Klärung von Begriffen |
Gesamt- verschuldung | Die Summe der in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt aufgelaufenen Schulden | |
Neu- verschuldung | Der Betrag, der in einem Haushaltsjahr an neuen Schulden aufgenommen wird. Um diesen erhöht sich die Gesamtverschuldung. | |
Netto- kreditaufnahme | hat dieselbe Höhe wie die Neuverschuldung. Dagegen umfasst die Bruttokreditaufnahme diesen Betrag plus die Schulden, die aufgenommen wurden, um alte Schulden abzulösen. | |
Defizit | Dieser Begriff ist gefährlich, denn er wird oft falsch oder missverständlich benutzt. Defizit ist der Betrag, um den in einem Haushaltsjahr die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. In der Zeitung steht: "Das Defizit wurde im laufenden Jahr abgebaut." Das bedeutet: "Im laufenden Jahr gab der Staat mehr aus, als er einnahm. Letztes Jahr war es noch schlimmer. Der Schuldenberg wuchs in beiden Jahren." Viele missverstehen das als "Die Gesamtverschuldung wurde verringert." | |
Zins | Der Preis, den der Staat dafür zahlt, dass ihm Geld geliehen wird | |
Tilgung | Rückzahlung des geliehenen Kapitals | |
Umschuldung | Neuaufnahme eines Darlehens, um eine alte Schuld zu begleichen. Seit 1965 hat unser Staat nie getilgt, immer nur umgeschuldet! | |
Primärsaldo | Der Saldo von Staatseinnahmen und primären Staatsausgaben, das sind die Ausgaben des Staates ohne Zinsen. Der Begriff ist hilfreich bei der langfristigen Analyse der Staatsverschuldung: In welchen Jahren wurde Haushaltsdisziplin geübt, in welchen nicht? | |
Primär- überschuss | Die Staatseinnahmen sind höher als die eigentlichen Staatsausgaben. Das ist schmerzhaft für die Bürger, denn ein Teil der von ihnen gezahlten Steuern wird für Zinsen für alte Schulden verbraucht. Für die Gesundung der Staatsfinanzen ist dies jedoch unumgänglich. | |
Primärdefizit | Die Staatseinnahmen sind niedriger als die eigentlichen Staatsausgaben. Der Staat macht also neue Schulden für die Ausgaben dieses Jahres. Darüber hinaus bezahlt er sämtliche Zinsen für die alten Schulden mit neuen Schulden! Das ist bequem für uns Bürger, weil uns Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen erspart bleiben. Es ist aber ein süßes Gift, denn in Primärdefizit-Phasen steigen die Schulden, ohne dass wir es in unserer Tasche spüren! |
Welche Höhe hat die Staatsverschuldung gegenwärtig? |
Auch im Jahre 2002 haben die Staatsausgaben die Staatseinnahmen bei weitem überstiegen. Es wurden neue Schulden aufgenommen, und es war ein wesentlicher Anteil der Staatsausgaben, der auf diese Weise finanziert wurde. Endabrechnung 2002 laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts: Staatseinnahmen 921 Mrd. EUR Staatsausgaben -987 Mrd. EUR ------------------------------ Fehlbetrag -66 Mrd. EUR (=Neuverschuldung) | |
Die Finanzpolitik strebt an, in einigen Jahren die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres ins Gleichgewicht zu bringen ("ausgeglichener Haushalt", "Neuverschuldung Null"). Die obigen Zahlen machen deutlich, wie gewaltig die Steuererhöhungen und/oder Sparmaßnahmen sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen. | |
Ende 2002 hat die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland eine Höhe von 1240 Milliarden EUR erreicht (1,24 Billionen EUR). Das sind etwa 15.000 EUR pro Kopf der Bevölkerung, vom Säugling bis zum Greis. | |
Diese Gesamtverschuldung zieht eine gewaltige Zinslast nach sich. Unser Staat gab 2002 jeden siebten Steuer-Euro für Zinsen aus! Ohne diese Last könnten also Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer usw. jeweils um 1/7 niedriger sein. |
Stand: März 2003 |
Bund, Länder, Gemeinden |
Es gibt nicht den einen deutschen Staatshaushalt, sondern es gibt Tausende von Einzelhaushalten: Der Bund, die 16 Bundesländer, die kommunalen Körperschaften (Gemeinden, Kreise, kreisfreie Städte, Zweckverbände usw.) - sie alle haben ihre eigenen Haushalte. Schulden haben sie im Laufe der Jahrzehnte alle aufgetürmt, nur einzelne Gemeinden sind schuldenfrei. Wenn in der Zeitung oder im Fernsehen Zahlen genannt werden, ist meist nur der Bund gemeint. Denn Zahlen, die alle öffentlichen Haushalte umfassen, sind für Journalisten schwer zu beschaffen. Sie müssen erst mühsam vom Statistischen Bundesamt zusammengerechnet werden. Das dauert Monate, teilweise Jahre (darum kann diese Website immer nur mit entsprechender Verzögerung aktualisiert werden). Es entfallen auf den Bund 64% der Staatsverschuldung, auf die Länder 28% und auf die Gemeinden 8%. Innerhalb der Länder gibt es enorme Unterschiede. Am niedrigsten ist die Verschuldung in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen (ca. 3000 EUR pro Einwohner), die meisten Bundesländer liegen bei 5000 bis 6000 EUR pro Einwohner, besonders hoch verschuldet sind das Saarland (7500 EUR) und die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen (10.000 bis 12.000 EUR). |
Stand: November 2002 |
Ist die Staatsverschuldung heute höher als früher? |
Die Zeitreihen des Statistischen Bundesamts zur Verschuldung reichen bis 1955 zurück. In sämtlichen Jahren ist die Verschuldung immer nur gestiegen, und zwar von damals 11 Mrd. EUR auf heute 1195 Mrd. EUR . Nie wurde getilgt, immer nur umgeschuldet und neue Schuld aufgenommen! Insbesondere nach der Ölkrise und nach der Wiedervereinigung stiegen die Schulden auf bis dahin nicht gekannte Weise. | ||||||||||
Die Staatsverschuldung läuft dem Wirtschaftswachstum davon. Das Bruttoinlandsprodukt ist ab 1968 dokumentiert. Wie sich aus der Grafik ergibt, ist es seit 1968 auf das 7-Fache gestiegen, die Gesamtverschuldung aber auf das 19-Fache! | ||||||||||
Früher wurde investiert. Heute werden Zinsen gezahlt. Die Qualität der Neuverschuldung hat sich völlig verändert. Bis in die 80er Jahre hinein machte der Staat neue Schulden, um Straßen, Krankenhäuser, Altersheime zu bauen. Heute macht er neue Schulden, um die Zinsen von den alten Schulden zu bezahlen! Das zeigt anschaulich ein Bild der Jahre 1980 und 2000.
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Die Gläubiger: Wer leiht dem Staat soviel Geld? |
Es gibt eine offizielle Statistik der Bundesbank über die Gläubiger. Insbesondere die Banken finanzieren die deutsche Staatsverschuldung. Daneben sind es Lebensversicherungen, die die Beiträge der Versicherungsnehmer in Staatsanleihen anlegen. Aber auch Privatleute und Firmen erwerben Bundesschatzbriefe, kommunale Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere, die der Staat ausgibt. Diese Papiere werden auf dem Rentenmarkt gehandelt. Dieser ist für den Staat von ungeheurer Bedeutung. Denn der Staat tilgt nicht wirklich, er schuldet immer nur um: Woche für Woche zahlt er Anleihen in Milliardenhöhe zurück und muss dafür sofort neue Anleihen aufnehmen. Wenn die Gläubiger das Vertrauen verlieren, dass alles pünktlich zurückgezahlt wird, werden sie neue Anleihen nicht zeichnen: Dem Staat ginge binnen Wochen das Geld aus; die Gehälter im öffentlichen Dienst, die Renten, die Sozialhilfe, alles könnte nicht mehr vollständig und pünktlich bezahlt werden. |
Falsche Finanzpolitik |
Die Ursachen der Staatsverschuldung sind banal und von jedem Laien zu verstehen. |
Die grundlegende Ursache der Staatsverschuldung ist, dass der Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Dabei gilt für den Staat wie für jedes Unternehmen und jeden Privathaushalt: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nicht übersteigen. Immer wieder werden Ausgaben allein deshalb getätigt, weil sie "notwendig" sind. Weitere Voraussetzung ist aber, dass der Staat sie aus seinen Einnahmen bezahlen kann! Wenn sie dennoch auf Kredit vorgenommen werden, muss der Staat sie trotzdem bezahlen, nur später und mit Zins und Zinseszins. | |
Die zweite Ursache besteht darin, dass seit Jahrzehnten nie getilgt wurde. Unternehmen und Privatleute machen auch Schulden, aber entweder tilgen sie diese, oder sie kommen in dieselben Schwierigkeiten wie jetzt der Staat. - Eine verhängnisvolle Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Grundgesetz-Vorschrift, nach der eine Neuverschuldung bis zur Höhe der Investitionen erlaubt ist. | |
Der dritte wesentliche Faktor ist der Zinseszinseffekt. Wenn eine Schuld nicht bedient wird, laufen außer den Zinsen auch Zinsen von den Zinsen in gewaltiger Höhe auf. Wenn eine Schuld von 100 EUR mit 7% verzinst und nie bedient wird, werden daraus in 50 Jahren 2950 EUR und in 137 Jahren 1 Mio. EUR! |
Untätigkeit der Bürger |
Es ist zu kurz gesprungen, nur mit dem Finger auf die Finanzpolitiker zu zeigen. Wo liegen unsere eigenen Beiträge? |
Wir Bürger unterschätzen die Bedrohung. Auf die Frage: "Welche politischen Aufgaben halten Sie für besonders wichtig?" werden Arbeitslosigkeit, Renten, Gesundheitswesen und andere Themen angesprochen. Das Schuldenproblem taucht unter den ersten 10 nicht auf (Meinungsumfrage SPIEGEL 2001, Heft 19). Dabei können die unmäßigen Schulden allein es dem Staat unmöglich machen, all die genannten Problembereiche anzupacken. | |
Wir vertrauen blind den Experten wie z.B. dem Prof. Kromphardt, Sachverständiger der Bundesregierung. Dieser äußert im Sommer 2001: "Die Regierung darf es mit dem Konsolidierungsprozess nicht übertreiben. ... Sie sollte es gelassen hinnehmen, wenn sie in diesem Jahr mehr Schulden aufnimmt als ursprünglich geplant. Am Ziel, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, würde sich dadurch nichts ändern." So geht es seit Jahrzehnten. Die Experten haben den Wagen gegen die Wand gefahren. |
Spiralwirkung |
Auffällig oft werden im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung bildhafte Ausdrücke gebraucht: Es ist die Rede von der Schuldenfalle, einem Schneeballsystem, einer Schuldenlawine, dem alles verschlingenden Moloch Schulden, von einer Spirale, die sich immer schneller dreht usw. Selbst die Deutsche Bundesbank greift in ihrem Monatsbericht März 1997 zu einer Metapher: "Die Verschuldung nährt sich aus sich selbst heraus." Damit ist eine Entwicklung gemeint, die seit den 80er Jahren bei uns in Gang ist: Jahr für Jahr sind die Zinsen höher als die gesamte Neuverschuldung ("Primärüberschuss"). Sehr deutlich wird das beim Vergleich der Jahre 1980 und 2000. Das bedeutet: Es werden neue Schulden nicht gemacht, um Straßen zu bauen. Vielmehr werden neue Schulden aufgenommen, um die Zinsen der alten Schulden zu bezahlen. Das führt dazu, dass die Gesamtverschuldung und damit die Zinsen des nächsten Jahres noch höher sind als im laufenden Jahr. Dann werden für die Zinsen wieder neue Schulden gemacht und so weiter und so weiter... Es trifft also zu: Die Schulden sind zum Selbstzweck entartet. Unsere Staatsfinanzen stecken in einem Teufelskreis! |
Umverteilung |
Staatsverschuldung ist Umverteilung von unten nach oben. Denn bezahlt werden die Zinsen von den Steuerzahlern. Die beiden Steuern mit dem größten Aufkommen sind die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, die von den Arbeitnehmern bzw. Verbrauchern erhoben werden, also von der breiten Masse der Bevölkerung. Die Empfänger der Zinsen sind dagegen die Wohlhabenden, die ihr Vermögen in Staatsanleihen investiert haben. Die geschieht entweder direkt, oder indirekt durch von ihnen beherrschte Unternehmen, durch Investmentfonds oder durch Lebensversicherungen. Das ist ein paradoxes Ergebnis! Denn als die Schulden in den 70er, 80er und 90er Jahren aufgehäuft wurden, sollte gerade den wirtschaftlich Schwachen geholfen werden, zunächst den Arbeitslosen, später den neuen Bundesländern. |
Erblast |
Staatsverschuldung verletzt auf krasse Weise das Prinzip der Generationengerechtigkeit. "Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen" ( Bund der Steuerzahler). Wenn unser Staat heute mehr ausgibt als er einnimmt, müssen die zukünftigen Generationen dafür aufkommen. Sie finden ein Gemeinwesen vor, das durch gigantische Zinslasten geknebelt ist. Sie können das Zusammenleben im Staat in ihrer Zeit nicht frei gestalten, weil sie keinen finanziellen Spielraum haben - eine echte Erblast. Das ist in hohem Maße ungerecht gegenüber den Jüngeren und denen, die erst noch geboren werden. Wir ruinieren nicht nur unsere eigene Zukunft, sondern ihre gleich mit. Unser Handeln muss sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren: Wie bei Rohstoffverbrauch und Umweltbelastung dürfen wir keine Ressourcen angreifen, die für die Kommenden unentbehrlich sind. |
Die ungebremste Staatsverschuldung - was kann passieren? |
Aufbau der Schulden: Wenn ein Staat keine oder geringe Schulden hat, kann er jahrzehntelang Schulden aufbauen, ohne dass dies fühlbare Folgen für die Bürger hat. Außer den eigentlichen Staatsausgaben können auch die Zinsen aus neuen Schulden bezahlt werden. Die Bürger gewöhnen sich an überhöhte Staatsausgaben. Deutschland 1955-1995. | |
Reformstau: Die Zinsen können nicht mehr aus der Neuverschuldung bezahlt werden, sondern allgemeine Steuermittel werden eingesetzt. Folge sind staatliche Sparprogramme, Steuererhöhungen und härtere Verteilungskämpfe. Schwarzarbeit breitet sich aus. Reformen, die Geld kosten, unterbleiben. Wechselnde Regierungen versuchen sich an demselben Problemen. Deutschland heute. | |
Der geschwächte Staat: Finanzierungsprobleme führen dazu, dass einige Gesetze nur noch auf dem Papier stehen; dem Staat entgleitet teilweise die Kontrolle. Aus verbreiteter Schwarzarbeit entwickelt sich eine komplette Schattenwirtschaft. Zudem wird das staatliche Gewaltmonopol durch mafiose Strukturen ausgehöhlt. Italien in den 80er Jahren. | |
Finanzkrise: Die ausländischen Gläubiger der Staatsanleihen zweifeln, ob die laufenden Anleihen pünktlich und vollständig zurückgezahlt werden können. Die Zinsen schießen in die Höhe, Währung und Börsenkurse stürzen ab. Argentinien 2001/2002. | |
Wirtschaftskrise: Die Störung greift auf die private Wirtschaft über. Konkurswelle, Massenentlassungen. Deutschland Ende der 20er Jahre. | |
Staatskrise: Gigantische Einnahmeausfälle machen es dem Staat unmöglich, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Verelendung des Teils der Bevölkerung, der sein Einkommen vom Staat bezieht: Rentner, Beamte, Soldaten, Arbeitslose, die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Begünstigt werden radikale, autoritäre politische Strömungen. Zunehmende Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt nach innen und außen. Deutschland Anfang der 30er Jahre; Russland Mitte der 90er Jahre. |
Mit dieser Darstellung soll keineswegs behauptet werden, dass Staatsverschuldung geradewegs in die Staatskrise führt. Auch waren in den oben genannten historischen Situationen viele andere Faktoren beteiligt, in Russland etwa die Schwäche des Staatssozialismus. Aber Staatsverschuldung begünstigt derartige Entwicklungen |
Welche Alternativen bieten sich? |
Weiter wie bisher | Wie in den letzten Jahrzehnten wird die Gesamtverschuldung laufend erhöht, nicht mehr für Investitionen, sondern um die Zinsen zu bezahlen. Wenn wir diesen Weg gehen, wird es nur noch wenige Jahre dauern, bis wir ernste Finanzkrisen, dann den partiellen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung erleben. Das Beispiel Russland zeigt uns, dass das Unvorstellbare Wirklichkeit werden kann. | |
Totaler Kreditstopp | Es wird ab sofort kein weiterer Kredit aufgenommen. Leider haben wir diese Möglichkeit nicht. Denn jeden Monat werden Kredite in Milliardenhöhe zur Rückzahlung fällig. Sie wurden bisher immer dadurch zurückgezahlt, dass neue Kredite aufgenommen wurden (Umschuldung). Dabei geht es jährlich um mehrere Hundert Milliarden Mark. Wenn wir die Umschuldung abbrechen, hat dies innerhalb von Tagen den Finanzkollaps des Staates zur Folge: Schlagartig können die Gehälter im öffentlichen Dienst nicht mehr gezahlt und die Sozialleistungen nicht mehr erbracht werden. Die Umschuldung muss also weitergehen. | |
Neuverschuldung Null | Es wird nur noch umgeschuldet, aber kein Kredit darüber hinaus aufgenommen. Auch dies ist keine realistische Alternative. Die Steuern lassen sich nicht mehr nennenswert erhöhen. Umgekehrt haben wir in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt, wie schwer eine Kürzung der Staatsausgaben um nur 5 Mrd. EUR durchzusetzen war. Eine Regierung, die von einem Jahr auf das andere keine neuen Schulden mehr macht, wird aus dem Amt gefegt. Es käme zu öffentlichen Unruhen sowie einem Ausfall an Nachfrage, der zu schwersten Störungen in der gesamten Volkswirtschaft führt. | |
Neuverschuldung in Höhe des Wirtschaftswachstums | Die Schulden dürfen weiter steigen, aber nicht schneller, als die Wirtschaft wächst. Dies ist der Kern der Maastricht-Regeln. Das Schuldenproblem wird damit eingefroren, aber nicht gelöst. Dieser Weg ist mit zwei schweren Nachteilen verbunden: Erstens muss die Regierung sich in Zukunft prozyklisch verhalten: Ausgerechnet wenn die Wirtschaft schwach wächst oder gar schrumpft, muss sie den schärfsten Sparkurs fahren. Und zweitens bleiben die Zinslasten unerträglich hoch. | |
Neuverschuldung Null innerhalb von 1 Wahlperiode | Es wird weiter umgeschuldet, der Schuldenberg wird weiter erhöht, aber von Jahr zu Jahr weniger, bis nach einer definierten Frist (1 Wahlperiode?) die Gesamtverschuldung auf der dann erreichten Höhe eingefroren wird. Dies ist die einzige brauchbare Alternative. Tilgen können wir die Schulden nicht, aber wir müssen versuchen, die Zinslast einzufrieren. Nach sehr langer Zeit wird sie dann durch Wirtschaftswachstum und allgemeine Preissteigerungen erträglich. Nach einer Modellrechnung von Dieter Meyer stiege in einer 6-jährigen Abbremsphase die Gesamtverschuldung von 1183 auf 1259 Mrd. EUR, wo sie dann zum Stehen käme. Die USA sind diesen Weg unter dem Schlagwort vom ausgeglichenen Haushalt (balanced budget) mit durchschlagendem Erfolg gegangen. Was uns fehlt, ist eine Verfassungsregelung, die diesen Weg vorschreibt. |
Stand: Oktober 2002 |
Links/rechts: Staatsverschuldung im Parteienstreit |
Die neoliberale Position | Das Hauptproblem sind zu hohe Staatsausgaben, insbesondere im Sozialbereich. Folglich müssen die Staatsausgaben gekürzt werden: Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, andere Sozialleistungen. Parallel sollen die Steuern im Spitzenbereich gesenkt werden. Zwar verschärft sich die Staatsverschuldung dadurch zunächst, aber es werden für die Leistungsträger Anreize geschaffen, die Konjunktur verbessert sich, am Ende hat der Staat höhere Steuereinnahmen als vorher. - Der zeitweilige Erfolg der USA im Kampf gegen die Staatsverschuldung spricht für diese Auffassung. | |
Die gewerkschaftliche Position | Das Hauptproblem sind zu niedrige Staatseinnahmen. Folglich müssen die Staatseinnahmen erhöht werden: Wiedereinführung der Vermögensteuer, Erhöhung der Steuern für Besserverdienende und Großunternehmen. Parallel sollen die Steuern für Geringverdiener gesenkt werden. Zwar verschärft sich die Staatsverschuldung dadurch zunächst, aber es werden Konsumanreize geschaffen, die Konjunktur verbessert sich, am Ende hat der Staat höhere Steuereinnahmen als vorher. - Der Erfolg Dänemarks im Kampf gegen die Staatsverschuldung spricht für diese Auffassung. | |
Der Streit ist nachrangig | Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Schärfe des Problems Staatsverschuldung nur wenigen Bürgern bewusst. Daher ist vorrangig die Aufklärung: Zunächst einmal muss das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass wir ein Riesenproblem haben und dass wir es dringend lösen müssen. Wenn das erreicht ist, mag der Meinungsstreit beginnen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. |
Was können wir selbst tun? |
Am wichtigsten: Wir müssen bei uns selbst anfangen. | |
Wir müssen verstehen, was da vor sich geht. | |
Wir müssen uns insbesondere klar machen: Auch wenn die Neuverschuldung in manchen Jahren sinkt, ist das doch eine Erhöhung der Gesamtverschuldung. | |
Wir müssen unsere eigenen Ansprüche an den Staat herunterschrauben: Kindergeld, medizinische Leistungen, Renten, Arbeitslosenhilfe, Eigenheimzulage... | |
Wir müssen uns gegen Vorhaben wenden, wenn sie den Staat Geld kosten: Gegen die neue Stadthalle, den Weiterbau der Autobahn, den Erhalt von Arbeitsplätzen auf den Werften/im Bergbau/in der Landwirtschaft... Es kommt nicht darauf an, ob eine Ausgabe "notwendig" ist, sondern ob der Staat sie bezahlen kann! | |
Wir müssen Steuererhöhungen akzeptieren, wenn damit wirklich die Staatsverschuldung bekämpft wird. |
Quelle: www.staatsverschuldung.de