40 Prozent der neuen Erstklässler können kein Deutsch
Sprachliche Basis fehlt
Das Schulamt will den Defiziten mit Sprachlernklassen begegnen
4245 Kinder werden im September eingeschult. Lesen, Schreiben, Rechnen sollen sie lernen. Doch 40 Prozent der Erstklässler fehlt die Basis, um dem Unterricht folgen zu können: Sie können kein oder nur wenig Deutsch. Das Schulamt will die Sprachdefizite ab September mit einem „völlig neuen Programm“ ausgleichen, sagt Manfred Schreiner, Chef des Amts für Volks- und Förderschulen. „Sprachlernklasse“ für die erste Jahrgangsstufe heißt die Zauberformel.
Die Anmeldezahlen lassen die Probleme erahnen, die auf Schüler und Lehrer zukommen. In einigen ersten Klassen werden die Schüler, die wenig Deutsch können, im kommenden Schuljahr deutlich in der Überzahl sein. Beispiel Grundschule Preißlerstraße (Gostenhof): 70 Kinder sind angemeldet. Darunter 44 Ausländerkinder. Beispiel Grundschule Sperberstraße (Lichtenhof): Dort stammt die Hälfte der 124 neuen ABC-Schützen aus ausländischen Familien.
Die fehlenden Deutschkenntnisse vieler Erstklässler wecken Ängste. „Wie soll ich da noch unterrichten“, fragen sich Lehrer. „Lernt mein Kind überhaupt etwas, wenn die Lehrkräfte in erster Linie als Deutschlehrer vor der Klasse stehen“, fragen sich Eltern. Adelheid Richter, Vorsitzende des Gemeinsamen Elternbeirats für die Volksschulen (GEB), kennt diese Sorgen. Sie kennt die Bedenken aus eigener Erfahrung. Ihre Tochter besucht die erste Klasse der Grundschule Knauerstraße (Gostenhof). Deutsche und ausländische Kinder kämen zwar prima miteinander zurecht. Doch weil es bei manchen mit den Deutschkenntnissen hapert, „kommt man mit dem Stoff nicht richtig vorwärts“.
Diese Probleme haben das Schulamt umdenken lassen. Das Ergebnis: Sprachlernklassen (wir berichteten). Im neuen Schuljahr werden Kinder mit Sprachproblemen für 14 Schulstunden pro Woche aus der Klasse genommen.
Parallel zum normalen Unterricht läuft Sprachförderunterricht. „Sie lernen intensiv Deutsch und bekommen gleichzeitig auch Schulstoff vermittelt“, sagt Schreiner. In den übrigen neun Schulstunden sind alle Kinder wieder gemeinsam in der Klasse.
Nürnberg ist laut Schreiner die erste Stadt in Bayern, die den Weg der Sprachlernklassen beschreitet. Ins Gespräch hat dieses Modell Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier gebracht, nachdem Deutschland bei der PISA-Studie miserabel abgeschnitten hatte. In Nürnberg wird es an zehn von insgesamt 52 Grundschulen Sprachlernklassen geben. Unterrichtet wird von Lehrern, die eine Zusatzausbildung haben. Die Personalkosten von rund 250 000 Euro pro Schuljahr trägt der Freistaat. Für den Sachaufwand – zum Beispiel Schulbücher – in Höhe von rund 30 000 Euro kommt die Stadt auf.
Adelheid Richter vom GEB hält die Sprachlernklassen „nicht für den Idealweg“. Sie befürchtet, dass ausländische Kinder ausgegrenzt werden. „Wenn sie nur neun Stunden im Klassenverband sind, dann findet keine Integration statt.“ Sie hält es ohnehin für sinnvoller, mit dem Sprachunterricht früher zu beginnen und das letzte Jahr vor der Einschulung zum Kindergarten-Pflichtjahr zu machen. Heinz Joachim Schlein vom Bayerischen Elternverband sieht die Sache positiver: „Es ist nichts dagegen zu sagen, solange es nicht darum geht, Kinder auszusortieren.“