Sommer gut, alles gut

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Nassie:

Sommer gut, alles gut

 
02.08.03 22:03
Ein Hoch jagt das andere. Mit den Hitzerekorden steigt auch die Konjunkturhoffnung. Die deutsche Wirtschaft steht vor dem Turn-around
von Ulrich Porwollik

 
Guter Sommer und gute Nachrichten
Foto: ddp    
Erst musste der Kanzler seinen geliebten Italien-Urlaub abblasen, weil ein Staatssekretär aus der Berlusconi-Regierung die deutschen Urlauber als dick und doof beschimpfte. Jetzt wird aus dem stornierten Trip auf den Apennin ein Fest für Augen und Ohren. Schröder unter der Konjunktursonne.


Waren noch vor wenigen Wochen die Wirtschaftsnachrichten von Arbeitslosigkeit, mauem Wachstum und alles abwürgender Steuerlast durchsetzt, buhlen nicht erst seit Hoch Michaela mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke, positive Nachrichten um die Gunst der Leser.


Die Hoteliers an der deutschen Küste melden "ausgebucht". Erst wartete Urlaubsweltmeister Deutschland den Krieg gegen Saddam und die Lungenseuche Sars ab, um sich dann angesichts des Costa-Brava-Klimas kurz entschlossen für Cap Arkona statt Cap Horn zu entscheiden. Vor allem die Küstenländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern melden deutliche Zuwächse. Voll sind aber auch die Campingplätze Bayerns. Zwischen fünf und sieben Prozent über Vorjahresniveau liegt die Auslastung der Betten. Selbst Italiener machen 2003 Dolce Vita in Kühlungsborn.


Ähnlich begeistert sind Deutschlands Gastronomen. Laut deutschem Tourismusverband ist auch hier ein Trend festzustellen, der keinen Zweifel lässt: alles deutlich im Plus.


Jeder hier zu Lande ausgegebene Euro sind zwei für die Konjunktur. Erstens belebt er die Inlandskonjunktur und zweitens wandert er nicht ins Ausland und fördert das Wachstum von Mallorca oder Rimini.


Und was für Flugtickets nicht ausgegeben wurde, wandert in diesem Sommer in den SSV. Der Handel, seit Jahren in der Misere, frohlockt über "den besten Schlussverkauf seit Jahren".


Die Hitze macht durstig. Deutschlands Brauer sind durchweg zufrieden mit den Hitzerekorden und melden "volle Zufriedenheit". Schon der warme Juni hatte ein Plus beim Bierabsatz von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr beschert. Noch besser läuft der Mineralwasser-Absatz. Der Juni lag 25 Prozent über Vorjahresniveau. Auf das Halbjahr bezogen liegt die Branche immer noch bei einem Plus von 7,8 Prozent.


Freiluftkinos, Freizeitparks, Biergärten, Bötchenvermieter und Mini-Golf-Betreiber; wer in Deutschland das Risiko eingeht und Open-Air-Geschäfte betreibt, für den wird in diesen Wochen die Last der Hitze zur Lust am Umsatz.


Nun machen Mineralwasser und Minigolfplätze noch keinen Konjunktursommer. Aber passend zu den Sommer-Hitze-Gute-Laune-Daten melden auch die Wirtschaftsforscher durchweg mehr Optimismus. Der Geschäftsklima-Index des Münchner Ifo-Instituts kletterte ähnlich wie die Temperaturen. Seit Mai dieses Jahres werden vor allem die Erwartungen für die kommenden sechs Monate in der deutschen Industrie deutlich nach oben revidiert. Dreimal besser, so die Faustformel der Ökonomen, bedeutet eine Trendwende. Seit 1960 wird der Ifo-Index ermittelt. Noch nie folgte einem dreimaligen Anstieg später das böse Erwachen.


Und dann revidierten auch noch die Amerikaner ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 2,4 Prozent nach oben. Kursfeuerwerk an Wallstreet war die Folge. Auch Frankfurt zeigte plötzlich noch mal Kurspotenzial. Der Dax legte zu.


Wenig wundert's, dass Regierungskreise "endlich von einem Hoffnungsschimmer sprechen", dass sich die Aufschwungdynamik jetzt gegen den Pessimismus vergangener Tage durchsetzt. Wie beim Ifo-Index lässt auch hier ein Blick in die Konjunktur-Annalen einiges ablesen: Ist der Sommer warm, lacht auch die Konjunktursonne über Deutschland.


Schlimme Folgen hat der Endlich-ist-mal-wieder-richtig-Sommer, allerdings für die Bauern. Nicht nur dass die Ernte 2003 fast nicht mehr zu retten ist. Laut internationalen Studien müssen deutsche Landwirte sogar langfristig auf bislang ungewohnte Anbaumethoden umsteigen. Wegen der Klimaveränderung wachsen in der Republik mittlerweile nicht nur klassische Südfrüchte wie Kiwis. Traditionelle Getreidearten wie Sommergerste und Mais können auf Dauer dem warmen Wetter nicht widerstehen. Auf ein Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes werden die Kosten veranschlagt, um deutsche Bauern auf die Felder der Zukunft zu schicken.


Geradezu zum Desaster wird das Super-Wetter aber für die Kinobetreiber. Donnerstag lief der neue Arnold-Schwarzenegger-Film "Terminator III" in Deutschland an. Was bei typischem Wind-und-Regen-Wetter ein Kinoknaller geworden wäre, lockte angesichts von 23 Grad um 20.30 Uhr in Berlin nur hartgesottene Arnie-Fans in die Filmtheater.


Nur Dauerregen, der ab Mitte November nahtlos in Schneetreiben übergeht, kann die Bilanz der Kinos noch retten.


Aber wer will das. Einer bestimmt nicht. Der macht Urlaub. In Hannover. Und dankt Joyce, Kerstin, Lulu, Ilka und Michaela - den Hochs der Sommersaison 2003.


Mitarbeit: Michael Schneider


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