T-Aktie ist nicht mehr zu halten
Die Deutsche Bank steht am Pranger. Erst jubelte sie mit einer Studie die Kurse hoch. Dann verkaufte sie am nächsten Tag 44 Millionen Telekom-Aktien. Jetzt befürchten Analysten weitere Kursverluste
Auf die Konzernzentrale kommen düstere Zeiten zu
Von Holger Zschäpitz und
Henning Kruse
Berlin - Bei der T-Aktie gibt es kein Halten mehr. Am Mittwoch rutschte die Volksaktie in der Spitze über sieben Prozent auf den tiefsten Stand seit Oktober 1998 und zog auch das deutsche Standardbarometer Dax in die Tiefe. Allein die Hälfte der 100 Minuspunkte ging auf das Konto des Bonner Ex-Monopolisten. Der kapitale Absturz hat auch den Branchenprimus Deutsche Bank ins Schussfeld gebracht. Fondsmanager kritisieren vor allem das Geschäftsgebaren beim Verkauf eines großen Paketes von T-Papieren am Dienstag. Dies wurde als Auslöser für den erneuten Einbruch gewertet. "Das Vertrauen in die T-Aktie ist jetzt endgültig hin", meint ein Fondsmanager, der ungenannt bleiben wollte.
Die Hauptschuld trägt in den Augen vieler Profi-Investoren die Frankfurter Großbank. Die Deutsch-Banker hatten im Auftrag eines großen Kunden 44 Millionen Aktien auf den Markt geworfen. Das Pikante daran: Erst am Freitag nach Börsenschluss hatten die hauseigenen Analysten eine neue Kauf-Studie veröffentlicht. Als Kurziel bis zum Jahresende wurde dabei die Marke von 31 Euro genannt.
Die Studie zeigte zum Wochenstart ihre Wirkung: Am Montag konnte sich die Telekom mit einem Plus von 1,7 Prozent gegen den negativen Markttrend behaupten. Marktbeobachter vermuten, dass die Deutsche Bank ihre Studie nicht ganz uneigennützig erstellte. Vielmehr sei es ihr darum gegangen, ein gutes Klima für den Verkauf des Riesen-Paketes von T-Aktien zu schaffen. "Die Abfolge von Kaufstudie und Aktien-Platzierung ist mehr als fragwürdig. Nur so war es möglich, die Aktie zu 23,60 Euro an den Markt zu bringen", meint ein Händler.
Mit dem Geschäft verlor die Kaufstudie, die viele Börsianer sowieso nur als Aufguss eines früheren Analystenwerkes werteten, ihre Glaubwürdigkeit, und der Kurs war nicht länger zu halten: Als die Aktie unter das bisherige Jahrestief von 23 Euro sackte, zogen viele Investoren die Reißleine. Gerade auch diejenigen Anleger, die erst am Vortag T-Aktien ins Depot gelegt bekamen, verabschiedeten sich reihenweise. "Keiner kann sich starke Verluste erlauben. Dann geht man lieber schnell wieder raus", sagt ein Händler.
Fondsmanager sehen in der Deutschen-Bank-Aktion ein böses Omen für weitere Platzierungen von T-Aktien. Und die dürften kommen: Denn die Telekom hat die Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream zu einem Großteil mit eigenen Aktien bezahlt. Von den insgesamt 1,7 Milliarden neuen T-Aktien könnten ab September 232 Millionen Aktien auf den Markt schwemmen und den Kurs weiter unter Druck bringen. "Wenn der erste Deal mit gerade einmal 44 Millionen Stück schon so schlecht gelaufen ist, wie soll es dann bei den nächsten Runden laufen", fragt ein Fondsmanager. Er macht die Deutsche Bank für die Kursverluste verantwortlich. "Das Verhalten missbilligen wir aufs Schärfste, und wir werden bei der Deutschen Bank auf informeller Ebene vorsprechen", sagt der Manager einer großen deutschen Investmentgesellschaft.
Der lukrative Deal vom Dienstag könnte zum Bumerang für den deutschen Branchenführer werden. "Der Bank fehlt offensichtlich die Sensibilität für die politische Bedeutung dieser Angelegenheit", kommentiert Klaus Breil, Fondsmanager von der Adig. Gleich mehrere Kunden könnten nach Ansicht von Börsianern vergrätzt sein. Da wäre der langjährige Klient Deutsche Telekom. "Der Bonner Konzern hat den Investoren versprochen, den Rückfluss von Aktien ehemaliger Voicestream-Anteilseigner behutsam zu managen. Davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein", meint Josef Scarfone von Frankfurt Trust. Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel dürfte wenig erfreut über die Platzierungskünste der Deutschen Bank sein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund so schnell noch einmal auf die Deutsche Bank zukommt, wenn er sich von weiteren Anteilen an der Telekom trennen will", sagt Adig-Manager Breil. Aber auch Millionen von privaten Anlegern dürften weiteres Vertrauen in die Finanzbranche verloren haben.
Dazu trägt auch die Uneinigkeit der Analysten der einzelnen Bankhäuser bei. Während Joeri Sels von Julius Bär die Aktie als starken Kauf mit Kursziel 40 Euro empfiehlt, hat Merrill Lynch gestern die Aktie auf "Reduzieren" mit Kursziel 18 Euro gestuft.
Quelle: DIE WELT 9.8.01
Die Deutsche Bank steht am Pranger. Erst jubelte sie mit einer Studie die Kurse hoch. Dann verkaufte sie am nächsten Tag 44 Millionen Telekom-Aktien. Jetzt befürchten Analysten weitere Kursverluste
Auf die Konzernzentrale kommen düstere Zeiten zu
Von Holger Zschäpitz und
Henning Kruse
Berlin - Bei der T-Aktie gibt es kein Halten mehr. Am Mittwoch rutschte die Volksaktie in der Spitze über sieben Prozent auf den tiefsten Stand seit Oktober 1998 und zog auch das deutsche Standardbarometer Dax in die Tiefe. Allein die Hälfte der 100 Minuspunkte ging auf das Konto des Bonner Ex-Monopolisten. Der kapitale Absturz hat auch den Branchenprimus Deutsche Bank ins Schussfeld gebracht. Fondsmanager kritisieren vor allem das Geschäftsgebaren beim Verkauf eines großen Paketes von T-Papieren am Dienstag. Dies wurde als Auslöser für den erneuten Einbruch gewertet. "Das Vertrauen in die T-Aktie ist jetzt endgültig hin", meint ein Fondsmanager, der ungenannt bleiben wollte.
Die Hauptschuld trägt in den Augen vieler Profi-Investoren die Frankfurter Großbank. Die Deutsch-Banker hatten im Auftrag eines großen Kunden 44 Millionen Aktien auf den Markt geworfen. Das Pikante daran: Erst am Freitag nach Börsenschluss hatten die hauseigenen Analysten eine neue Kauf-Studie veröffentlicht. Als Kurziel bis zum Jahresende wurde dabei die Marke von 31 Euro genannt.
Die Studie zeigte zum Wochenstart ihre Wirkung: Am Montag konnte sich die Telekom mit einem Plus von 1,7 Prozent gegen den negativen Markttrend behaupten. Marktbeobachter vermuten, dass die Deutsche Bank ihre Studie nicht ganz uneigennützig erstellte. Vielmehr sei es ihr darum gegangen, ein gutes Klima für den Verkauf des Riesen-Paketes von T-Aktien zu schaffen. "Die Abfolge von Kaufstudie und Aktien-Platzierung ist mehr als fragwürdig. Nur so war es möglich, die Aktie zu 23,60 Euro an den Markt zu bringen", meint ein Händler.
Mit dem Geschäft verlor die Kaufstudie, die viele Börsianer sowieso nur als Aufguss eines früheren Analystenwerkes werteten, ihre Glaubwürdigkeit, und der Kurs war nicht länger zu halten: Als die Aktie unter das bisherige Jahrestief von 23 Euro sackte, zogen viele Investoren die Reißleine. Gerade auch diejenigen Anleger, die erst am Vortag T-Aktien ins Depot gelegt bekamen, verabschiedeten sich reihenweise. "Keiner kann sich starke Verluste erlauben. Dann geht man lieber schnell wieder raus", sagt ein Händler.
Fondsmanager sehen in der Deutschen-Bank-Aktion ein böses Omen für weitere Platzierungen von T-Aktien. Und die dürften kommen: Denn die Telekom hat die Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream zu einem Großteil mit eigenen Aktien bezahlt. Von den insgesamt 1,7 Milliarden neuen T-Aktien könnten ab September 232 Millionen Aktien auf den Markt schwemmen und den Kurs weiter unter Druck bringen. "Wenn der erste Deal mit gerade einmal 44 Millionen Stück schon so schlecht gelaufen ist, wie soll es dann bei den nächsten Runden laufen", fragt ein Fondsmanager. Er macht die Deutsche Bank für die Kursverluste verantwortlich. "Das Verhalten missbilligen wir aufs Schärfste, und wir werden bei der Deutschen Bank auf informeller Ebene vorsprechen", sagt der Manager einer großen deutschen Investmentgesellschaft.
Der lukrative Deal vom Dienstag könnte zum Bumerang für den deutschen Branchenführer werden. "Der Bank fehlt offensichtlich die Sensibilität für die politische Bedeutung dieser Angelegenheit", kommentiert Klaus Breil, Fondsmanager von der Adig. Gleich mehrere Kunden könnten nach Ansicht von Börsianern vergrätzt sein. Da wäre der langjährige Klient Deutsche Telekom. "Der Bonner Konzern hat den Investoren versprochen, den Rückfluss von Aktien ehemaliger Voicestream-Anteilseigner behutsam zu managen. Davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein", meint Josef Scarfone von Frankfurt Trust. Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel dürfte wenig erfreut über die Platzierungskünste der Deutschen Bank sein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund so schnell noch einmal auf die Deutsche Bank zukommt, wenn er sich von weiteren Anteilen an der Telekom trennen will", sagt Adig-Manager Breil. Aber auch Millionen von privaten Anlegern dürften weiteres Vertrauen in die Finanzbranche verloren haben.
Dazu trägt auch die Uneinigkeit der Analysten der einzelnen Bankhäuser bei. Während Joeri Sels von Julius Bär die Aktie als starken Kauf mit Kursziel 40 Euro empfiehlt, hat Merrill Lynch gestern die Aktie auf "Reduzieren" mit Kursziel 18 Euro gestuft.
Quelle: DIE WELT 9.8.01