschlußkurs bei 27.81 USD); die ersten heutigen Taxen für den Preis des Brent Crude Oil liegen bei 27.29 USD, damit zwar wieder unterhalb der ursprünglich definierten oberen Begrenzung der erwarteten Konsolidierungszone, welche wir noch am Freitag zwischen 27.45 USD (obere Begrenzung) und 24.82 USD (untere Begrenzung) definiert hatten, jedoch müssen wir als dominantere Entwicklungstendenz wohl auch hier eher einen sich entfaltenden tertiären Aufwärtstrend unterstellen; der Ölpreis bleibt aktuell das wegweisende Barometer für die Entwicklung der Erwartungshaltungen der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit dem Krieg am Golf;
(7) Gold hat wieder den Weg nach oben hin eingeschlagen, wenn auch erst noch sehr zaghaft; verblieb der Goldpreis per Freitag-Schlußkurs der letzten Handelswoche noch innerhalb seiner erst jüngst ausgebildeten Konsolidierungszone, so kann das Edelmetall aktuell erneut 0.99 Prozent Kursgewinn verzeichnen und läßt damit den 334.25er Widerstandsbereich hinter sich; nächst höheres, analytisch herleitbares Widerstandsniveau und somit auch mögliches Zielpotential wäre der Bereich um 3440.40 USD, darüber dann die 345 USD; aus markttechnischer Sicht entfaltet sich ein möglicher junger Aufwärtsimpuls dagegen erst recht zögerlich;
Als allgemeines Fazit können wir somit zunächst festhalten:
- unser positives Szenario für die internationalen Aktienmärkte, welches sich aus charttechnischer Sicht in den letzten zwei Wochen abgezeichnet hatte, wurde von uns bereits Ende letzter Woche relativiert, was in erster Linie aus markttechnischer Sicht begründet wurde (nachlassende Schwungkraft);
- mehr und mehr macht die Entwicklung der sogenannten „Krisenmärkte“ (Renten, Öl, Gold, EURO) deutlich, daß die Stimmung der marktbeeinflussenden Marktteilnehmer jedoch weiter zu kippen scheint, was nicht unbeeindruckt an den Aktienmärkten vorüber gehen wird; wir unterstellen zwar weiterhin, daß von Seiten der Anleger Kapital zur Anlage in Aktien zur Verfügung steht, jedoch mit einer sich verschlechternden Situation im Irak (im Sinne der Wirtschaft), sinkt auch der Druck auf die Anleger, investieren zu müssen; ein Benchmark – orientierter Marktteilnehmer kann jetzt wieder abwarten, daß ihm die Benchmark entgegen kommt und nicht er hinterher muß;
- die US-Aktienbörsen lieferten am Freitag letzter Woche die ersten charttechnisch kritischen Hinweise dahingehend, daß die unteren Begrenzungen der Konsolidierungszonen der Aktienindizes wohl immer stärker zur Disposition stehen;
DAX
Die letzte Handelswoche beendete den jüngsten Höhenflug im DAX. Bereits am letzten Montag gab das deutsche Börsenbarometer deutlich ab, ohne sich dann wieder nennenswert per Saldo erholen zu können. Der Freitags- und Wochenschlußkurs (2520) kam dem Wochentief bei 2481 Indexpunkten sehr nahe.
Die letzte Handelswoche beendete somit den jüngsten tertiären Aufschwung und führte zur Ausbildung einer potentiellen Konsolidierungszone, die zum Wochenende hin noch immer ihre charttechnisch definierte Gültigkeit hatte (und aktuell noch hat). Diese Konsolidierungszone tritt in ihrer Gesamtstruktur auch in den übrigen beurteilten Aktienindizes auf, droht aber bereits wieder kaputt zu gehen, bevor sie sich richtig entfalten kann.
Im DAX definierten wir diese Zone in ihren äußeren Begrenzungen um 2481 (untere Begrenzung) und 2731 (obere Begrenzung). Diese charttechnisch herleitbaren Marken gelten aktuell auch als Trigger (Signalmarken) dafür, daß ein Überwinden bzw. Unterschreiten zur Ausbildung eines neuen tertiären Bewegungsschubes führen sollten. Konkret hieße das, kann der DAX die 2731 überspringen (in Anbetracht der Entwicklung im Irak aktuell wohl eher unwahrscheinlich geworden), würde sich ein realistisches Potential bis in den Bereich um 2840 eröffnen, was der Normalkorrektur entspräche, welche sich auf den vorangegangenen sekundären Abwärtstrend von Dezember 2002 bis März 2003 berechnet. Zu beachten seien hier lediglich noch vorliegende, potentielle Widerstände um 2750 / 2800.
Nach unten hin bedeutet dies jedoch, daß sich mit einem Unterschreiten der 2481 auf der Unterseite weiterführendes Abwärtspotential eröffnet, welches zumindest charttechnisch nur im Bereich des Tiefs bei 2188 eine vorliegende Unterstützung aufweist. Um dennoch weitere potentielle Zielniveaus auf der Unterseite zu haben, berechneten wir bereits vor eineinhalb Wochen Korrekturpotentiale nach unten hin, die sich wie folgt definieren: 2460 (verbleibende Normalkorrektur), 2395 / 2369 (Maximumkorrektur).
Nach innen hin, hatten wir innere, (unbestätigte) Signallinien definiert, welche sich aus dem Tief vom Donnerstag bei 2511 und dem Hoch vom letzten Mittwoch bei 2680 Indexpunkten herleiteten. Diese Hilfslinien ermöglichten das Festlegen von Filterzonen (2511 bis 2481 auf der Unterseite, bzw. 2680 bis 2731 auf der Oberseite). Hierbei gingen wir von folgender Überlegung aus: unterstellen wir, daß die Konsolidierungszone hält und sich der DAX (und auch die übrigen Märkte) weiterhin innerhalb einer Trading-Range bewegen, sollten diese Filterzonen die Bereiche markieren, innerhalb derer der Aufbau spekulativer Positionierungen angedacht werden sollte, da auf Grund der sehr eng zu platzierenden Stop-Kurse das Risiko gegenüber den Chancen in einem akzeptablen Verhältnis steht. Somit bot sich der untere Filterbereich zur Eröffnung von spekulativen Trading-Long-Positionen an, der obere Filterbereich zu Eröffnung von spekulativen Trading-Short-Positionen.
Per Freitag erreichte der DAX den Bereich unter der 2511 zweimal, somit wurde ein Positionsaufbau möglich. Als Stop-Kurs definierten wir die 2470, ein Kursniveau unterhalb der unteren, äußeren Begrenzung der jüngsten Konsolidierungszone.
Praktische Konsequenz:
(1) folgte man der oben beschriebenen Logik, sofern man den Bestand der Konsolidierungszone unterstellte, liegt nun eine kleine, hochspekulative Trading-Long-Position vor, welche im Filterbereich um 2511 / 2481 aufgebaut wurde;
(2) Stop-Kurs liegt bei 2470 und verbleibt dort auch für heute;
(3) fällt der DAX heute unter die 2481 (vorzugsweise per Schlußkurs), ist die jüngste Konsolidierungsphase hinfällig und die mögliche Ausbildung eines zweiten Beines wird wahrscheinlich; spekulativ kann darauf gesetzt werden;
(4) hierzu bietet sich an: aggressiv: bei Unterschreiten der 2481 Short-Position eröffnen (ungeachtet des Trading-Long, welches bei 2470 geschlossen wird); Stop-Kurs bei 2550; schließt der Markt unter 2470, bleibt Position offen, anderenfalls wird sie per heutigen Schlußkurs wieder geschlossen; konservativ: wir warten einen tatsächlichen Schlußkurs unter 2481 ab, Körper sollte dann aber nahe Tagestief schließen, keinesfalls mehr als 4 Prozent verloren haben und kein Candle aufweisen, der einem positiven Kerzenmuster entspricht;
Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Wochenstart !!!
Uwe Wagner EUROSTOXX 50 TAGESCHARTDOW JONES TAGESCHARTS&P 500 INDEX TAGESCHARTNASDAQ 100 INDEX TAGESCHARTEURO BUNDEURO / USD TAGESCHARTGOLD TAGESCHARTOEL TAGESCHARTDAX TAGESCHART