UNION ZUR FLUTFINANZIERUNG
Von Markus Deggerich
Nach einem mehrtägigen Schlingerkurs versucht die Union bei der Finanzierzung der Flutschäden nun aus der Defensive zu kommen. In der Stunde der Not will die Stoiber-Crew nicht blockieren. Und plötzlich sollen die Kapitalgesellschaften ungeschoren bleiben, das Gerechtigkeitsproblem sieht Stoiber nicht mehr.
Berlin - Stoiber braucht Stützen. Links neben ihm steht der Steuerexperte und Fraktionschef Friedrich Merz, rechts die Parteichefin und Ost-Frau Angela Merkel. Mehrere Tage brauchte die Union, um sich intern auf ein Konzept und eine Sprachregelung zur Finanzierung der Flutschäden zu verständigen. Das flutpolitische Dreigestirn der Union gab am Donnerstag den Tenor vor, mit dem sie versuchen ihr Dilemma zu lösen. Angesichts der Katastrophe kann es sich die Volkspartei nicht leisten, zu laut meckern oder gar zu blockieren. Andererseits will sie die Regierung nicht loben für ihr Krisenmanagement. So entsteht ein zögerliches "Ja, äh, aber".
Das Trio sagte nun mit verschiedenen Worten dasselbe und wirft dabei Ideen über Bord, die zumindest Merkel und Merz vor zwei Tagen noch ganz wichtig fanden: Die von Rot-Grün geplante Verschiebung der Steuerreform zur Finanzierung der Hochwasserhilfe wollte man nur mittragen, wenn gleichzeitig auch Kapitalgesellschaften höher besteuert würden.
Das will nun keiner so gemeint haben. "Wir haben nie eine Steuererhöhung gefordert", versuchte Merz die Rolle rückwärts. Doch Merkel hatte noch am Dienstag die Kapitalgesellschaften im Visier: "Es leuchtet ja wohl jedem ein, dass Handwerk und die Einzelpersonen nicht die ganze Last tragen können." Der Vorschlag der Bundesregierung sei unausgewogen und sozial ungerecht. "Alle Körperschaftssteuerzahler, also zum Beispiel die Kapitalgesellschaften, würden sich dann an dieser nationalen Kraftanstrengung nicht beteiligen", hatte sie gesagt. Vorbei, vorbei.
Auch Stoiber spricht nun vom "nationalen Kraftakt" über die Parteigrenzen hinweg. Deshalb wolle man "darüber keinen Streit mit der Bundesregierung führen." Aber: Bei einem Wahlsieg würde die Union die Verschiebung der zweiten Steuerreformstufe wieder rückgängig machen. Im Klartext: Die rot-grüne Steuerreform fortsetzen, die sie immer für untauglich und ungerecht hielten.
Stoiber will statt der Gewinne aus der geparkten Steuerreform die 7,7 Milliarden Euro aus dem Gewinn der Bundesbank des vergangenen Jahres zur Beseitigung der Flutschäden verwenden. Das Geld ist bisher per Gesetz für den Erblastentilgungsfonds vorgesehen, aus dem die Schulden aus der Nachwendezeit getilgt werden sollen. Stoiber will Schröder vorschlagen, das Haushaltsgesetz und das Gesetz zum Erblastentilgungsfonds zu ändern. Bundesfinanzminister Hans Eichel lehnte den Alternativvorschlag der Union ab. Dies sei ein "völlig unsolider und unseriöser Vorschlag". Ein solcher Schritt würde nahtlos an die alte Schuldenpolitik der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl während der 90er Jahre anknüpfen.
Finanzpolitischer Schlingerkurs
Wenn die Regierung an ihrem Konzept festhält, legt die Union sich nicht quer. Sie werde die Gesetzesänderung passieren lassen, erklärte Stoiber. Theoretisch könnte die Union die rot-grünen Pläne im Bundesrat ausbremsen, weil die unionsgeführten Länder dort die Mehrheit haben. Aber Stoiber ahnt, dass er den Streit nicht gewinnen kann. Die Ministerpräsidenten der Hochwasserländer könnten im Bundesrat nur bei Strafe ihres politischen Untergangs gegen die Finanzhilfe stimmen. Deshalb muss Stoiber zerknirscht "Ja" sagen und ein "Aber" hinterherschieben: Im Falle einer Regierungsübernahme werde die Union die "rot-grüne Steuererhöhung" rückgängig machen und ihr "besseres Konzept" durchsetzen.
Stoiber sieht nun in der Verschiebung der Steuerreform, die er immer bekämpft hat, "Gift für die Konjunktur und die Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand". Mit dem Regierungsmodell seien die Gelder erst im Laufe des Jahres 2003 in der Kasse, weil dann erst die Steuermehreinnahmen eingingen. Das sei viel zu spät für die Hochwasseropfer, argumentierte Stoiber. Zudem sei unsicher, ob die Summe wirklich zusammenkomme, weil die Steuereinnahmen konjunkturabhängig seien.
Der Kanzlerkandidat hofft, dass von dem Unions-Schlingerkurs die Botschaft ausgeht: "In der Not können wir jetzt nicht anders, aber wenn ihr uns wählt, machen wir es besser." Deshalb will er, gefesselt in der nationalen Verantwortung, auch nur ein bisschen meckern: Die von der Regierung geplanten Umschichtungen im Verkehrshaushalt und die Haushaltssperre wird die Union mittragen. Die Kapitalgesellschaften sind ganz aus der Diskussion, eine nähere Begründung lieferte die Unions-Troika nicht.
Quelle: Spiegel-Online
Von Markus Deggerich
Nach einem mehrtägigen Schlingerkurs versucht die Union bei der Finanzierzung der Flutschäden nun aus der Defensive zu kommen. In der Stunde der Not will die Stoiber-Crew nicht blockieren. Und plötzlich sollen die Kapitalgesellschaften ungeschoren bleiben, das Gerechtigkeitsproblem sieht Stoiber nicht mehr.
Berlin - Stoiber braucht Stützen. Links neben ihm steht der Steuerexperte und Fraktionschef Friedrich Merz, rechts die Parteichefin und Ost-Frau Angela Merkel. Mehrere Tage brauchte die Union, um sich intern auf ein Konzept und eine Sprachregelung zur Finanzierung der Flutschäden zu verständigen. Das flutpolitische Dreigestirn der Union gab am Donnerstag den Tenor vor, mit dem sie versuchen ihr Dilemma zu lösen. Angesichts der Katastrophe kann es sich die Volkspartei nicht leisten, zu laut meckern oder gar zu blockieren. Andererseits will sie die Regierung nicht loben für ihr Krisenmanagement. So entsteht ein zögerliches "Ja, äh, aber".
Das Trio sagte nun mit verschiedenen Worten dasselbe und wirft dabei Ideen über Bord, die zumindest Merkel und Merz vor zwei Tagen noch ganz wichtig fanden: Die von Rot-Grün geplante Verschiebung der Steuerreform zur Finanzierung der Hochwasserhilfe wollte man nur mittragen, wenn gleichzeitig auch Kapitalgesellschaften höher besteuert würden.
Das will nun keiner so gemeint haben. "Wir haben nie eine Steuererhöhung gefordert", versuchte Merz die Rolle rückwärts. Doch Merkel hatte noch am Dienstag die Kapitalgesellschaften im Visier: "Es leuchtet ja wohl jedem ein, dass Handwerk und die Einzelpersonen nicht die ganze Last tragen können." Der Vorschlag der Bundesregierung sei unausgewogen und sozial ungerecht. "Alle Körperschaftssteuerzahler, also zum Beispiel die Kapitalgesellschaften, würden sich dann an dieser nationalen Kraftanstrengung nicht beteiligen", hatte sie gesagt. Vorbei, vorbei.
Auch Stoiber spricht nun vom "nationalen Kraftakt" über die Parteigrenzen hinweg. Deshalb wolle man "darüber keinen Streit mit der Bundesregierung führen." Aber: Bei einem Wahlsieg würde die Union die Verschiebung der zweiten Steuerreformstufe wieder rückgängig machen. Im Klartext: Die rot-grüne Steuerreform fortsetzen, die sie immer für untauglich und ungerecht hielten.
Stoiber will statt der Gewinne aus der geparkten Steuerreform die 7,7 Milliarden Euro aus dem Gewinn der Bundesbank des vergangenen Jahres zur Beseitigung der Flutschäden verwenden. Das Geld ist bisher per Gesetz für den Erblastentilgungsfonds vorgesehen, aus dem die Schulden aus der Nachwendezeit getilgt werden sollen. Stoiber will Schröder vorschlagen, das Haushaltsgesetz und das Gesetz zum Erblastentilgungsfonds zu ändern. Bundesfinanzminister Hans Eichel lehnte den Alternativvorschlag der Union ab. Dies sei ein "völlig unsolider und unseriöser Vorschlag". Ein solcher Schritt würde nahtlos an die alte Schuldenpolitik der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl während der 90er Jahre anknüpfen.
Finanzpolitischer Schlingerkurs
Wenn die Regierung an ihrem Konzept festhält, legt die Union sich nicht quer. Sie werde die Gesetzesänderung passieren lassen, erklärte Stoiber. Theoretisch könnte die Union die rot-grünen Pläne im Bundesrat ausbremsen, weil die unionsgeführten Länder dort die Mehrheit haben. Aber Stoiber ahnt, dass er den Streit nicht gewinnen kann. Die Ministerpräsidenten der Hochwasserländer könnten im Bundesrat nur bei Strafe ihres politischen Untergangs gegen die Finanzhilfe stimmen. Deshalb muss Stoiber zerknirscht "Ja" sagen und ein "Aber" hinterherschieben: Im Falle einer Regierungsübernahme werde die Union die "rot-grüne Steuererhöhung" rückgängig machen und ihr "besseres Konzept" durchsetzen.
Stoiber sieht nun in der Verschiebung der Steuerreform, die er immer bekämpft hat, "Gift für die Konjunktur und die Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand". Mit dem Regierungsmodell seien die Gelder erst im Laufe des Jahres 2003 in der Kasse, weil dann erst die Steuermehreinnahmen eingingen. Das sei viel zu spät für die Hochwasseropfer, argumentierte Stoiber. Zudem sei unsicher, ob die Summe wirklich zusammenkomme, weil die Steuereinnahmen konjunkturabhängig seien.
Der Kanzlerkandidat hofft, dass von dem Unions-Schlingerkurs die Botschaft ausgeht: "In der Not können wir jetzt nicht anders, aber wenn ihr uns wählt, machen wir es besser." Deshalb will er, gefesselt in der nationalen Verantwortung, auch nur ein bisschen meckern: Die von der Regierung geplanten Umschichtungen im Verkehrshaushalt und die Haushaltssperre wird die Union mittragen. Die Kapitalgesellschaften sind ganz aus der Diskussion, eine nähere Begründung lieferte die Unions-Troika nicht.
Quelle: Spiegel-Online