ftd.de, Do, 18.7.2002, 11:44, aktualisiert: Do, 18.7.2002, 15:45
Schröder entlässt Verteidigungsminister Scharping
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) entlassen. Zum Nachfolger ernannte Schröder den Chef der SPD-Bundestagsfraktion Hans-Peter Struck.
Verteidigungsminister Rudolf Scharping gerät in Erklärungsnot
Scharping hatte sich zuvor gegen seine Entlassung gewehrt. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Scharping am Donnerstag, "beliebig aufgestellte Behauptungen eines Magazins können nicht Anlass für einen Rücktritt sein". Das sei mit seiner Auffassung von Amtspflicht nicht vereinbar. Aus Regierungskreisen hieß es jedoch am Donnerstag, der Verteidigungsminister sei eine dauerhafte Belastung und somit im Wahlkampf nicht mehr tragbar.
Nach Telefonaten mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Generalsekretär Franz Müntefering brach Scharping seine Sommerreise durch die Truppe ab und flog nach Berlin zurück. Schröder strich einen für Donnerstagnachmittag geplanten Besuch einer Probe zu den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen. Als Grund nannte das Bundespresseamt die Diskussionen um Scharping. Kurzfristig wurden für den Nachmittag Sondersitzungen des SPD-Präsidiums um 15 Uhr, des geschäftsführenden SPD-Fraktionsvorstands um 16 Uhr und des gesamten Fraktionsvorstands um 18 Uhr einberufen. Am Freitag um 10 Uhr tagt die ganze Fraktion.
"Es ist im Moment ziemlich egal, welche Entscheidung die Politik trifft", sagte ein Kommandeur FTD-online. "Hauptsache, es kommt wieder Ruhe in die politische Führung der Truppe." Rudolf Scharping habe in den vergangenen zwei Jahren viel Vertrauen bei den Soldaten der Bundeswehr verloren. "Die Stimmung ist richtig gekippt. Und das hängt nicht nur mit dem Strukturwandel der Bundeswehr zusammen", sagte der Offizier weiter.
Scharping weist Vorwürfe zurück
Scharping bestätigte der "Bild"-Zeitung, dass er insgesamt 140.000 DM von Hunzinger erhalten hat. Er wies aber Verdächtigungen zurück, damit gegen das Ministergesetz verstoßen zu haben, das ihm andere Einnahmen als das Ministergehalt untersagt. Es handele sich um ein 1998 gezahltes Lizenzgeld in Höhe von 80.000 DM im Vorgriff auf das Honorar für seine Lebenserinnerungen sowie um Vortragshonorare von 60.000 DM 1999. Die Ansprüche darauf habe er vor seiner Zeit als Bundesminister erworben. "Das Geld ist ordentlich dem Finanzamt erklärt und versteuert worden", sagte Scharping. Die Honorare und Lizenz-Gelder habe er unter anderem für wohltätige und politische Zwecke verwendet.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hat Scharping zum Rücktritt aufgefordert, falls sich die Vorwürfe wegen umstrittener Honorarzahlungen an den Minister bestätigen sollten. Der Bundeskanzler müsse sich dann für die letzten Monate seiner Amtszeit nochmal einen neuen Verteidigungsminister suchen, sagte Glos im Deutschlandfunk. "Wenn ein Bundesminister der Verteidigung gegen Honorar für die Rüstungsindustrie tätig gewesen ist, dann ist das etwas, was mit unserem rechtsstaatlichen Denken nicht vereinbar ist", fügte er hinzu.
Der PR-Unternehmer Moritz Hunzinger hat bestritten, dass die vom "Stern" veröffentlichten Unterlagen über seine Geschäftsbeziehungen zu Scharping authentisch sind. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierte Hunzinger mit der Aussage: "Die vom 'Stern' veröffentlichte Sammlung von Papieren gibt es bei mir im Unternehmen nicht." Den Inhalt der Papiere nannte Hunzinger laut "FAZ" harmlos. Er fügte hinzu: "Die Aktion aber ist durchsichtig, denn seit Oktober 2000 wird dieses Material auf dem Medienmarkt angeboten. Das geschah bisher vergeblich. Erst jetzt, pünktlich zur Wahl, findet sich ein Medium dafür." Zum Inhalt sagte er, es gebe "nichts, was unter moralischen, unter kaufmännischen und unter gesetzlichen Aspekten mit Fragezeichen zu versehen wäre".