Staatsverschuldung (Zusammenfassung)

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Staatsverschuldung (Zusammenfassung)

 
30.05.03 13:56
Klärung von Begriffen
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Gesamt-
verschuldung
Die Summe der in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt aufgelaufenen Schulden
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Neu-
verschuldung
Der Betrag, der in einem Haushaltsjahr an neuen Schulden aufgenommen wird. Um diesen erhöht sich die Gesamtverschuldung.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Netto-
kreditaufnahme
hat dieselbe Höhe wie die Neuverschuldung. Dagegen umfasst die Bruttokreditaufnahme diesen Betrag plus die Schulden, die aufgenommen wurden, um alte Schulden abzulösen.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905DefizitDieser Begriff ist gefährlich, denn er wird oft falsch oder missverständlich benutzt. Defizit ist der Betrag, um den in einem Haushaltsjahr die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. In der Zeitung steht: "Das Defizit wurde im laufenden Jahr abgebaut." Das bedeutet: "Im laufenden Jahr gab der Staat mehr aus, als er einnahm. Letztes Jahr war es noch schlimmer. Der Schuldenberg wuchs in beiden Jahren." Viele missverstehen das als "Die Gesamtverschuldung wurde verringert."
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905ZinsDer Preis, den der Staat dafür zahlt, dass ihm Geld geliehen wird
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905TilgungRückzahlung des geliehenen Kapitals
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905UmschuldungNeuaufnahme eines Darlehens, um eine alte Schuld zu begleichen. Seit 1965 hat unser Staat nie getilgt, immer nur umgeschuldet!
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905PrimärsaldoDer Saldo von Staatseinnahmen und primären Staatsausgaben, das sind die Ausgaben des Staates ohne Zinsen. Der Begriff ist hilfreich bei der langfristigen Analyse der Staatsverschuldung: In welchen Jahren wurde Haushaltsdisziplin geübt, in welchen nicht?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Primär-
überschuss
Die Staatseinnahmen sind höher als die eigentlichen Staatsausgaben. Das ist schmerzhaft für die Bürger, denn ein Teil der von ihnen gezahlten Steuern wird für Zinsen für alte Schulden verbraucht. Für die Gesundung der Staatsfinanzen ist dies jedoch unumgänglich.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905PrimärdefizitDie Staatseinnahmen sind niedriger als die eigentlichen Staatsausgaben. Der Staat macht also neue Schulden für die Ausgaben dieses Jahres. Darüber hinaus bezahlt er sämtliche Zinsen für die alten Schulden mit neuen Schulden! Das ist bequem für uns Bürger, weil uns Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen erspart bleiben. Es ist aber ein süßes Gift, denn in Primärdefizit-Phasen steigen die Schulden, ohne dass wir es in unserer Tasche spüren!

 

Welche Höhe hat die Staatsverschuldung gegenwärtig?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Auch im Jahre 2002 haben die Staatsausgaben die Staatseinnahmen bei weitem überstiegen. Es wurden neue Schulden aufgenommen, und es war ein wesentlicher Anteil der Staatsausgaben, der auf diese Weise finanziert wurde. Endabrechnung 2002 laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts:
    Staatseinnahmen   921 Mrd. EUR    Staatsausgaben   -987 Mrd. EUR    ------------------------------    Fehlbetrag        -66 Mrd. EUR (=Neuverschuldung)
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die Finanzpolitik strebt an, in einigen Jahren die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres ins Gleichgewicht zu bringen ("ausgeglichener Haushalt", "Neuverschuldung Null"). Die obigen Zahlen machen deutlich, wie gewaltig die Steuererhöhungen und/oder Sparmaßnahmen sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Ende 2002 hat die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland eine Höhe von 1240 Milliarden EUR erreicht (1,24 Billionen EUR). Das sind etwa 15.000 EUR pro Kopf der Bevölkerung, vom Säugling bis zum Greis.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Diese Gesamtverschuldung zieht eine gewaltige Zinslast nach sich. Unser Staat gab 2002 jeden siebten Steuer-Euro für Zinsen aus! Ohne diese Last könnten also Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer usw. jeweils um 1/7 niedriger sein.
Stand: März 2003

 

Bund, Länder, Gemeinden
Es gibt nicht den einen deutschen Staatshaushalt, sondern es gibt Tausende von Einzelhaushalten: Der Bund, die 16 Bundesländer, die kommunalen Körperschaften (Gemeinden, Kreise, kreisfreie Städte, Zweckverbände usw.) - sie alle haben ihre eigenen Haushalte. Schulden haben sie im Laufe der Jahrzehnte alle aufgetürmt, nur einzelne Gemeinden sind schuldenfrei.

Wenn in der Zeitung oder im Fernsehen Zahlen genannt werden, ist meist nur der Bund gemeint. Denn Zahlen, die alle öffentlichen Haushalte umfassen, sind für Journalisten schwer zu beschaffen. Sie müssen erst mühsam vom Statistischen Bundesamt zusammengerechnet werden. Das dauert Monate, teilweise Jahre (darum kann diese Website immer nur mit entsprechender Verzögerung aktualisiert werden).

Es entfallen auf den Bund 64% der Staatsverschuldung, auf die Länder 28% und auf die Gemeinden 8%. Innerhalb der Länder gibt es enorme Unterschiede. Am niedrigsten ist die Verschuldung in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen (ca. 3000 EUR pro Einwohner), die meisten Bundesländer liegen bei 5000 bis 6000 EUR pro Einwohner, besonders hoch verschuldet sind das Saarland (7500 EUR) und die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen (10.000 bis 12.000 EUR).
Stand: November 2002

 

Ist die Staatsverschuldung heute höher als früher?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die Zeitreihen des Statistischen Bundesamts zur Verschuldung reichen bis 1955 zurück. In sämtlichen Jahren ist die Verschuldung immer nur gestiegen, und zwar von damals 11 Mrd. EUR auf heute 1195 Mrd. EUR . Nie wurde getilgt, immer nur umgeschuldet und neue Schuld aufgenommen! Insbesondere nach der Ölkrise und nach der Wiedervereinigung stiegen die Schulden auf bis dahin nicht gekannte Weise.

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905

Die Staatsverschuldung läuft dem Wirtschaftswachstum davon. Das Bruttoinlandsprodukt ist ab 1968 dokumentiert. Wie sich aus der Grafik ergibt, ist es seit 1968 auf das 7-Fache gestiegen, die Gesamtverschuldung aber auf das 19-Fache!

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905

Früher wurde investiert. Heute werden Zinsen gezahlt. Die Qualität der Neuverschuldung hat sich völlig verändert. Bis in die 80er Jahre hinein machte der Staat neue Schulden, um Straßen, Krankenhäuser, Altersheime zu bauen. Heute macht er neue Schulden, um die Zinsen von den alten Schulden zu bezahlen! Das zeigt anschaulich ein Bild der Jahre 1980 und 2000.

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905
Die Neuverschuldung war 2000 wesentlich niedriger als 1980: 10,9 statt 27,6 Mrd. EUR. Nur hat sich der Grund, warum neue Schulden gemacht werden, dramatisch verschoben. 1980 konnte damit noch für 12,5 Mrd. EUR investiert werden. Die Zinsen wurden (für uns Bürger bequem) komplett über neue Schulden finanziert. 2000 ging das schon lange nicht mehr. Die gesamte Neuverschuldung floss in die Zinszahlungen. Darüber hinaus musste ein noch viel höherer Zinsbetrag (56,6 Mrd. EUR) aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden: Für die Bürger schmerzhaft! Die rasant steigende Staatsverschuldung ist ein wesentlicher Grund für die ständigen Sparprogramme.

(Für 2001 wäre eine entsprechende Grafik wenig aussagekräftig, weil die Neuverschuldung durch den einmaligen UMTS-Versteigerungserlös ungewöhnlich niedrig war.)

 
Zeiten vor 1955
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Das Deutsche Reich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war zeitweise schuldenfrei. Im Juliusturm in der Zitadelle von Berlin-Spandau wurde der "Reichskriegsschatz" verwahrt. Dabei handelte es sich allerdings nicht um Ersparnisse, sondern um von Frankreich gezahlte "Kriegsentschädigung".
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905In beiden Weltkriegen wurde hemmunglos Schulden gemacht. Noch schlimmer war, dass die Notenbank nahezu beliebige Mengen an Bargeld in Umlauf brachte. Die Folge für die Bevölkerung nach beiden Kriegen: Inflation, das Geld verlor allen Wert. 1923 und 1948 musste die Währung reformiert werden. Es verarmten die Teile der Bevölkerung, die ihr Vermögen und ihre Versorgung in Papierwerten angelegt hatten. Sparbücher, staatliche Schuldverschreibungen, aber auch Lebensversicherungen wurden schlagartig wertlos.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905In den Anfangsjahren der Bundesrepublik wurden unter Finanzminister Schäffer Haushaltsüberschusse erwirtschaftet. In Anspielung an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurden diese wiederum "Juliusturm" genannt.
Stand: September 2002
Die Gläubiger: Wer leiht dem Staat soviel Geld?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905
Es gibt eine offizielle Statistik der Bundesbank über die Gläubiger.

Insbesondere die Banken finanzieren die deutsche Staatsverschuldung. Daneben sind es Lebensversicherungen, die die Beiträge der Versicherungsnehmer in Staatsanleihen anlegen. Aber auch Privatleute und Firmen erwerben Bundesschatzbriefe, kommunale Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere, die der Staat ausgibt.

Diese Papiere werden auf dem Rentenmarkt gehandelt. Dieser ist für den Staat von ungeheurer Bedeutung. Denn der Staat tilgt nicht wirklich, er schuldet immer nur um: Woche für Woche zahlt er Anleihen in Milliardenhöhe zurück und muss dafür sofort neue Anleihen aufnehmen. Wenn die Gläubiger das Vertrauen verlieren, dass alles pünktlich zurückgezahlt wird, werden sie neue Anleihen nicht zeichnen: Dem Staat ginge binnen Wochen das Geld aus; die Gehälter im öffentlichen Dienst, die Renten, die Sozialhilfe, alles könnte nicht mehr vollständig und pünktlich bezahlt werden.

 

Falsche Finanzpolitik
Die Ursachen der Staatsverschuldung sind banal und von jedem Laien zu verstehen.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die grundlegende Ursache der Staatsverschuldung ist, dass der Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Dabei gilt für den Staat wie für jedes Unternehmen und jeden Privathaushalt: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nicht übersteigen.

Immer wieder werden Ausgaben allein deshalb getätigt, weil sie "notwendig" sind. Weitere Voraussetzung ist aber, dass der Staat sie aus seinen Einnahmen bezahlen kann! Wenn sie dennoch auf Kredit vorgenommen werden, muss der Staat sie trotzdem bezahlen, nur später und mit Zins und Zinseszins.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die zweite Ursache besteht darin, dass seit Jahrzehnten nie getilgt wurde. Unternehmen und Privatleute machen auch Schulden, aber entweder tilgen sie diese, oder sie kommen in dieselben Schwierigkeiten wie jetzt der Staat. - Eine verhängnisvolle Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Grundgesetz-Vorschrift, nach der eine Neuverschuldung bis zur Höhe der Investitionen erlaubt ist.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Der dritte wesentliche Faktor ist der Zinseszinseffekt. Wenn eine Schuld nicht bedient wird, laufen außer den Zinsen auch Zinsen von den Zinsen in gewaltiger Höhe auf. Wenn eine Schuld von 100 EUR mit 7% verzinst und nie bedient wird, werden daraus in 50 Jahren 2950 EUR und in 137 Jahren 1 Mio. EUR!

 

Untätigkeit der Bürger
Es ist zu kurz gesprungen, nur mit dem Finger auf die Finanzpolitiker zu zeigen. Wo liegen unsere eigenen Beiträge?

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir Bürger unterschätzen die Bedrohung. Auf die Frage: "Welche politischen Aufgaben halten Sie für besonders wichtig?" werden Arbeitslosigkeit, Renten, Gesundheitswesen und andere Themen angesprochen. Das Schuldenproblem taucht unter den ersten 10 nicht auf (Meinungsumfrage SPIEGEL 2001, Heft 19). Dabei können die unmäßigen Schulden allein es dem Staat unmöglich machen, all die genannten Problembereiche anzupacken.

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir vertrauen blind den Experten wie z.B. dem Prof. Kromphardt, Sachverständiger der Bundesregierung. Dieser äußert im Sommer 2001: "Die Regierung darf es mit dem Konsolidierungsprozess nicht übertreiben. ... Sie sollte es gelassen hinnehmen, wenn sie in diesem Jahr mehr Schulden aufnimmt als ursprünglich geplant. Am Ziel, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, würde sich dadurch nichts ändern."

So geht es seit Jahrzehnten. Die Experten haben den Wagen gegen die Wand gefahren.

 

Spiralwirkung
Auffällig oft werden im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung bildhafte Ausdrücke gebraucht: Es ist die Rede von der Schuldenfalle, einem Schneeballsystem, einer Schuldenlawine, dem alles verschlingenden Moloch Schulden, von einer Spirale, die sich immer schneller dreht usw. Selbst die Deutsche Bundesbank greift in ihrem Monatsbericht März 1997 zu einer Metapher: "Die Verschuldung nährt sich aus sich selbst heraus."

Damit ist eine Entwicklung gemeint, die seit den 80er Jahren bei uns in Gang ist: Jahr für Jahr sind die Zinsen höher als die gesamte Neuverschuldung ("Primärüberschuss"). Sehr deutlich wird das beim Vergleich der Jahre 1980 und 2000. Das bedeutet: Es werden neue Schulden nicht gemacht, um Straßen zu bauen. Vielmehr werden neue Schulden aufgenommen, um die Zinsen der alten Schulden zu bezahlen. Das führt dazu, dass die Gesamtverschuldung und damit die Zinsen des nächsten Jahres noch höher sind als im laufenden Jahr. Dann werden für die Zinsen wieder neue Schulden gemacht und so weiter und so weiter...

Es trifft also zu: Die Schulden sind zum Selbstzweck entartet.
Unsere Staatsfinanzen stecken in einem Teufelskreis!

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905

Umverteilung
Staatsverschuldung ist Umverteilung von unten nach oben.

Denn bezahlt werden die Zinsen von den Steuerzahlern. Die beiden Steuern mit dem größten Aufkommen sind die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, die von den Arbeitnehmern bzw. Verbrauchern erhoben werden, also von der breiten Masse der Bevölkerung.

Die Empfänger der Zinsen sind dagegen die Wohlhabenden, die ihr Vermögen in Staatsanleihen investiert haben. Die geschieht entweder direkt, oder indirekt durch von ihnen beherrschte Unternehmen, durch Investmentfonds oder durch Lebensversicherungen.

Das ist ein paradoxes Ergebnis! Denn als die Schulden in den 70er, 80er und 90er Jahren aufgehäuft wurden, sollte gerade den wirtschaftlich Schwachen geholfen werden, zunächst den Arbeitslosen, später den neuen Bundesländern.

 

Erblast
Staatsverschuldung verletzt auf krasse Weise das Prinzip der Generationengerechtigkeit.

"Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen" ( Bund der Steuerzahler). Wenn unser Staat heute mehr ausgibt als er einnimmt, müssen die zukünftigen Generationen dafür aufkommen. Sie finden ein Gemeinwesen vor, das durch gigantische Zinslasten geknebelt ist. Sie können das Zusammenleben im Staat in ihrer Zeit nicht frei gestalten, weil sie keinen finanziellen Spielraum haben - eine echte Erblast.

Das ist in hohem Maße ungerecht gegenüber den Jüngeren und denen, die erst noch geboren werden. Wir ruinieren nicht nur unsere eigene Zukunft, sondern ihre gleich mit. Unser Handeln muss sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren: Wie bei Rohstoffverbrauch und Umweltbelastung dürfen wir keine Ressourcen angreifen, die für die Kommenden unentbehrlich sind.

 

Die ungebremste Staatsverschuldung -
was kann passieren?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Aufbau der Schulden: Wenn ein Staat keine oder geringe Schulden hat, kann er jahrzehntelang Schulden aufbauen, ohne dass dies fühlbare Folgen für die Bürger hat. Außer den eigentlichen Staatsausgaben können auch die Zinsen aus neuen Schulden bezahlt werden. Die Bürger gewöhnen sich an überhöhte Staatsausgaben. Deutschland 1955-1995.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Reformstau: Die Zinsen können nicht mehr aus der Neuverschuldung bezahlt werden, sondern allgemeine Steuermittel werden eingesetzt. Folge sind staatliche Sparprogramme, Steuererhöhungen und härtere Verteilungskämpfe. Schwarzarbeit breitet sich aus. Reformen, die Geld kosten, unterbleiben. Wechselnde Regierungen versuchen sich an demselben Problemen. Deutschland heute.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Der geschwächte Staat: Finanzierungsprobleme führen dazu, dass einige Gesetze nur noch auf dem Papier stehen; dem Staat entgleitet teilweise die Kontrolle. Aus verbreiteter Schwarzarbeit entwickelt sich eine komplette Schattenwirtschaft. Zudem wird das staatliche Gewaltmonopol durch mafiose Strukturen ausgehöhlt. Italien in den 80er Jahren.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Finanzkrise: Die ausländischen Gläubiger der Staatsanleihen zweifeln, ob die laufenden Anleihen pünktlich und vollständig zurückgezahlt werden können. Die Zinsen schießen in die Höhe, Währung und Börsenkurse stürzen ab. Argentinien 2001/2002.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wirtschaftskrise: Die Störung greift auf die private Wirtschaft über. Konkurswelle, Massenentlassungen. Deutschland Ende der 20er Jahre.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Staatskrise: Gigantische Einnahmeausfälle machen es dem Staat unmöglich, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Verelendung des Teils der Bevölkerung, der sein Einkommen vom Staat bezieht: Rentner, Beamte, Soldaten, Arbeitslose, die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Begünstigt werden radikale, autoritäre politische Strömungen. Zunehmende Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt nach innen und außen. Deutschland Anfang der 30er Jahre; Russland Mitte der 90er Jahre.
Mit dieser Darstellung soll keineswegs behauptet werden, dass Staatsverschuldung geradewegs in die Staatskrise führt. Auch waren in den oben genannten historischen Situationen viele andere Faktoren beteiligt, in Russland etwa die Schwäche des Staatssozialismus. Aber Staatsverschuldung begünstigt derartige Entwicklungen

 

Welche Alternativen bieten sich?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Weiter wie bisherWie in den letzten Jahrzehnten wird die Gesamtverschuldung laufend erhöht, nicht mehr für Investitionen, sondern um die Zinsen zu bezahlen.

Wenn wir diesen Weg gehen, wird es nur noch wenige Jahre dauern, bis wir ernste Finanzkrisen, dann den partiellen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung erleben. Das Beispiel Russland zeigt uns, dass das Unvorstellbare Wirklichkeit werden kann.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Totaler KreditstoppEs wird ab sofort kein weiterer Kredit aufgenommen.

Leider haben wir diese Möglichkeit nicht. Denn jeden Monat werden Kredite in Milliardenhöhe zur Rückzahlung fällig. Sie wurden bisher immer dadurch zurückgezahlt, dass neue Kredite aufgenommen wurden (Umschuldung). Dabei geht es jährlich um mehrere Hundert Milliarden Mark. Wenn wir die Umschuldung abbrechen, hat dies innerhalb von Tagen den Finanzkollaps des Staates zur Folge: Schlagartig können die Gehälter im öffentlichen Dienst nicht mehr gezahlt und die Sozialleistungen nicht mehr erbracht werden. Die Umschuldung muss also weitergehen.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Neuverschuldung NullEs wird nur noch umgeschuldet, aber kein Kredit darüber hinaus aufgenommen.

Auch dies ist keine realistische Alternative. Die Steuern lassen sich nicht mehr nennenswert erhöhen. Umgekehrt haben wir in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt, wie schwer eine Kürzung der Staatsausgaben um nur 5 Mrd. EUR durchzusetzen war. Eine Regierung, die von einem Jahr auf das andere keine neuen Schulden mehr macht, wird aus dem Amt gefegt. Es käme zu öffentlichen Unruhen sowie einem Ausfall an Nachfrage, der zu schwersten Störungen in der gesamten Volkswirtschaft führt.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Neuverschuldung in Höhe des WirtschaftswachstumsDie Schulden dürfen weiter steigen, aber nicht schneller, als die Wirtschaft wächst. Dies ist der Kern der Maastricht-Regeln.

Das Schuldenproblem wird damit eingefroren, aber nicht gelöst. Dieser Weg ist mit zwei schweren Nachteilen verbunden: Erstens muss die Regierung sich in Zukunft prozyklisch verhalten: Ausgerechnet wenn die Wirtschaft schwach wächst oder gar schrumpft, muss sie den schärfsten Sparkurs fahren. Und zweitens bleiben die Zinslasten unerträglich hoch.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Neuverschuldung Null innerhalb von 1 WahlperiodeEs wird weiter umgeschuldet, der Schuldenberg wird weiter erhöht, aber von Jahr zu Jahr weniger, bis nach einer definierten Frist (1 Wahlperiode?) die Gesamtverschuldung auf der dann erreichten Höhe eingefroren wird.

Dies ist die einzige brauchbare Alternative. Tilgen können wir die Schulden nicht, aber wir müssen versuchen, die Zinslast einzufrieren. Nach sehr langer Zeit wird sie dann durch Wirtschaftswachstum und allgemeine Preissteigerungen erträglich. Nach einer Modellrechnung von Dieter Meyer stiege in einer 6-jährigen Abbremsphase die Gesamtverschuldung von 1183 auf 1259 Mrd. EUR, wo sie dann zum Stehen käme.

Die USA sind diesen Weg unter dem Schlagwort vom ausgeglichenen Haushalt (balanced budget) mit durchschlagendem Erfolg gegangen. Was uns fehlt, ist eine Verfassungsregelung, die diesen Weg vorschreibt.
Stand: Oktober 2002

 

Links/rechts: Staatsverschuldung im Parteienstreit
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die neoliberale PositionDas Hauptproblem sind zu hohe Staatsausgaben, insbesondere im Sozialbereich. Folglich müssen die Staatsausgaben gekürzt werden: Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, andere Sozialleistungen. Parallel sollen die Steuern im Spitzenbereich gesenkt werden. Zwar verschärft sich die Staatsverschuldung dadurch zunächst, aber es werden für die Leistungsträger Anreize geschaffen, die Konjunktur verbessert sich, am Ende hat der Staat höhere Steuereinnahmen als vorher. - Der zeitweilige Erfolg der USA im Kampf gegen die Staatsverschuldung spricht für diese Auffassung.

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Die gewerkschaftliche PositionDas Hauptproblem sind zu niedrige Staatseinnahmen. Folglich müssen die Staatseinnahmen erhöht werden: Wiedereinführung der Vermögensteuer, Erhöhung der Steuern für Besserverdienende und Großunternehmen. Parallel sollen die Steuern für Geringverdiener gesenkt werden. Zwar verschärft sich die Staatsverschuldung dadurch zunächst, aber es werden Konsumanreize geschaffen, die Konjunktur verbessert sich, am Ende hat der Staat höhere Steuereinnahmen als vorher. - Der Erfolg Dänemarks im Kampf gegen die Staatsverschuldung spricht für diese Auffassung.

Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Der Streit ist nachrangigZum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Schärfe des Problems Staatsverschuldung nur wenigen Bürgern bewusst. Daher ist vorrangig die Aufklärung: Zunächst einmal muss das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass wir ein Riesenproblem haben und dass wir es dringend lösen müssen. Wenn das erreicht ist, mag der Meinungsstreit beginnen. Aber soweit sind wir noch lange nicht.

 

Was können wir selbst tun?
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Am wichtigsten: Wir müssen bei uns selbst anfangen.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir müssen verstehen, was da vor sich geht.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir müssen uns insbesondere klar machen: Auch wenn die Neuverschuldung in manchen Jahren sinkt, ist das doch eine Erhöhung der Gesamtverschuldung.
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir müssen unsere eigenen Ansprüche an den Staat herunterschrauben: Kindergeld, medizinische Leistungen, Renten, Arbeitslosenhilfe, Eigenheimzulage...
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir müssen uns gegen Vorhaben wenden, wenn sie den Staat Geld kosten: Gegen die neue Stadthalle, den Weiterbau der Autobahn, den Erhalt von Arbeitsplätzen auf den Werften/im Bergbau/in der Landwirtschaft... Es kommt nicht darauf an, ob eine Ausgabe "notwendig" ist, sondern ob der Staat sie bezahlen kann!
Staatsverschuldung (Zusammenfassung) 1046905Wir müssen Steuererhöhungen akzeptieren, wenn damit wirklich die Staatsverschuldung bekämpft wird.

 

Quelle: www.staatsverschuldung.de

dardanus:

@Happy

 
30.05.03 14:02
Sollen die Bären gestärkt oder die Bullen geschwächt werden. lol

Das sollten sich alle Gutmenschen ansehen, die glauben Reichtum fällt vom Himmel, oder kommt aus Gewerkschaftskreisen.

Alte Leute werden da fragen; hatten wir das nicht schon? Kam dann die Währungsreform?

God bless Europe
Bronco:

Sehr guter Beitrag !

 
30.05.03 14:24
- Nur ein Gesichtspunkt fehlt mir an dieser Stelle: Die bereits JETZT zu diskutierende Generationengerechtigkeit: WIR bezahlen nämlich bereits für die Wirtschaft der Generation vor uns, die den Staat verschuldet hat und gleichzeitig gewaltige Privatvermögen (= das Gegenstück zu den aus dem Staat herausgezehrten Geldern) auf die Seite gebracht hat. Insbesondere wurde die sogenannte Wiedervereinigung vollständig aus den (heute leeren) Sozial- und Rentenkassen sowie auf Pump finanziert, während gleichzeitig die Treuhandgesellschaft die größte Schmiergeldorganisation in der europ. Geschichte darstellte. Es geht also durchaus auch aus diesem Grunde um die Frage von Vermögenssteuern sowie um die Anrechnung von Vermögenseinnahmen auf die Renten (natürlich jeweils ab einer zu diskutierenden Schwelle), damit auch diejenigen sich solidarisch an der Lösung der Misere beteiligen, die in der Vergangenheit profitiert haben, die Weichen für den derzeitigen Status gestellt haben und nun über ihr Arbeitseinkommen nicht mehr zu greifen sind, weil sie bereits in der Rente oder kurz davor sind.
Happy End:

Wachstum, Wachstum über alles

 
02.06.03 08:47
Neues Wirtschaftswachstum Soll Deutschland wieder auf die Beine bringen, doch niemand macht sich Gedanken, was das langfristig bedeutet und wie es funktionieren soll

Mehr Wachstum! Am liebsten 3%, das nennt man dann "Boom". Politiker, Wirtschaftler, die Gewerkschaften, "echte" und "Hobby"-Experten fordern es. Auf der Strecke bleibt der gesunde Menschenverstand.

Wenn von Wirtschaftswachstum gesprochen wird, ist immer eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes BIP bzw. des Bruttosozialproduktes (BSP = BIP + Exportüberschüsse) gemeint - auch wenn längst nicht alle Wachstumsbefürworter sich dessen bewusst sind. Das BIP gibt in Euro gemessen an, wie viele Güter und Dienstleistungen wir produzieren. Zur Zeit sind es etwa 24.000 Euro pro Kopf und Jahr. Bei 3% erwünschtem jährlichem Wachstum (bezogen aufs Vorjahr) wären das 24.720 Euro im Jahr 2004, 25.460 Euro im Jahr 2005, 26.220 Euro 2006, 27.000 Euro 2007. In etwa 5 Jahren also 3.000 Euro MEHR als bisher.

Quantitatives und qualitatives Wachstum

Die Kritiker unbedingtem Wachstums verweisen auf den massiven Ressourcenverbrauch durch mengenmäßiges (quantitatives) Wachstum und auf die Begrenztheit der Ressourcen unserer Erde, die Begrenztheit der Zeit der Menschen, die gleichzeitig dieses Wachstum produzieren und konsumieren müssen und auch auf die Begrenztheit der materiellen Bedürfnisse eines sehr großen Teils der Bevölkerung. Und auch darauf, dass ein höheres Bruttoinlandsprodukt nicht gleichzeitig höhere Lebensqualität darstellen muss (Was ist Wohlstand?).

Die Wachstumsbefürworter verweisen auf "qualitatives Wachstum", also auf Wachstum durch Fortschritt, Weiterentwicklung. Aber erhöht qualitatives Wachstum allein das BIP? Nein. Ein Beispiel: Ein Computer, hergestellt im Jahr 1993, kostete z.B. 3000 DM, also etwa 1500 Euro. Entsprechend ging er mit diesem Wert ins BIP ein. Ein heutiger Computer ist Dank qualitativem Wachstum um ein Vielfaches leistungsfähiger, kostet aber auch nur 1500 Euro. Effekt dieses einen betrachteten Computers auf das BIP ist also gleich Null (und inflationsbereinigt sogar unter Null!). Eine Wirkung auf das BIP hat dieser Fortschritt (qualitatives Wachstum) also nur gehabt, weil neue Märkte erobert wurden und Millionen neuer Computer gebaut wurden, was aber Hand in Hand mit quantitativem Wachstum ging. Nur weil heute ein Vielfaches der Computer von 1993 verkauft werden, schlägt sich dies auf das BIP nieder. Damit sind wir aber wieder beim ressourcenverbrauchenden quantitativem Wachstum, welches die Wachstumskritiker bemängeln.

Das gleiche Szenario trifft auf andere Industriezweige zu, wie z.B. die Autoindustrie. Ein Neuwagen von heute ist technisch mit einem von vor 10 Jahren kaum mehr vergleichbar, doch sind die Preise der Autos nicht ähnlich gestiegen. Wenn aber die Preise gleich bleiben, muss ein mengenmäßiges Wachstum erfolgen, um Auswirkungen auf das BIP zu haben. Denn nur mit real gesteigertem Umsatz steigert man das BIP - was ja Sinn unseres Wirtschaftswachstums sein soll.

In den letzten 10 Jahren sind neue Märkte entstanden, die vorher nie denkbar waren: Die Bedienung dieser riesigen Märkte für Elektronik (Computer, Handys, Computerzubehör, Software, Internet usw.) führte zu einer riesigen Steigerung des BIP, verbrauchte aufgrund ihrer materiellen Eigenschaften aber Ressourcen in ungeheurem Ausmaß. Und was das Wichtigste ist: Sie ersetzten keine bedeutenden alten Märkte, deren Verschwinden ja das BIP geschmälert hätte. Die Elektronikmärkte sind jetzt nahezu gesättigt, fast jeder Haushalt hat Computer und Handy, selbst DVD-Player gehören fast zur Standardausstattung.

Wachstum! Wachstum bedeutet nicht, dass wir das Gleiche kaufen wie letztes Jahr, sondern es bedeutet, dass wir MEHR kaufen müssen als letztes Jahr. Es bedeutet also nicht, dass wir z.B. alle 3 Jahre unsere Technik ERSETZEN, sondern dass wir ZUSÄTZLICH zum Ersatz konsumieren müssen. Welche Märkte sehen die Wachstumsbefürworter in der nahen Zukunft (denn wir wollen ja JETZT mehr Wachstum) nur ansatzweise in ähnlichem Maße wachsen, wie die der Elektronikmärkte in den letzten Jahren?

Das Wachstum immaterieller Märkte

Das oben genannte Stichwort "DVD-Player" könnte die Hoffnung auf "kreatives Wachstum" schüren: "Die Fantasie der Menschen ist grenzenlos, also wird es immer neue Filme und Musik geben, die man kaufen und konsumieren kann". Zum einen gilt auch hier: Um Wachstum zu produzieren, muss man wertmäßig nicht nur das Gleiche wie im letzten Jahr kaufen, sondern mehr ausgeben als im letzten Jahr.

Der Konsum von Musik und Filmen ist aber mit Zeit verbunden, die man dafür braucht. Doch während diejenigen, die sich Dank Arbeit solche Dinge finanziell leisten können, keine Zeit dafür haben, haben die Arbeitslosen zwar die Zeit, aber nicht die finanziellen Mittel. Zudem konkurrieren "zeitverbrauchende" Güter miteinander: Wenn DVD- und Musikmärkte wachsen und mehr Zeit der Konsumenten in Anspruch nehmen, müssen Bücher-, Kino-, Fernseh-, Sport- und Freizeitmärkte schrumpfen, weil der Tag nur 24 Stunden hat. Wie groß wäre saldiert also die Auswirkung aufs BIP?

Hoffnung auf ein Wachstum dieser Märkte besteht nur, wenn die Konsumenten mehr Zeit haben. Bei Rufen nach "Rente erst mit 67" und "die Deutschen sollen 1-2 Stunden pro Woche mehr arbeiten" (Merkel) zur Zeit aber undenkbar.

Neues Wachstum müssen wir uns leisten können!

Ein weiterer Kritikpunkt am reinen Wachstumsdenken ist, dass wir, wenn unsere Wirtschaft im Ganzen um 3% wachsen soll, nicht nur 3% mehr erarbeiten oder die Produktivität um 3% steigern, sondern auch 3% mehr verdienen müssen, um unser Wachstum auch kaufen zu können. Wann gab es die letzten JÄHRLICHEN Einkommenserhöhungen über alle Branchen und Konsumentengruppen (Rentner, Staatsangestellte und Arbeitslose eingeschlossen!) um 3%?

Hoffen auf den Export

"Deutschland ist eine Exportnation." Wenn Deutschland mehr exportieren könnte, würde "das Ausland" die Steigerung des deutschen BSP bezahlen. Unsere Erde ist aber (noch?) ein Binnenmarkt. Was das eine Volk an Exportüberschüssen erwirtschaftet, muss ein anderes durch Importüberschüsse bezahlen. Das dauernde Handelsbilanzdefizit der USA der letzten Jahre ist ein Beispiel dafür, trug auf Seiten der USA aber auch zur immensen Verschuldung bei. Kurz- bis mittelfristig ist solch ein Szenario also denkbar, langfristig funktioniert es nicht, weil eine Nation, die mehr importiert als exportiert, diese Differenz (Außenhandelsbilanzdefizit) irgendwie bezahlen muss. Schließlich will der Exporteur seine Leistung doch bezahlt haben.

Auf der anderen Seite streben die meisten anderen Nationen der Welt ebenfalls Wachstum an und wollen deshalb ebenso lieber ex- als importieren. Vielleicht aber sollten die Vertreter der ewigen exponentiellen Wachstumstheorie ja für mehr Entwicklungshilfe in Form von Hilfe zur Selbsthilfe für die sogenannte "3. Welt" eintreten, damit diese sich deutsche Produkte endlich leisten kann?

Was bedeutet prozentuales Wirtschaftswachstum?

Das BIP der BRD  betrug 1970 inflationsbereinigt ca. 750 Milliarden Euro. Ein Wirtschaftswachstum um 3% zu diesem Zeitpunkt entspricht also etwa 22,5 Mrd. Euro. Eine Steigerung des BIP um 22,5 Mrd. Euro, entspräche aufgrund des hohen Niveaus aber gerade mal ca. 1% des heutigen BIP. Um also eine Steigerung um 3% zu erzielen, müsste Deutschland heute auch das Dreifache produzieren, als 1970 für die gleiche Wachstumsrate notwendig gewesen wäre.

Langfristig Denken

Wir Bewohner des Landes, das sich Deutschland nennt, sitzen an einem reichlich gedeckten Tisch - von uns erarbeitet und von uns bezahlt. Und man zwingt uns als Gemeinschaft (niemand fragt uns, ob wir wollen! Alternativen werden keine angeboten!) unter Androhung des volkswirtschaftlichen Kollaps, nächstes Jahr einen Teller mehr zu essen - und natürlich zu produzieren und zu bezahlen.

Im übernächsten Jahr wird man uns zwingen, einen weiteren Teller mehr zu essen, also schon 2 Teller mehr als heute. Doch damit nicht genug. Man wird uns sagen: Weil wir letztes Jahr einen Teller mehr gegessen haben, müssen wir noch einen Bissen extra nehmen, denn das Wachstum des Vorjahres muss selbst mitwachsen. Das ganze nennt man exponentielles Wachstum und wird von den Wenigsten in Frage gestellt.

Es ist, als würden wir - je mehr wir essen - noch mehr Hunger bekommen und entsprechend mehr essen.

Und wenn dieser Teller MEHR des ersten Jahres unserem Wunschwachstum von 3% entspricht, so bedeutet es, dass wir in 23 Jahren das Doppelte von heute verspeisen (vielleicht nicht mengen- aber zumindest wertmäßig), erarbeiten und kaufen müssen. In ca. 94 Jahren das Sechzehnfache von heute und erneute 23 Jahre später das Zweiunddreissigfache, also 64 Billionen Euro im Vergleich zum heutigen BIP von 2 Billionen Euro. In weniger als 4 Generationen.

Also bei gleichbleibender Bevölkerungszahl etwa eine dreiviertel Million Euro pro Kopf. Natürlich inflationsbereinigt. JÄHRLICH! Oder sagt uns jemand heute, wann wir mit dieser langfristig offensichtlich tödlichen Spirale aufhören und warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt?

Aber langfristiges Denken ist spätestens seit der Erfindung von Optionsscheinen, Daytrading und "Wahlkampf" zu einem Spielfeld für realitätsfremde Träumer verkommen.

heise.de
cap blaubär:

lösung:schuldnerberatungsstelle

 
02.06.03 09:28
1)zinsfreistellen+evtl.forderungsverzicht der gläubiger
sonst mit privatinsolvens des herrn brd drohen
fertig iss die lauge,achsoo das dann erfolgende zzz- von moodys,s&p+co und die dann miese schufaauskunft schützt dann automatisch vor neuverschuldung
blaubärgrüsse
Bronco:

Erstklassiger Thread !

 
02.06.03 12:29
Bin derzeit leider kein Moderator, sonst gäbs jetzt reichlich grüne ***. Vielleicht wäre es auch mal gut, einen weiteren * für "gesunden Menschenverstand" einzuführen - hier würde er vergeben. Im Vergleich zu dem was man hier sonst so an wirtschaftspolitischen Statements liest, wäre dieser neue * eine absolute Rarität.
PRAWDA:

Eichel will's doch auf Pump machen

 
14.07.03 11:15
SPIEGEL ONLINE - 14. Juli 2003, 9:45
URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,257009,00.html
Vorgezogene Steuerreform

Eichel will's doch auf Pump machen

Eine vorgezogene Steuerreform soll offenbar vor allem über neue Schulden und Privatisierungen finanziert werden. Beim Subventionsabbau will Finanzminister Eichel nicht über seine bisherigen Vorschläge hinausgehen.

Berlin - Die "Berliner Zeitung" berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, Hans Eichel werde zunächst keine neuen Vorschläge für einen weiteren Subventionsabbau machen. Der Finanzminister wird die Eckpunkte des Konzepts wahrscheinlich am Mittwoch vorstellen.

Eichel sei der Ansicht, bereits umfangreiche Vorschläge zur Gegenfinanzierung der Steuerreform vorgelegt zu haben. So plane er unter anderem, die Eigenheimzulage zu streichen und die Pendlerpauschale zu kürzen, berichtet das Blatt. Davon profitierten auch die Länder. Würden sie diese und weitere Vorschläge Eichels im Bundesrat mittragen, könnten sie zusammen mit den Gemeinden fast neun Milliarden Euro sparen. Das übersteige sogar die Ausfälle durch die vorgezogenen Steuersenkungen, die sich auf rund 8,5 Milliarden Euro beliefen.

Änderungen an der Eigenheimzulage waren erst im Frühjahr am Widerstand der Union im Bundesrat gescheitert. "Wir müssen jetzt den Druck auf die Unionsländer aufrechterhalten", zitierte die Zeitung die Regierungskreise mit Blick auf die ablehnende Haltung zu allen bisherigen Sparvorschlägen Eichels. Zudem setze die Regierung weiterhin auf die Arbeit der Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), die Ende September ein Konzept für den Subventionsabbau vorlegen wollen.

Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß forderte die Bundesländer laut "Financial Times Deutschland" auf, auch einem überwiegend über Kredite finanzierten Vorziehen der nächsten Steuerreform-Stufe zuzustimmen. "Ökonomisch gesehen wäre die Finanzierung des Vorziehens der Steuerreform-Stufe um ein Jahr durch eine höhere Neuverschuldung vertretbar", sagte Poß. Auch die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, nannte eine "gewisse" Neuverschuldung "völlig legitim".

Unterdessen stellte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, klare Bedingungen für eine Zustimmung seines Landes zum Vorziehen der Steuerreform. "Wenn es keine Gegenfinanzierung gibt, stimme ich nicht zu", sagte der CDU-Politiker dem Blatt. Das Vorziehen koste Sachsen-Anhalt 260 bis 270 Millionen Euro. Deshalb sei eine Kompensation notwendig, wenn auch nicht in vollem Umfang. Böhmer signalisierte Zustimmung zu einer Kürzung der Entfernungspauschale. Auch über die steuerfreien Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit müsse man reden. Die Gelder aus der Eigenheimzulage solle man nicht streichen, sondern für den Stadtumbau verwenden, schlug Böhmer vor.

Nach Ansicht der Grünen Steuerexpertin Christine Scheel finanziert sich das Vorziehen der Steuersenkungen zum Teil selbst. Die Grünen gingen davon aus, dass ein Drittel der Steuersenkungen von insgesamt rund 15 Milliarden Euro über zusätzliche Steuereinnahmen auf Grund von mehr Wachstum finanziert werden könne, schreibt das "Handelsblatt". "Dies bei der Gegenfinanzierung nicht einzukalkulieren, macht ökonomisch keinen Sinn", sagte Scheel der Zeitung. Eine Zwischenfinanzierung der Wachstumseffekte durch eine höhere Neuverschuldung sei gerechtfertigt.

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