21:09 Uhr: Meinung von Christina Anastassiou
Land unter bei MLP
MLP gerät zum Spielball der Hedge-Fonds. Die Aktie des Finanzdienstleisters ist zwischenzeitlich um knapp 20 Prozent eingebrochen, nachdem neue Bedenken um die Bilanzierungspraxis aufgekommen waren. Das Magazin "Börse Online" meldete, einiges deute darauf hin, dass MLP 2000 und 2001 deutlich zu hohe Gewinne ausgewiesen haben könnte. MLP weist die Unterstellungen entschieden zurück und behält sich rechtliche Schritte vor. Den Imageschaden wird das Unternehmen so bald nicht los. Die Aktie bleibt unter Beschuss. Christina Anastassiou
MLP hat das Vertrauen vieler Börsianer verloren, nachdem "Börse Online" dem Finanzdienstleister Mitte Mai angebliche Bilanzierungstricks vorgeworfen hatte. Der neue Vorwurf des Anlegermagazins: MLP soll in den Jahren 2000 und 2001 deutlich zu hohe Gewinne ausgewiesen haben. Die Heidelberger sollen Beraterprovisionen, die unter Materialaufwand fallen, nicht periodengerecht gegen die "sonstige Vermögensgegenstände" verbucht haben. Darunter fallen unter anderem die Vorschusszahlungen an die Berater, die die Provisionen übersteigen.
Zudem weist das Magazin auf folgende Unregelmäßigkeit hin: Im Einzelabschluss 2001 der MLP Lebensversicherung AG soll für das Vorjahr 2000 eine Beitragssumme des Neugeschäfts von 2,445 Milliarden Euro ausgewiesen sein. Im Einzelabschluss des Jahres 2000 beträgt der gleiche Posten 2,254 Milliarden Euro -mithin eine Differenz von 191 Millionen Euro. MLP selbst weist im Bericht nicht auf diesen Unterschied hin. Das Magazin zitiert Karlheinz Küting, Direktor des Instituts für Wirtschaftsprüfung der Universität des Saarlandes mit den Worten, MLP hätte auf jeden Fall darauf hinweisen müssen.
MLP braucht mehr als ein Dementi
MLP weist die Vorwürfe des Anlegermagazins entschieden zurück. Die Unterstellungen entbehrten jeglicher Grundlage. MLP habe keine erhöhten Gewinne ausgewiesen, sondern die Redakteure von Börse Online hätten erneut falsche Schlüsse gezogen, so MLP-Chef Bernhard Termühlen in einer knapp eine Stunde nach Börsenschluss verbreiteten kurzen Stellungnahme. Doch das Dementi allein hilft dem Unternehmen nicht weiter. Auch nicht die Aussage, die aufgeworfenen Fragen zur Verbuchung der Vorschusszahlungen an die Berater sowie die Diskussion von Einzelposten aus den Geschäftsberichten entbehrten jeglicher Sachkenntnis. Der Finanzdienstleister hat viel Vertrauen am Markt verloren, denn er hat auf die Vorwürfe um angebliche Bilanzierungstricks offenbar unterschätzt und nicht mit dem erforderlichen Maß an Transparenz reagiert.
Beste Beispiele sind die Vorgänge um die Hauptversammlung. Denn die Wirtschaftsprüfer KPMG und Deloitte & Touche, die bestätigen sollten, dass MLPs Bilanzierungspraxis rechtens ist, hatten wegen Interessenkonflikten kurzfristig abgesagt. Auch der Wirtschaftsprofessor Peter Albrecht, der sich ersatzweise für die Bilanzierungspraxis aussprach, ist befangen. Erstens ist der Versicherungsexperte selbst MLP-Aktionär. Zudem soll MLP-Großaktionär und Aufsichtsratschef Manfred Lautenschläger laut "Spiegel" die Renovierung des größten Hörsaals der BWL-Fakultät der Uni Mannheim für 750.000 Mark ermöglicht haben - in Albrechts Zeit als Dekan dieser Universität. Zwei Vorgänge, die nur neues Misstrauen säen.
Misstrauische Blicke von allen Seiten
Nun ist die MLP-Aktie in das Visier von Hedge-Fonds geraten, die auf fallende Kurse wetten. Und das mit großem Erfolg: Der Finanzdienstleister wird von Börsianern und Medien genau beäugt, jedes weitere Gerücht ausgeschlachtet. Das verheißt nichts Gutes für die Aktie, die mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von aktuell 37 noch immer hoch bewertet ist.
Zumal die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Heidelberger den Dax im September wegen ihrer zu geringen Marktkapitalisierung wieder verlassen müssen. Derzeit hat MLP einen Börsenwert von 3,1 Milliarden Euro und einen Aktienkurs von 33,29 Euro. Bei einem Kurs von 27,50 Euro fliegt die MLP-Aktie aus der ersten Börsenliga. In dem Fall ginge der Kurs noch weiter bergab. Denn dann verabschiedeten sich auch die Fonds, die den Dax nachbilden, aus der Aktie.
Die Talfahrt der MLP-Aktie ist noch nicht ausgestanden. Hedge-Fonds wetten auf fallende Kurse, hinzu kommt die Verunsicherung der Anleger über die immer wieder aufkeimenden Gerüchte um Unregelmäßigkeiten in der Bilanz. Kurzfristig ist nicht auszuschließen, dass der neuerliche Einbruch MLP auch die AWD-Aktie belastet - zu Unrecht allerdings.
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