Management
Siemens - ein Jammer
Für die Mitarbeiter ist Siemens mehr als nur irgendein Arbeitgeber. Viele von ihnen sprechen sogar von einer Siemens-Familie. Aber das ist Vergangenheit. Nach dem Verkauf der Mobiltelefonsparte an die vormals unbekannte taiwanische Gesellschaft Benq und der Pleite des deutschen Benq-Ablegers droht neben dem Verlust von 3000 Arbeitsplätzen auch der Abschied der Loyalität im alten Siemens-Konzern.
Entsprechend groß ist die Aufregung unter den Siemens-Mitarbeitern, die jetzt an den Benq-Standorten in München, Kamp-Lintfort und Bocholt um ihre Arbeitsplätze fürchten. Ihr Unmut richtet sich gegen den neuen Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld, und er entlädt sich im Intranet.
Kleinfelds Ampel steht auf Dunkelgelb
Im elektronischen Tagebuch, das der junge Chef so gerne nutzt, kann Kleinfeld nachlesen, wie die Belegschaft auf die Gehaltserhöhung von 30 Prozent für den Vorstand reagiert. Die Mitarbeiter, die nicht anonym, sondern nur in ihrem Namen schreiben können, werfen dem Vorstand Maßlosigkeit vor, weil viele von ihnen um ihre Arbeitsplätze zittern müssen.
Die Begründung des Aufsichtsrats, die der Vorsitzende Heinrich von Pierer, Kleinfelds Vorgänger, nachgeschoben hat, wonach „internationale“ Gepflogenheiten den Gehaltssprung rechtfertigen, zerpflückt ein Mitarbeiter in einem Satz: „Ich habe von unserer Siemens-Personalabteilung gelernt, daß nur Verweise auf eigene Leistungen das Gehalt rechtfertigen - nicht Vergleiche mit anderen.“
Aufgeschoben statt aufgehoben
Es gehört zum politischen Geschäft, daß Regionalpolitiker wie die Ministerpräsidenten Bayerns und Nordrhein-Westfalens, Stoiber (CSU) und Rüttgers (CDU), den öffentlichen Aufschrei populistisch ausschlachten wollen. Doch was Stoiber oder Rüttgers versprechen, werden sie nicht halten können. Im Unterschied dazu sind die Kommentare der Bundeskanzlerin Merkel (CDU), des SPD-Vorsitzenden Beck oder des Wirtschaftsministers Glos (CSU) sachlich und angemessen. Sie dürfen an die moralische Verantwortung des Konzerns für die Mitarbeiter erinnern.
Doch darf auch gefragt werden, warum Siemens mit dem Geld der Aktionäre in Form eines 30-Millionen-Fonds die gegenwärtigen Mitarbeiter von BenQ unterstützen soll. Der angebliche Verzicht auf die Gehaltserhöhung des Vorstands, mit dem Kleinfeld in Form einer Exklusivmeldung den Boulevard beruhigen wollte, entpuppt sich als bloß einjähriger Aufschub. Der Chef hat dem öffentlichen Druck nicht standgehalten, aber dennoch nicht von seiner Prämie lassen wollen. Im Fernsehen beschwört er den Aufbruch, nennt aber weder Gründe noch Verantwortliche für das Scheitern von Siemens.
Kette von Fehlentscheidungen
Es ist ein Jammer, aber die Führung von Siemens hat durch eine Kette von Fehlentscheidungen über Jahre hinweg den einstmals zukunftsträchtigen Geschäftsbereich Mobiltelefonie ruiniert. Schuld daran sind viele, allen voran der ehemalige Siemens-Chef von Pierer, aber auch Kleinfeld, der bis vor kurzem auch für diese Sparte verantwortlich war. Zu spät wurde erkannt, daß im Geschäft mit Mobiltelefonen die Werbe- und Vertriebsstärke von Konsumgüterherstellern gefragt ist, die Siemens nicht hat. Die Entscheidung aus Taiwan, Insolvenz für die deutsche BenQ anzumelden, ist Folge der hohen Verluste, mit denen auf Dauer kein Unternehmen leben kann, und wohl nicht von langer Hand geplant.
Das traurige Ende ist ein Lehrstück für den Wert von Konzernzentralen. Die Proteste in Deutschland sind ein Problem für Siemens, nicht für BenQ in Taiwan. „Unternehmerische Verantwortung“, die Politiker gern anmahnen, zeigen für Deutschland allenfalls heimische Firmenzentralen. Das beweist, wie wichtig der Unternehmenssitz für Standortentscheidungen ist. Offenbar ist der amerikanisch geprägte Kleinfeld von der politischen Dimension seiner Konzernführung überrascht worden, obwohl er sich doch intensiv um seine Außendarstellung kümmert. Warum läßt er auf Porträtfotos seine Rolex wegretuschieren? Warum müssen Mitarbeiter seiner überforderten Kommunikationsabteilung im Online-Lexikon Wikipedia Informationen über ihn unterdrücken?
Kein Geschäftsfeld wird mehr durchgeschleppt
Wer das Versagen des Managements von Siemens als Beleg für die vermeintlich schlechte Führung und Kontrolle deutscher Aktiengesellschaften nimmt, der wird den vielen gut und erfolgreich geführten Unternehmen nicht gerecht, die es auch in Deutschland gibt. Und wer pauschal das angelsächsische Kapitalmarktmodell der Unternehmensführung für überlegen erklärt, der unterschlägt die unzureichende Trennung von Führung und Kontrolle sowie die zum Teil gravierenden Mißbräuche im einstufigen amerikanisch-britischen Board-System.
Zum Amtsantritt hat Kleinfeld deutlich gemacht: Kein Geschäftsfeld wird mehr durchgeschleppt, jeder Bereich muß künftig sein Geld verdienen. Als Symbol und Werkzeug hierfür hat er bei Siemens die Ampel eingeführt. Je nach Erfüllung der Zielvorgaben erhält jeder Manager ein grünes, gelbes oder rotes Licht. Kleinfeld selbst hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, alle Ampeln im großen und komplexen Siemens-Reich auf Grün zu stellen. Daran wird er sich messen lassen müssen.
In den Bereichen Kraftwerkstechnik, Automatisierung, Autoelektronik, Medizin und Licht stehen die Ampeln auf Grün. Hingegen blinken sie in den Geschäftsfeldern Informationstechnologie, Kommunikation und Verkehrstechnik alarmrot. Kleinfeld hat öffentlich seinen Managern gedroht, wer sich länger im roten Bereich aufhalte, der lebe gefährlich. Die Börse mißtraut Kleinfeld, der Siemens-Aktienkurs entwickelt sich schlechter als der Dax. Bald steht Kleinfelds Vertrag zur Verlängerung an. Seine Ampel steht auf Dunkelgelb.
Quelle: faz.net
Euer
Einsamer Samariter
Siemens - ein Jammer
Für die Mitarbeiter ist Siemens mehr als nur irgendein Arbeitgeber. Viele von ihnen sprechen sogar von einer Siemens-Familie. Aber das ist Vergangenheit. Nach dem Verkauf der Mobiltelefonsparte an die vormals unbekannte taiwanische Gesellschaft Benq und der Pleite des deutschen Benq-Ablegers droht neben dem Verlust von 3000 Arbeitsplätzen auch der Abschied der Loyalität im alten Siemens-Konzern.
Entsprechend groß ist die Aufregung unter den Siemens-Mitarbeitern, die jetzt an den Benq-Standorten in München, Kamp-Lintfort und Bocholt um ihre Arbeitsplätze fürchten. Ihr Unmut richtet sich gegen den neuen Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld, und er entlädt sich im Intranet.
Kleinfelds Ampel steht auf Dunkelgelb
Im elektronischen Tagebuch, das der junge Chef so gerne nutzt, kann Kleinfeld nachlesen, wie die Belegschaft auf die Gehaltserhöhung von 30 Prozent für den Vorstand reagiert. Die Mitarbeiter, die nicht anonym, sondern nur in ihrem Namen schreiben können, werfen dem Vorstand Maßlosigkeit vor, weil viele von ihnen um ihre Arbeitsplätze zittern müssen.
Die Begründung des Aufsichtsrats, die der Vorsitzende Heinrich von Pierer, Kleinfelds Vorgänger, nachgeschoben hat, wonach „internationale“ Gepflogenheiten den Gehaltssprung rechtfertigen, zerpflückt ein Mitarbeiter in einem Satz: „Ich habe von unserer Siemens-Personalabteilung gelernt, daß nur Verweise auf eigene Leistungen das Gehalt rechtfertigen - nicht Vergleiche mit anderen.“
Aufgeschoben statt aufgehoben
Es gehört zum politischen Geschäft, daß Regionalpolitiker wie die Ministerpräsidenten Bayerns und Nordrhein-Westfalens, Stoiber (CSU) und Rüttgers (CDU), den öffentlichen Aufschrei populistisch ausschlachten wollen. Doch was Stoiber oder Rüttgers versprechen, werden sie nicht halten können. Im Unterschied dazu sind die Kommentare der Bundeskanzlerin Merkel (CDU), des SPD-Vorsitzenden Beck oder des Wirtschaftsministers Glos (CSU) sachlich und angemessen. Sie dürfen an die moralische Verantwortung des Konzerns für die Mitarbeiter erinnern.
Doch darf auch gefragt werden, warum Siemens mit dem Geld der Aktionäre in Form eines 30-Millionen-Fonds die gegenwärtigen Mitarbeiter von BenQ unterstützen soll. Der angebliche Verzicht auf die Gehaltserhöhung des Vorstands, mit dem Kleinfeld in Form einer Exklusivmeldung den Boulevard beruhigen wollte, entpuppt sich als bloß einjähriger Aufschub. Der Chef hat dem öffentlichen Druck nicht standgehalten, aber dennoch nicht von seiner Prämie lassen wollen. Im Fernsehen beschwört er den Aufbruch, nennt aber weder Gründe noch Verantwortliche für das Scheitern von Siemens.
Kette von Fehlentscheidungen
Es ist ein Jammer, aber die Führung von Siemens hat durch eine Kette von Fehlentscheidungen über Jahre hinweg den einstmals zukunftsträchtigen Geschäftsbereich Mobiltelefonie ruiniert. Schuld daran sind viele, allen voran der ehemalige Siemens-Chef von Pierer, aber auch Kleinfeld, der bis vor kurzem auch für diese Sparte verantwortlich war. Zu spät wurde erkannt, daß im Geschäft mit Mobiltelefonen die Werbe- und Vertriebsstärke von Konsumgüterherstellern gefragt ist, die Siemens nicht hat. Die Entscheidung aus Taiwan, Insolvenz für die deutsche BenQ anzumelden, ist Folge der hohen Verluste, mit denen auf Dauer kein Unternehmen leben kann, und wohl nicht von langer Hand geplant.
Das traurige Ende ist ein Lehrstück für den Wert von Konzernzentralen. Die Proteste in Deutschland sind ein Problem für Siemens, nicht für BenQ in Taiwan. „Unternehmerische Verantwortung“, die Politiker gern anmahnen, zeigen für Deutschland allenfalls heimische Firmenzentralen. Das beweist, wie wichtig der Unternehmenssitz für Standortentscheidungen ist. Offenbar ist der amerikanisch geprägte Kleinfeld von der politischen Dimension seiner Konzernführung überrascht worden, obwohl er sich doch intensiv um seine Außendarstellung kümmert. Warum läßt er auf Porträtfotos seine Rolex wegretuschieren? Warum müssen Mitarbeiter seiner überforderten Kommunikationsabteilung im Online-Lexikon Wikipedia Informationen über ihn unterdrücken?
Kein Geschäftsfeld wird mehr durchgeschleppt
Wer das Versagen des Managements von Siemens als Beleg für die vermeintlich schlechte Führung und Kontrolle deutscher Aktiengesellschaften nimmt, der wird den vielen gut und erfolgreich geführten Unternehmen nicht gerecht, die es auch in Deutschland gibt. Und wer pauschal das angelsächsische Kapitalmarktmodell der Unternehmensführung für überlegen erklärt, der unterschlägt die unzureichende Trennung von Führung und Kontrolle sowie die zum Teil gravierenden Mißbräuche im einstufigen amerikanisch-britischen Board-System.
Zum Amtsantritt hat Kleinfeld deutlich gemacht: Kein Geschäftsfeld wird mehr durchgeschleppt, jeder Bereich muß künftig sein Geld verdienen. Als Symbol und Werkzeug hierfür hat er bei Siemens die Ampel eingeführt. Je nach Erfüllung der Zielvorgaben erhält jeder Manager ein grünes, gelbes oder rotes Licht. Kleinfeld selbst hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, alle Ampeln im großen und komplexen Siemens-Reich auf Grün zu stellen. Daran wird er sich messen lassen müssen.
In den Bereichen Kraftwerkstechnik, Automatisierung, Autoelektronik, Medizin und Licht stehen die Ampeln auf Grün. Hingegen blinken sie in den Geschäftsfeldern Informationstechnologie, Kommunikation und Verkehrstechnik alarmrot. Kleinfeld hat öffentlich seinen Managern gedroht, wer sich länger im roten Bereich aufhalte, der lebe gefährlich. Die Börse mißtraut Kleinfeld, der Siemens-Aktienkurs entwickelt sich schlechter als der Dax. Bald steht Kleinfelds Vertrag zur Verlängerung an. Seine Ampel steht auf Dunkelgelb.
Quelle: faz.net
Euer
Einsamer Samariter