Freitag, 22. März 2002
Bundesratsabstimmung
Staatsrechtler streiten
Das gesplittete Votum des Landes Brandenburg zum Zuwanderungsgesetz im Bundesrat ist in dieser Form ein Präzedenzfall in der politische und verfassungsrechtlichen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wie dieses Votum zu werten ist, darüber scheiden sich die staatsrechtlichen Geister. Einmal mehr muss die Justiz entscheiden, wozu die Politik nicht in der Lage ist.
Der Verfassungsrechtler Prof. Uwe Wesel vertrat gegenüber n-tv.de die Auffassung, dass im Falle Brandenburgs die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten gilt. Damit wäre das "Ja" von Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) als Zustimmung Brandenburgs zum Zuwanderungsgesetz zu werten, das "Nein" seines Vize und Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) sei ohne Bedeutung.
Im Bundesrat müssen die Länder mit einer Stimme sprechen. So schreibt es das Grundgesetz vor, in dem die Verfassungsväter ausdrücklich ein Ratsmodell und nicht wie nach amerikanischem Vorbild ein Senatsmodell vorgesehen haben. Im Gegensatz zum US-Senat, wo jeder Senator eine Stimme hat - so die Rechtsauffassung Wesels - , sind die Mitglieder der deutschen Länderkammer weisungsgebunden.
Zwar stehe im Koalitionsvertrag der rot-schwarzen Regierung in Brandenburg, bei Nichteinigung enthält sich das Land der Stimme, doch dies seien politische, verfassungsrechtlich unverbindliche Entscheidungen, fügte Wesel hinzu. Andere Rechtsexperten vertreten allerdings die Auffassung, dass ein gesplittetes Ländervotum ungültig ist. Zu ihnen gehört auch der von Schönbohm mit einem Gutachten beauftragte Bonner Verfassungsrechtler Joseph Isensee.
Doch selbst dem konservativen Lager zuzurechnende Staatrechtler wie Dieter Blumenwitz und Klaus Stern seien der Auffassung, dass bei uneinheitlichem Stimmverhalten der Länder die Stimme des Ministerpräsidenten den Ausschlag gibt.
Was kommt nach dem Bundesrat?
Nachdem Bundesratspräsident Klaus Wowereit das Votum Brandenburgs als Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz gewertet hat, kommt es nun auf Bundespräsident Johannes Rau an. Unterzeichnet er das Gesetz nicht, geht es in den Vermittlungsausschuss. Segnet er es ab, bliebe den Fraktionen und Bundesländern im Wege des Organstreitverfahrens der Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
Im vorliegenden Fall wäre der 2. Senat des BVerfG zuständig, dessen Vorsitzende, Jutta Limbach (SPD), ihr Amt an Winfried Hassemer (SPD) abgibt. Das Verfahren würde nach Einschätzung Wesels ein dreiviertel Jahr dauern. Damit gäbe es vor den Bundestagswahlen kein Zuwanderungsgesetz mehr. Die Entscheidung des achtköpfigen Richtergremiums muss mit mindestens 5:3 Stimmen fallen. Bei einem Patt wäre der Antrag abgelehnt.
Ist der Bundesrat ein Blockadeinstrument?
Nicht zum ersten Mal erschweren unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat große Gesetzesvorhaben. Ist die Länderkammer zum schlichten Blockadeinstrument und das Prinzip des Föderalismus zu schwerfällig geworden, um Reformen durchzusetzen, die diesen Namen wirklich verdienen?
Wesel meint, dass bestehende Prinzip sei grundsätzlich nicht falsch, da es der Pluralität der Interessen in der Bevölkerung am besten Rechnung trage. Das schließe auch den Gang vor das Bundesverfassungsgericht ein, das als Kontrollorgan schließlich zu einer "Verrechtlichung" der Politik beitrage
bye peet
Bundesratsabstimmung
Staatsrechtler streiten
Das gesplittete Votum des Landes Brandenburg zum Zuwanderungsgesetz im Bundesrat ist in dieser Form ein Präzedenzfall in der politische und verfassungsrechtlichen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wie dieses Votum zu werten ist, darüber scheiden sich die staatsrechtlichen Geister. Einmal mehr muss die Justiz entscheiden, wozu die Politik nicht in der Lage ist.
Der Verfassungsrechtler Prof. Uwe Wesel vertrat gegenüber n-tv.de die Auffassung, dass im Falle Brandenburgs die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten gilt. Damit wäre das "Ja" von Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) als Zustimmung Brandenburgs zum Zuwanderungsgesetz zu werten, das "Nein" seines Vize und Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) sei ohne Bedeutung.
Im Bundesrat müssen die Länder mit einer Stimme sprechen. So schreibt es das Grundgesetz vor, in dem die Verfassungsväter ausdrücklich ein Ratsmodell und nicht wie nach amerikanischem Vorbild ein Senatsmodell vorgesehen haben. Im Gegensatz zum US-Senat, wo jeder Senator eine Stimme hat - so die Rechtsauffassung Wesels - , sind die Mitglieder der deutschen Länderkammer weisungsgebunden.
Zwar stehe im Koalitionsvertrag der rot-schwarzen Regierung in Brandenburg, bei Nichteinigung enthält sich das Land der Stimme, doch dies seien politische, verfassungsrechtlich unverbindliche Entscheidungen, fügte Wesel hinzu. Andere Rechtsexperten vertreten allerdings die Auffassung, dass ein gesplittetes Ländervotum ungültig ist. Zu ihnen gehört auch der von Schönbohm mit einem Gutachten beauftragte Bonner Verfassungsrechtler Joseph Isensee.
Doch selbst dem konservativen Lager zuzurechnende Staatrechtler wie Dieter Blumenwitz und Klaus Stern seien der Auffassung, dass bei uneinheitlichem Stimmverhalten der Länder die Stimme des Ministerpräsidenten den Ausschlag gibt.
Was kommt nach dem Bundesrat?
Nachdem Bundesratspräsident Klaus Wowereit das Votum Brandenburgs als Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz gewertet hat, kommt es nun auf Bundespräsident Johannes Rau an. Unterzeichnet er das Gesetz nicht, geht es in den Vermittlungsausschuss. Segnet er es ab, bliebe den Fraktionen und Bundesländern im Wege des Organstreitverfahrens der Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
Im vorliegenden Fall wäre der 2. Senat des BVerfG zuständig, dessen Vorsitzende, Jutta Limbach (SPD), ihr Amt an Winfried Hassemer (SPD) abgibt. Das Verfahren würde nach Einschätzung Wesels ein dreiviertel Jahr dauern. Damit gäbe es vor den Bundestagswahlen kein Zuwanderungsgesetz mehr. Die Entscheidung des achtköpfigen Richtergremiums muss mit mindestens 5:3 Stimmen fallen. Bei einem Patt wäre der Antrag abgelehnt.
Ist der Bundesrat ein Blockadeinstrument?
Nicht zum ersten Mal erschweren unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat große Gesetzesvorhaben. Ist die Länderkammer zum schlichten Blockadeinstrument und das Prinzip des Föderalismus zu schwerfällig geworden, um Reformen durchzusetzen, die diesen Namen wirklich verdienen?
Wesel meint, dass bestehende Prinzip sei grundsätzlich nicht falsch, da es der Pluralität der Interessen in der Bevölkerung am besten Rechnung trage. Das schließe auch den Gang vor das Bundesverfassungsgericht ein, das als Kontrollorgan schließlich zu einer "Verrechtlichung" der Politik beitrage
bye peet