Da soll gespart werden, und dann kommt das (aus der FR von heute):
Wenn Kassenärzte eine "nicht besonders kluge" Anzeige schalten
Umstrittene Kampagne gegen die rot-grüne Gesundheitspolitik entwirft eine Horrorvision, gilt intern aber als "Rohrkrepierer"
Von Karl Doemens (Berlin)
Mit ihrer Anzeigenkampagne gegen die rot-grüne Gesundheitspolitik haben sich die Funktionäre der Kassenärzte massiven Ärger eingehandelt. Fünf Länderministerien untersagten ihnen mittlerweile die "Falschaussagen". Interne Kritiker sprechen von einem "Rohrkrepierer".
Das Gesundheitswesen in Deutschland ist am Ende. Beim Arzt zählt nicht der Mensch, sondern nur noch, "dass es möglichst wenig kostet". Die Therapie bestimmen die Politiker. Über die Medikamente entscheiden die Kassen-Funktionäre, und "alle vertraulichen Behandlungsdaten" der Patienten werden publik gemacht.
Eine Horrorvision? Mitnichten. Nach Meinung von 19 der bundesweit 23 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sieht so die Realität nach vier Jahren rot-grüner Gesundheitspolitik aus. Für mehr als 120 000 Euro aus den Zwangsbeiträgen ihrer Mitglieder schalteten sie am Donnerstag Anzeigen in sechs Zeitungen - rein zufällig drei Tage vor der Bundestagswahl.
Vergeblich hatten besonnene Ärzte-Vertreter wie der westfälische KV-Vize Wolfgang Aubke in internen Schreiben gewarnt, die Aktion werde "zum Rohrkrepierer". Auch der niedersächsische KV-Chef Eberhard Gramsch nannte das ganze Vorgehen "nicht besonders klug". Vergeblich riet die sogar Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) von der rechtlich heiklen Kampagne ab: Dem radikalen nord-württembergischen KV-Fürsten und CDU-Mitglied Werner Baumgärtner gelang es, die Mehrzahl seiner Kollegen auf Konfrontationskurs zu zwingen.
Das dürfte manch einem Funktionär inzwischen leid tun. Viele kannten den Text gar nicht, als sie der Schaltung der Anzeige zustimmten. Einigen dürfte die Brisanz erst bewusst geworden sein, als ihnen am Donnerstag von ihren Aufsichtsbehörden die weitere Verbreitung der "sachlich falschen" Aussagen untersagt wurde. Die Gesundheitsministerien von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern halten zudem derart politische Stellungnahmen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften für grundsätzlich unzulässig. Nun können sie eine Richtigstellung verlangen und sogar Zwangsgeld verhängen.
"Man versucht, uns mundtot zu machen", klagt Baumgärtner. Der Text der Anzeige sei nicht zu beanstanden. "Der Text ist schlichtweg falsch", kontert sein westfälischer Kollege Aubke. Tatsächlich ist in der Kampagne von neuen "staatlich vorgegebenen Behandlungsrichtlinien" für chronisch Kranke die Rede. In Wahrheit handelt es sich um bloße "Leitlinien", die im gemeinsamen Koordinierungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen unter Beteiligung der KBV ausgehandelt wurden und eine qualitativ hochstehende Versorgung nach Qualitätsstandards garantieren sollen. Die Teilnahme an diesen Programmen für Brustkrebs- oder Diabetespatienten ist für die Versicherten freiwillig, der Weitergabe von Daten müssen sie ausdrücklich zustimmen.
"Unsere Aussagen liegen beinhart daneben", gesteht ein KBV-Vertreter hinter vorgehaltener Hand. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) prangert eine "massive Verletzung des ärztlichen Berufsethos" an. "Der Flurschaden ist riesig", sagt der KBV-Mann. Nicht nur dürfte der Gesprächsfaden im Falle einer rot-grünen Wiederwahl gerissen sein. Vor allem, droht Schmidt, liefere die Kampagne "allen denen Argumente", die - wie ihr Parteifreund Klaus Kirschner - seit langem die Entmachtung der Ärztekartelle fordern.
"Was verstehen wir Ärzte von Politik?", heißt es in der Anzeige. "Nichts", lautet die dort selbst gegebene Antwort.