Ö K O N O M
Steht Japans Wirtschaft vor dem Absturz?
Von Uwe Jean Heuser
Der japanischen Volkswirtschaft geht es schlecht. Der schwache Aufschwung ist schon wieder dahin, die Wachstumsprognose von 1,5 Prozent für 2001 Makulatur. Die Verbraucher sind depressiver Stimmung, die Unternehmer schließen sich an. Der Börsenindex Nikkei ist nahe dem Dekadentiefpunkt von 1998 angelangt.
Eigentlich ist das die Zeit der Zentralbanker und Finanzminister. Die einen senken Zinsen, damit Investitionen billiger zu finanzieren sind, die anderen ziehen die Spendierhosen an, um der Nachfrage aufzuhelfen. In Japan haben beide Wohltäter nichts zu bieten. Der Leitzins beträgt 0,25 Prozent - was will man da groß kürzen? Und die japanische Regierung hatte schon alle Schleusen geöffnet. Ein Konjunkturprogramm jagte das nächste, im Jahr 2000 allein verschuldete sich der Staat mit rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Heute machen seine Gesamtschulden mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus - ohne Bürgschaften für Banken oder Bahn. Zum Vergleich: Deutschland gilt mit rund 60 Prozent schon als hoch verschuldet.
Kraft bezog die japanische Wirtschaft zuletzt aus dem High-Tech-Boom. Vor allem in den Vereinigten Staaten fanden die Exporteure ihre Abnehmer. Nun ist der Boom erst einmal vorbei, Amerikas Konjunktur ist abgeflaut, und die Gewinnerwartungen der japanischen Industrie gehen zurück.
Zudem sitzen japanische Banken auf mehr als einer halben Billion Mark an Krediten, deren Bedienung gefährdet ist. Eine Billion hatten sie schon abgeschrieben. Aber das war eben nur ein Teil, und nun kommen im Abschwung neue Ausfälle hinzu. Immer noch leidet die Finanzwirtschaft unter dem Modell der Japan AG: Sparer legen ihr Geld zu geringen Zinsen an, und die Banken verleihen es billig und großzügig an die heimischen Unternehmen. Vielfach dienten Aktien und Immobilien als Sicherheit, und deren Preise haben sich in den neunziger Jahren auf ein Drittel respektive ein Zehntel reduziert.
Japan müsste aufhören, marode Banken zu unterstützen und große Teile der Wirtschaft gegen Wettbewerb zu schützen. Doch das sagt sich so leicht in einem Land, in dem die Bürger gewohnt sind, dass Staat und Unternehmen sich um sie kümmern. Erst einmal will die Regierung nun den Aktienmarkt stützen, damit die Bankenkrise nicht zum Finanzcrash wird. Aber ob sie nun Firmen gestattet, eigene Aktien zu kaufen, oder selbst am Markt einsteigt - das Ganze ist eine kurzfristige Reaktion auf ein langfristiges Problem.
Und der Rest der Welt? Der Yen-Kurs fällt bereits. Die Tokyoter Regierung hat nichts dagegen, weil das einerseits Ausfuhren verbilligt und Japan andererseits so gut wie keine Auslandsschulden hat. Für Exporteure in anderen asiatischen Ländern wird das Leben schwerer. Werten deswegen auch die Südostasiaten ab, setzen westliche Unternehmen in Asien weniger ab.
Eine weitere Gefahr: Japaner haben über zwei Billionen Mark im Ausland angelegt - Kredite, Aktien, Direktinvestitionen. Ein heimischer Krach könnte dazu führen, dass viele von ihnen ihr Geld zurückholen.
Noch blicken die meisten Skeptiker nach Westen, in die USA. Dabei kann derzeit vor allem ein Land die Weltwirtschaft erschüttern. Und das liegt in Fernost.
(c) DIE ZEIT 04/2001
gruß
proxi
Steht Japans Wirtschaft vor dem Absturz?
Von Uwe Jean Heuser
Der japanischen Volkswirtschaft geht es schlecht. Der schwache Aufschwung ist schon wieder dahin, die Wachstumsprognose von 1,5 Prozent für 2001 Makulatur. Die Verbraucher sind depressiver Stimmung, die Unternehmer schließen sich an. Der Börsenindex Nikkei ist nahe dem Dekadentiefpunkt von 1998 angelangt.
Eigentlich ist das die Zeit der Zentralbanker und Finanzminister. Die einen senken Zinsen, damit Investitionen billiger zu finanzieren sind, die anderen ziehen die Spendierhosen an, um der Nachfrage aufzuhelfen. In Japan haben beide Wohltäter nichts zu bieten. Der Leitzins beträgt 0,25 Prozent - was will man da groß kürzen? Und die japanische Regierung hatte schon alle Schleusen geöffnet. Ein Konjunkturprogramm jagte das nächste, im Jahr 2000 allein verschuldete sich der Staat mit rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Heute machen seine Gesamtschulden mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus - ohne Bürgschaften für Banken oder Bahn. Zum Vergleich: Deutschland gilt mit rund 60 Prozent schon als hoch verschuldet.
Kraft bezog die japanische Wirtschaft zuletzt aus dem High-Tech-Boom. Vor allem in den Vereinigten Staaten fanden die Exporteure ihre Abnehmer. Nun ist der Boom erst einmal vorbei, Amerikas Konjunktur ist abgeflaut, und die Gewinnerwartungen der japanischen Industrie gehen zurück.
Zudem sitzen japanische Banken auf mehr als einer halben Billion Mark an Krediten, deren Bedienung gefährdet ist. Eine Billion hatten sie schon abgeschrieben. Aber das war eben nur ein Teil, und nun kommen im Abschwung neue Ausfälle hinzu. Immer noch leidet die Finanzwirtschaft unter dem Modell der Japan AG: Sparer legen ihr Geld zu geringen Zinsen an, und die Banken verleihen es billig und großzügig an die heimischen Unternehmen. Vielfach dienten Aktien und Immobilien als Sicherheit, und deren Preise haben sich in den neunziger Jahren auf ein Drittel respektive ein Zehntel reduziert.
Japan müsste aufhören, marode Banken zu unterstützen und große Teile der Wirtschaft gegen Wettbewerb zu schützen. Doch das sagt sich so leicht in einem Land, in dem die Bürger gewohnt sind, dass Staat und Unternehmen sich um sie kümmern. Erst einmal will die Regierung nun den Aktienmarkt stützen, damit die Bankenkrise nicht zum Finanzcrash wird. Aber ob sie nun Firmen gestattet, eigene Aktien zu kaufen, oder selbst am Markt einsteigt - das Ganze ist eine kurzfristige Reaktion auf ein langfristiges Problem.
Und der Rest der Welt? Der Yen-Kurs fällt bereits. Die Tokyoter Regierung hat nichts dagegen, weil das einerseits Ausfuhren verbilligt und Japan andererseits so gut wie keine Auslandsschulden hat. Für Exporteure in anderen asiatischen Ländern wird das Leben schwerer. Werten deswegen auch die Südostasiaten ab, setzen westliche Unternehmen in Asien weniger ab.
Eine weitere Gefahr: Japaner haben über zwei Billionen Mark im Ausland angelegt - Kredite, Aktien, Direktinvestitionen. Ein heimischer Krach könnte dazu führen, dass viele von ihnen ihr Geld zurückholen.
Noch blicken die meisten Skeptiker nach Westen, in die USA. Dabei kann derzeit vor allem ein Land die Weltwirtschaft erschüttern. Und das liegt in Fernost.
(c) DIE ZEIT 04/2001
gruß
proxi