Sprechstunden für Anleger mit verunglückten Depots
PETER KÖHLER
HANDELSBLATT, 4.10.2001
FRANKFURT/M. Wer heutzutage 100 000 DM anlegen will, für den öffnen sich bei den Banken bei weitem nicht alle Türen. Die Summe ist aus Sicht der großen Kreditinstitute zu klein und die Betreuung zu kostenintensiv, um eine individuelle Vermögensberatung über alle Lebensphasen zu bieten, die vielleicht auch noch sämtliche Anlageklassen umfasst sowie steuerliche Aspekte berücksichtigt. Stattdessen greifen die meisten Kundenberater auf standardisierte Produkte zurück, die zum Großteil aus dem eigenen Konzern oder Finanzverbund stammen. Einige Verbraucherzentralen haben die Misere erkannt und versuchen, sich auf diesem Feld zu profilieren.
„Selbst die wohlhabende Mittelschicht kann heute nicht immer auf eine individuelle Beratung der Banken zählen", sagt Peter Grieble, Produktmanager Geldanlage bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Seit 1997 gibt es hier eine spezialisierte Honorarberatung zur Geldanlage und privaten Altersvorsorge, wobei die Klientel „vom Kleinsparer bis zum Millionär“ reiche. Die durchschnittliche Anlagesumme betrage bei 400 bis 500 Beratungen jährlich rund 200 000 DM. Den Anleger kostet der Rat für das regelmäßige Ansparen kleinerer Beträge 150 DM, für die umfassende Geldanlage sind es bei größeren Summen pauschal 250 DM.
Was kann der Investor dafür erwarten? Zuerst wird der Anlegertyp bestimmt, jedoch werde der Kunde „nicht in eine von drei Risikoklassen gesteckt“, sondern die tatsächliche Lebenssituation sowie Wünsche und Ziele würden über zehn bis 15 Kernfragen abgesteckt, erläutert Grieble. Dann folgten Informationen über Produktarten, günstige Vertriebskanäle wie etwa Direktbanken und am Ende stehe eine Liste mit circa fünf bis acht konkreten Produktempfehlungen.
Baden-Württemberg, Nordrhein- Westfalen, Hamburg und Berlin gelten als Vorreiter in der Anlageberatung, Bayern fällt dagegen vollkommen aus, weil „die finanziellen und dadurch bedingt personellen Kapazitäten fehlen“, wie Pressesprecherin Ingrid Kreuzer bedauert.
Das zugkräftigste Argument der Verbraucherzentralen ist ihre Unabhängigkeit, denn sie beraten nur und verkaufen nichts, es gibt kein Provisionsinteresse.
Allerdings liegen die Stärken der Beratung in sehr defensiven Produkten, etwa Ansparplänen, Sparbriefen sowie fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen. Fonds, die weltweit auf Aktien und Renten setzen, werden ebenfalls noch berücksichtigt; Optionsscheine oder spezialisierte Fonds bleiben in der Regel außen vor. Wer jedoch mit einem Depot kommt, in dem Einzelaktien oder Warrants schon enthalten sind, wird trotzdem beraten.
Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg findet die Konzentration auf mehr Sicherheit statt Rendite eher vorteilhaft: „Wir haben noch keinen gesehen, der mit Bundeswertpapieren Geld verloren hat“. In Hamburg kostet die persönliche Einzelberatung, für die 90 Minuten angesetzt werden, 200 DM. Es gibt aber auch eine Sprechstunde für 30 DM, wenn akuter Handlungsbedarf bei notleidenden Depots herrscht oder nach Engagements am „Grauen Kapitalmarkt“ der Schaden begrenzt werden soll. Neuerdings, so weiß die Beraterin aus der Praxis zu berichten, suchten auch sehr viele Kunden Rat, bei denen „die Fonds im Keller sind“.
Trotz der beschworenen Aktienkultur in Deutschland ist das Basiswissen vieler Anleger nach Auskunft der Geldberater vielfach mangelhaft. So sei das magische Dreieck aus Sicherheit, Rendite und Liquidität nicht jedem geläufig, hat Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen festgestellt, die eine persönliche Beratung zur Altersvorsorge für 250 DM anbietet sowie Abendseminare veranstaltet (drei Stunden/60 DM).
Ein Problem bleibt aber: eine objektive Erfolgskontrolle der Beratungen in den Verbraucherzentralen fehlt. Die Stiftung Warentest beziehungsweise die Zeitschrift „Finanztest“, die sich sonst bei der Benotung der Banken nicht schwer tun, halten sich hier zurück. Wegen der Kooperationen mit den Verbraucherschützern werde es keinen Test geben, teilte ein Sprecher mit.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 04. Oktober 2001
PETER KÖHLER
HANDELSBLATT, 4.10.2001
FRANKFURT/M. Wer heutzutage 100 000 DM anlegen will, für den öffnen sich bei den Banken bei weitem nicht alle Türen. Die Summe ist aus Sicht der großen Kreditinstitute zu klein und die Betreuung zu kostenintensiv, um eine individuelle Vermögensberatung über alle Lebensphasen zu bieten, die vielleicht auch noch sämtliche Anlageklassen umfasst sowie steuerliche Aspekte berücksichtigt. Stattdessen greifen die meisten Kundenberater auf standardisierte Produkte zurück, die zum Großteil aus dem eigenen Konzern oder Finanzverbund stammen. Einige Verbraucherzentralen haben die Misere erkannt und versuchen, sich auf diesem Feld zu profilieren.
„Selbst die wohlhabende Mittelschicht kann heute nicht immer auf eine individuelle Beratung der Banken zählen", sagt Peter Grieble, Produktmanager Geldanlage bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Seit 1997 gibt es hier eine spezialisierte Honorarberatung zur Geldanlage und privaten Altersvorsorge, wobei die Klientel „vom Kleinsparer bis zum Millionär“ reiche. Die durchschnittliche Anlagesumme betrage bei 400 bis 500 Beratungen jährlich rund 200 000 DM. Den Anleger kostet der Rat für das regelmäßige Ansparen kleinerer Beträge 150 DM, für die umfassende Geldanlage sind es bei größeren Summen pauschal 250 DM.
Was kann der Investor dafür erwarten? Zuerst wird der Anlegertyp bestimmt, jedoch werde der Kunde „nicht in eine von drei Risikoklassen gesteckt“, sondern die tatsächliche Lebenssituation sowie Wünsche und Ziele würden über zehn bis 15 Kernfragen abgesteckt, erläutert Grieble. Dann folgten Informationen über Produktarten, günstige Vertriebskanäle wie etwa Direktbanken und am Ende stehe eine Liste mit circa fünf bis acht konkreten Produktempfehlungen.
Baden-Württemberg, Nordrhein- Westfalen, Hamburg und Berlin gelten als Vorreiter in der Anlageberatung, Bayern fällt dagegen vollkommen aus, weil „die finanziellen und dadurch bedingt personellen Kapazitäten fehlen“, wie Pressesprecherin Ingrid Kreuzer bedauert.
Das zugkräftigste Argument der Verbraucherzentralen ist ihre Unabhängigkeit, denn sie beraten nur und verkaufen nichts, es gibt kein Provisionsinteresse.
Allerdings liegen die Stärken der Beratung in sehr defensiven Produkten, etwa Ansparplänen, Sparbriefen sowie fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen. Fonds, die weltweit auf Aktien und Renten setzen, werden ebenfalls noch berücksichtigt; Optionsscheine oder spezialisierte Fonds bleiben in der Regel außen vor. Wer jedoch mit einem Depot kommt, in dem Einzelaktien oder Warrants schon enthalten sind, wird trotzdem beraten.
Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg findet die Konzentration auf mehr Sicherheit statt Rendite eher vorteilhaft: „Wir haben noch keinen gesehen, der mit Bundeswertpapieren Geld verloren hat“. In Hamburg kostet die persönliche Einzelberatung, für die 90 Minuten angesetzt werden, 200 DM. Es gibt aber auch eine Sprechstunde für 30 DM, wenn akuter Handlungsbedarf bei notleidenden Depots herrscht oder nach Engagements am „Grauen Kapitalmarkt“ der Schaden begrenzt werden soll. Neuerdings, so weiß die Beraterin aus der Praxis zu berichten, suchten auch sehr viele Kunden Rat, bei denen „die Fonds im Keller sind“.
Trotz der beschworenen Aktienkultur in Deutschland ist das Basiswissen vieler Anleger nach Auskunft der Geldberater vielfach mangelhaft. So sei das magische Dreieck aus Sicherheit, Rendite und Liquidität nicht jedem geläufig, hat Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen festgestellt, die eine persönliche Beratung zur Altersvorsorge für 250 DM anbietet sowie Abendseminare veranstaltet (drei Stunden/60 DM).
Ein Problem bleibt aber: eine objektive Erfolgskontrolle der Beratungen in den Verbraucherzentralen fehlt. Die Stiftung Warentest beziehungsweise die Zeitschrift „Finanztest“, die sich sonst bei der Benotung der Banken nicht schwer tun, halten sich hier zurück. Wegen der Kooperationen mit den Verbraucherschützern werde es keinen Test geben, teilte ein Sprecher mit.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 04. Oktober 2001