Analystenstimmen zu ausgewählten IT-Unternehmen
von Hinrich von Haaren
15. August 2001
Der Analyst Keith Woolcock von der japanischen Investmentbank Nomura sieht einen Virus in der Technologiebranche umgehen: die Optimismuskrankheit, also den Wunsch alle Ereignisse ins Positive zu verdrehen. Die Message hier ist klar: die Zeiten sind hart, der Markt ist schwach. Überkapazität macht vielen Unternehmen zu schaffen, bei Chipherstellern sind die Preise in den Keller gefallen. Ein Beispiel: vor einem Jahr lag der Durchschnittspreis für Speicherchips bei $ 17,50, heute werden sie für $ 1,50 gehandelt.
Und dennoch haben die Optimisten bis zu einem gewissen Grad recht, das muss auch der Analyst Woolcock zugeben. Bedenkt man, wo Tech-Aktien angefangen haben, haben sie wahrscheinlich das Schlimmste jetzt hinter sich. Wer den gegenwärtigen Konsolidierungsprozess übersteht, hat gute Chancen in einem gesünderen Markt solide Profite zu erzielen.
GROßBRITANNIEN
Seltene Strong Buy-Emfehlung
Ein Beispiel für ein aussichtsreiches Unternehmen ist der britische Anbieter von Netzwerktechnologie Azlan, der von UBS Warburg eine dieser Tage im Tech-Sektor selten gesehene "Strong Buy"-Empfehlung bekommt. Der Umsatz des ersten Quartals lag mit £ 144,8 Mio. um 26% über dem Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Azlan ist in 15 Ländern vertreten, in denen überall eine Umsatzsteigerung erreicht werden konnte. Dabei konnten sich Spanien und Italien mit einem Anstieg von 15% besonders stark behaupten. 30% von Azlans Umsätzen werden in Großbritannien gemacht, der Rest in Kontinentaleuropa.
Diese geographische Diversifizierung bewertet UBS als besonderen Pluspunkt, da sie die Risiken in konjunkturell schwachen Zeiten streut. Weiterhin ist Azlan in einer Reihe von Branchen tätig und den besonders schwachen Sektoren Telekommunikation und Finanzen nur in geringem Maße ausgesetzt. Gegenwärtig ist das Unternehmen dabei, seine Aktivität im Bereich E-Learning auszubauen, ein Geschäftsfeld, dass gerade in Konjunkturflauten wächst, da viele Arbeitnehmer ihre Qualifikationen verbessern wollen, entweder, um in einem schwierigeren Markt größere Chancen zu haben, oder um ihren Arbeitsplatz zu sichern. Ein Pilotprojekt mit Cisco hat sich wegen der hohen Interaktivität und Flexibilität bei Kunden sehr gut angekommen und Azlan wird nun weitere 14 Kurse für die Amerikaner entwickeln.
UBS sieht ein KGV von 14 aufgrund der europäischen Präsenz und des Wachsenden E-Learning-Bereichs für gerechtfertigt und erwartet Gewinne je Aktie für 2001 von £ 0,11 und von £ 0,14 für 2002. Für das erste Halbjahr 2002 rechnet UBS mit einem Umsatz von £ 295 Mio. und einem Gewinn vor Steuern von £ 6 Mio.. Aufgrund der gegenwärtigen Wirtschaftslage haben die Analysten ihr Kursziel von £ 1,85 auf £ 1,60 gesenkt. Das entspricht einem Wachstum von 15-18% für die nächsten 4-10 Jahre.
USA
Accenture überzeugt durch Qualität
Eine UBS "Buy"-Empfehlung bekommt auch der amerikanische IT-Dienstleister Accenture. Mit diesem Rating stehen die Analysten der Schweizer Großbank nicht allein. Beim Namen Accenture brechen die Branchenbeobachter geradezu in Lobeshymnen aus: Neben UBS gibt es Kaufempfehlungen auch von der Deutschen Bank, Lehman Brothers und ein "Akkumulieren" von Merrill Lynch. Eine gewisse Zurückhaltung - und auch der zwischen den Zeilen durchscheinender Grund, warum dieses Unternehmen kein "Strong Buy" ist - bringt dieser Tage fast schon zwingend die Konjunkturlage mit sich.
Accentures Vorteile: höchste Produktqualität, ausgezeichnetes Management und ein Name (früher: Andersen Consulting), der für die Nummer eins in der IT-Beratung steht. Darüber hinaus globale Präsenz. Weiterhin habe Accenture eine Unternehmenskultur etabliert, die Innovation und Flexibilität fördere, so die Analysten der Deutschen Bank. 70% der Umsätze werden mit Software-Applikationsservicen generiert, zu denen auch Softwarebau und -design gehören, sowie kundenangepasste Entwicklung und Systemintegrierung. Accenture ist Partner von Microsoft, Oracle, SAP, Siebel, Peoplesoft und i2. Im vergangenen Monat brachte das Unternehmen eine $ 1,7 Mrd. Neuemission ($ 14,50 je Aktie) an die Börse.
Im Juni und Juli stiegen die Umsätze um jeweils 16%, die Deutsche Bank erwartet langfristig einen Anstieg um die 17%. Das Unternehmen sei in "Top-Form", so die Analysten. Merrill Lynch prognostiziert für das laufende Geschäftsjahr einen Umsatzanstieg um 15% auf $ 11,2 Mrd., für 2002 wird allerdings nur mit einer Steigerung um 5% gerechnet (auf $ 11,7 Mrd.). UBS und Deutsche Bank geben ein 12-Monatskursziel von $ 19 und glauben, dass die gegenwärtigen Konjunkturbedingungen bereits in den Titel eingepreist sind. Lehman Brothers setzt das Kursziel bei $ 21 an.
DEUTSCHLAND
MG Technologies Ergebnisse keine Überraschung
Die Zahlen für das dritte Quartal bei MG Technologies lagen im Rahmen der Analystenerwartungen. Die Bankgesellschaft Berlin jedenfalls konnte keine wesentlichen Überraschungen feststellen. Eine leichte Abschwächung der Geschäftsdynamik sei zu erkennen gewesen, durch die gute Entwicklung bei der GEA und die Reduzierung des Defizits im Großanlagenbau seien die Unternehmensziele für das laufende Geschäftsjahr aber weitgehend abgesichert.
MG Technologies gab für das kommende Geschäftsjahr keine Prognose ab. Die Bankgesellschaft hat ihre Gewinnschätzungen für 2001/02 der Konjunkturlage und dem verhaltenen Ausblick des Unternehmens selbst angepasst. Die neuen Schätzungen lauten: € 1,13 für 2001, € 1,10 für 2002 und € 1,16 für 2003.
Die Deutsche Bank bewertet MG mit "Market Perform" und HSBC Trinkhaus & Burkhardt empfiehlt "Hinzufügen". Bei beiden Bankhäusern stimmten MG Technologies' Ergebnisse mit den Erwartungen überein. Sollte es zu keiner wesentlichen Entwicklung nach unten kommen, hält das Unternehmen seine Prognose eines moderaten Umsatzwachstums ein.
Eine "Buy"-Empfehlung bekommt MG nur von der BHF Bank, die ihre Gewinnschätzungen je Aktie für 2001 von € 1,27 auf € 1,19 gesenkt hat und für 2002 von € 1,40 auf € 1,33. Kursziel der Analysten hier: € 16.
FRANKREICH
Heraufstufung für Unilog
Im zweiten Quartal konnte Unilog seinen Umsatz in Frankreich und Deutschland um jeweils 26,8% und 25% steigern ? das ist eine der besten Leistungen im Sektor, so die Analysten bei HSBC. Das organische Wachstum betrug 29,4%, wobei sich das französische Geschäft besonders dynamisch entwickelte (Anstieg um 33,4%). Deutschland sah eine Verlangsamung der Umsatzentwicklung (Anstieg um 14,3%), HSBC belässt seine konservativen Schätzungen für die Jahresentwicklung hier bei 10-15%.
HSBC nennt die Ergebnisse "beeindruckend", besonders da das Wachstum organisch und nicht durch Akquisitionen erzielt wurde. Die Analysten sehen das Unternehmen als gut gerüstet für die konjunkturelle Verlangsamung. HSBC hat Unilog von "Hinzufügen" auf "Kaufen" heraufgestuft und nennt die Aktie einen ihrer bevorzugten IT-Service Werte. Das Kursziel hoben die Analysten von € 90 auf € 95 an.
Dresdner Kleinwort Wasserstein belässt seine Empfehlung bei "Hinzufügen" und gibt als Kursziel € 85 an. Für 2001 rechnen die Analysten hier mit Umsätzen von € 595,5 Mio. (zuvor € 601) und Gewinnen je Aktie von &3,26 (zuvor € 3,27).
Im Artikel erwähnte Firmen
Azlan, Cisco, Accenture, Microsoft, Oracle, SAP, Siebel, Peoplesoft, i2, MG Technologies, Unilog