Für Sie gelesen: "Chartanalysen"
Was die Kurven sagen, warum die Börse ihnen gehorcht - auch wenn sie lügen.
Bevor heute ein Manager Geld anlegt, möchte er erst einmal von einem "sexy" Investment überzeugt werden, damit er "zubeißen" kann. Wo die Sprache ein Indikator für das Animalische, Instinkt-gesteuerte im Börsengeschäft ist, mag es nicht verwundern, dass Kurs-Kurven häufig genug ausschlaggebend dafür sind, ob Anleger die Papiere "attraktiv" finden oder nicht. Sinn hin, Unsinn her.
Die technische "Kurskurven-Analyse" wurde in den USA von Charles Dow entwickelt, dem Gründer des Wall Street Journal. Dow fand heraus, dass sich Auf- und Abwärtsbewegungen oft an gleichen Mustern erkennen lassen.
Ziel der technischen Aktienanalyse ist vor allem die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts für deren Kauf oder Verkauf. Ein hoch gestecktes Ziel. Denn könnte die Aktienanalyse diesen Anspruch erfüllen, gäbe es an der Börse keine Überraschungen mehr.
Das Prinzip ist einfach: Man betrachtet den Kursverlauf eines bestimmten Papiers und stutzt in einem ersten Schritt durch die Bildung eines Durchschnitts alle kurzfristigen Schwankungen. Der gezähmte Kurs (Primärtrend) kann nun leichter analysiert werden. Hierbei verwendet man in einem zweiten Schritt Kursbilder, die sich in der Vergangenheit als typisch für eine bestimmte Kursbewegung herausgestellt haben.
Mit der Trendbestimmung versucht der Broker die grundsätzliche Richtung eines Kurses zu erkennen. Dabei gilt ein Aufwärtstrend als intakt, wenn jeder neue Höchststand eines Kurses über dem vorangegangenen alten Höchstständen liegt. Gleiches gilt umgekehrt für den Abwärtstrend.
Um den Kursverlauf glatt zu rechnen, werden gleitende Durchschnitte ermittelt. Diese können die Kurse in einem Bereich von 30 bis zu 200 Tagen abbilden. An jedem Börsentag wird dabei der aktuelle Kursdurchschnitt des Tags hinzugefügt, und der älteste der Rechnung gestrichen (daher "gleitender" Durchschnitt). Anschließend wird die begradigte Durchschnittskurve mit dem tatsächlichen Kursverlauf verglichen. Durchschneidet die Kurslinie die Linie der gleitenden Durchschnitte von unten nach oben wird dies als Kaufsignal gedeutet. Sinkt der Kurs unter die Durchschnittslinie, ist dies ein Verkaufssignal.
Bei der Methode der Trendkanäle werden durch die Tiefpunkte und Hochpunkte der Kurskurve Geraden gezogen. Verlaufen beide Geraden parallel, bezeichnet man dies als Trendkanal. Ausbrüche werden als Trendänderung bewertet.
Daneben gibt es noch viele andere Methoden. Bei den Chartformationen verwendet man geometrische Figuren wie Rechtecke und Dreiecke, Wimpel oder Keile, die Trendumkehr oder Trendbestätigung verheißen können. In der Zauberkiste liegen daneben noch Unterstützungs- und Widerstandslinien und geheimnisvolle Begriffe wie der Beta-Faktor, Oszillator, Volatilität oder Advance-Decline-Linie.
Eine Aussage von Prof. Reinhart Schmidt, Professor für Finanzwissenschaft an der Uni Halle, bringt es auf den Punkt. Auf die Frage, von welchen Tipp-Gebern er eher abraten würde lautete seine Antwort, dass häufig dubiose Techniken bei den Analysen angewendet würden und die technische Chartanalyse für langfristig orientierte Anleger völlig nutzlos sei.
Der wunde Punkt: Die Chartanalyse lebt von Interpretationen. Jeder versucht, die Unsicherheit der Börsen möglichst klein zu rechnen. Im Falle eines langfristigen Anlegers wird beispielsweise schnell klar, dass eine 200-Tage-Kurve kaum aussagefähig sein kann, wenn das Papier viele Jahre gehalten werden soll. Zudem sind lange Erfahrung und profunden Kenntnisse nötig, um Schlüsse ziehen zu können.
Der Privatanleger der sich trotzdem einmal in der Chartanalyse versuchen möchte, bekommt dank der neuen Medien dazu ausreichend Gelegenheit. Am komfortabelsten sind hierbei fertige Chartanalysen, etwa von börse-online.de. Der Vorteil: Ein Text bringt den Chartverlauf mit der Situation des Unternehmens in Verbindung.
Heute bieten auch die meisten Direkt-Broker und Internetbanken die Option, den Kursverlauf einer Aktie graphisch darzustellen. Eine neue Möglichkeit sind Chartprogramme für den PC, die meist auch noch eine komfortable Funktion zur Depotverwaltung bieten. Bisweilen kann die Kursdatenbank solcher Programme sogar via Internet stets auf dem neuesten Stand gehalten werden. Doch auch hier gilt: Das Rohmaterial wird zwar fehlerfrei aufgearbeitet, doch die Interpretation ist offen.
Ein Rezept, um aus den Kurven Geld zu machen gibt es nicht. Wenngleich viele Aktienbroker ungebrochen das Hohelied der Chartanalyse singen. Wenn es auch der Nachbar am nächsten Schreibtisch macht, kann sich der Analyst zudem nur schwer entziehen.
Doch der Schuss kann nach hinten losgehen: In einer Art von self-fulfilling Prophecy nämlich. Eine sich selbst erfüllende Vorhersage also, die Eintritt, weil viele Spekulanten aufgrund ihrer Analyse erwarten, dass eine Bewegung bevorsteht. Das Ergebnis: alle verkaufen oder kaufen gleichzeitig. Was Wunder, wenn der Markt dann wie von Zauberhand die Prophezeiung der Kurvenleser bestätigt.
Quelle: more-IPO.de, Manuel Eder
Freitag, 3. November 2000
Was die Kurven sagen, warum die Börse ihnen gehorcht - auch wenn sie lügen.
Bevor heute ein Manager Geld anlegt, möchte er erst einmal von einem "sexy" Investment überzeugt werden, damit er "zubeißen" kann. Wo die Sprache ein Indikator für das Animalische, Instinkt-gesteuerte im Börsengeschäft ist, mag es nicht verwundern, dass Kurs-Kurven häufig genug ausschlaggebend dafür sind, ob Anleger die Papiere "attraktiv" finden oder nicht. Sinn hin, Unsinn her.
Die technische "Kurskurven-Analyse" wurde in den USA von Charles Dow entwickelt, dem Gründer des Wall Street Journal. Dow fand heraus, dass sich Auf- und Abwärtsbewegungen oft an gleichen Mustern erkennen lassen.
Ziel der technischen Aktienanalyse ist vor allem die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts für deren Kauf oder Verkauf. Ein hoch gestecktes Ziel. Denn könnte die Aktienanalyse diesen Anspruch erfüllen, gäbe es an der Börse keine Überraschungen mehr.
Das Prinzip ist einfach: Man betrachtet den Kursverlauf eines bestimmten Papiers und stutzt in einem ersten Schritt durch die Bildung eines Durchschnitts alle kurzfristigen Schwankungen. Der gezähmte Kurs (Primärtrend) kann nun leichter analysiert werden. Hierbei verwendet man in einem zweiten Schritt Kursbilder, die sich in der Vergangenheit als typisch für eine bestimmte Kursbewegung herausgestellt haben.
Mit der Trendbestimmung versucht der Broker die grundsätzliche Richtung eines Kurses zu erkennen. Dabei gilt ein Aufwärtstrend als intakt, wenn jeder neue Höchststand eines Kurses über dem vorangegangenen alten Höchstständen liegt. Gleiches gilt umgekehrt für den Abwärtstrend.
Um den Kursverlauf glatt zu rechnen, werden gleitende Durchschnitte ermittelt. Diese können die Kurse in einem Bereich von 30 bis zu 200 Tagen abbilden. An jedem Börsentag wird dabei der aktuelle Kursdurchschnitt des Tags hinzugefügt, und der älteste der Rechnung gestrichen (daher "gleitender" Durchschnitt). Anschließend wird die begradigte Durchschnittskurve mit dem tatsächlichen Kursverlauf verglichen. Durchschneidet die Kurslinie die Linie der gleitenden Durchschnitte von unten nach oben wird dies als Kaufsignal gedeutet. Sinkt der Kurs unter die Durchschnittslinie, ist dies ein Verkaufssignal.
Bei der Methode der Trendkanäle werden durch die Tiefpunkte und Hochpunkte der Kurskurve Geraden gezogen. Verlaufen beide Geraden parallel, bezeichnet man dies als Trendkanal. Ausbrüche werden als Trendänderung bewertet.
Daneben gibt es noch viele andere Methoden. Bei den Chartformationen verwendet man geometrische Figuren wie Rechtecke und Dreiecke, Wimpel oder Keile, die Trendumkehr oder Trendbestätigung verheißen können. In der Zauberkiste liegen daneben noch Unterstützungs- und Widerstandslinien und geheimnisvolle Begriffe wie der Beta-Faktor, Oszillator, Volatilität oder Advance-Decline-Linie.
Eine Aussage von Prof. Reinhart Schmidt, Professor für Finanzwissenschaft an der Uni Halle, bringt es auf den Punkt. Auf die Frage, von welchen Tipp-Gebern er eher abraten würde lautete seine Antwort, dass häufig dubiose Techniken bei den Analysen angewendet würden und die technische Chartanalyse für langfristig orientierte Anleger völlig nutzlos sei.
Der wunde Punkt: Die Chartanalyse lebt von Interpretationen. Jeder versucht, die Unsicherheit der Börsen möglichst klein zu rechnen. Im Falle eines langfristigen Anlegers wird beispielsweise schnell klar, dass eine 200-Tage-Kurve kaum aussagefähig sein kann, wenn das Papier viele Jahre gehalten werden soll. Zudem sind lange Erfahrung und profunden Kenntnisse nötig, um Schlüsse ziehen zu können.
Der Privatanleger der sich trotzdem einmal in der Chartanalyse versuchen möchte, bekommt dank der neuen Medien dazu ausreichend Gelegenheit. Am komfortabelsten sind hierbei fertige Chartanalysen, etwa von börse-online.de. Der Vorteil: Ein Text bringt den Chartverlauf mit der Situation des Unternehmens in Verbindung.
Heute bieten auch die meisten Direkt-Broker und Internetbanken die Option, den Kursverlauf einer Aktie graphisch darzustellen. Eine neue Möglichkeit sind Chartprogramme für den PC, die meist auch noch eine komfortable Funktion zur Depotverwaltung bieten. Bisweilen kann die Kursdatenbank solcher Programme sogar via Internet stets auf dem neuesten Stand gehalten werden. Doch auch hier gilt: Das Rohmaterial wird zwar fehlerfrei aufgearbeitet, doch die Interpretation ist offen.
Ein Rezept, um aus den Kurven Geld zu machen gibt es nicht. Wenngleich viele Aktienbroker ungebrochen das Hohelied der Chartanalyse singen. Wenn es auch der Nachbar am nächsten Schreibtisch macht, kann sich der Analyst zudem nur schwer entziehen.
Doch der Schuss kann nach hinten losgehen: In einer Art von self-fulfilling Prophecy nämlich. Eine sich selbst erfüllende Vorhersage also, die Eintritt, weil viele Spekulanten aufgrund ihrer Analyse erwarten, dass eine Bewegung bevorsteht. Das Ergebnis: alle verkaufen oder kaufen gleichzeitig. Was Wunder, wenn der Markt dann wie von Zauberhand die Prophezeiung der Kurvenleser bestätigt.
Quelle: more-IPO.de, Manuel Eder
Freitag, 3. November 2000