Serie: Die Blenderwirtschaft - Worthelden

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das Zentrum d.:

Serie: Die Blenderwirtschaft - Worthelden

 
08.05.02 08:27
Die Blenderwirtschaft
Worthelden
Von Georg Sieber

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Blender am Werk - "Mundus vult decipi"

7. Mai 2002 Wer wichtigen Anwendungen des Wortes auf der Spur ist, kommt geradenwegs auf das bunteste Feld der Rhetorik: Verkauf. Da heißt es Entscheidungen herbei zu führen, die bei ruhigem Verstand niemand treffen würde. Dazu muss die klare Sicht des Entscheiders ein wenig getrübt werden. Blind soll er werden für Schwachpunkte, für Ecken und Kanten. Das Positive soll ihn blenden. blind und blend hängen ja nicht ganz zufällig in ihren mittelhochdeutschen Wurzeln zusammen.

Vor jeder Pleite die Vertrauensfrage

Die meisten Verkaufslehren wurzeln in der amerikanischen Tradition der umherziehenden Quacksalber, Neuheitenhändler und Propagandisten. Wenn sich am nächsten Tag der wahre Wert des Produkts herausstellte, war der Lieferant längst über alle Berge. Kein Wunder, dass die USA heute die schärfste Produkthaftung haben und der Verbraucherschutz dort geradezu Purzelbäume schlägt.

Die zwei Grundfiguren wildwestlicher Verkaufsrhetorik sind aber noch immer weithin beliebt. Erstens:  „Sie können mir wirklich vertrauen!.“. Zweitens: „Ja, aber...“ Beim Verkaufen ist der Appell an das Vertrauen immer ein Appell an die Unvernunft. „Gib Deine Zweifel auf, ignoriere was Du siehst und weißt, vergiss Deine Interessen und Deine Besorgnisse = vertrau mir einfach.“ Solches Vertrauen fordert nur, wer den Verstand des anderen zu fürchten hätte. Gewiefte Banker wissen deswegen: Wer Vertrauen fordert, ist mit den Sicherheiten am Ende.

Blendwerker dagegen rechnen damit, dass der Durchschnittsmensch auf die Vertrauensmasche hereinfällt. Seit eh und je beschwört deswegen der Quacksalber das Vertrauensverhältnis zum Patienten und der Gauner stilisiert Teppiche, Aktienanalysen, Finanzprodukte oder Computer zur Vertrauenssache hoch. Und wenn ihnen wirklich jemand auf die Schliche kommt, trösten sie sich mit der jahrhundertealten Ausrede „mundus vult decipi“ (die Welt will betrogen werden).

Blend-Profis haben immer Recht

Das zweite Wildwest-Relikt, die beliebte „Ja, aber...“ Antwort, ist nur für den Notfall gedacht. Das Prinzip: Jede Einwendung wird akzeptiert („Ja,“) und sofort mit einem Vorteil gekontert („aber.....“).
Zu teuer? Ja, es ist teuer, aber in dieser Qualität wirklich einzigartig! Brauche ich nicht? Ja, aber Sie werden es brauchen - denken Sie an Ihre Familie, die wird es brauchen!  Zu groß? Ja, aber da bekommen Sie etwas für Ihr Geld! Mit den immer gleichen Worten lassen sich die Zweifel an der überteuerten Autoheizung, an der Make-up-Großpackung oder an einem exotischen Fonds beantworten. Die „Ja, aber..“ -Phrasen sind austauschbar und allwettertauglich.

Wer dagegen ankommen will, braucht Geduld und Energie. Der Verkäufer dagegen kann aus dem Vollen schöpfen. Seine „Einwandbeantwortung“, so der terminus technicus, kostet ihn nur einen raschen Griff in die Ja-aber-Kiste.

Unternehmensleitsätze: Philosophie mit dem Holzhammer

Ein Spezialgebiet des Verkaufs sind die Unternehmensleitsätze. Sie besetzen im Blendwerk einen Ehrenplatz. Da beteuert eine Sparkasse, ihr höchste Ziel  sei „der zufriedene Kunde“. Ein Stahlhändler bekennt sich zur höchsten Qualität bei fairen Preisen. Und eine Möbelfabrik verzichtet nicht darauf, die Persönlichkeit ihrer Mitarbeiter als ihr eigentlich Kapital zu loben. Da wird nichts ausgelassen, was werthaltig und nachhaltig klingt und vor allem kostenneutral zu machen ist: „Wir sehen im Kunden unseren Partner.“ „Wir stellen das Dienen vor das Verdienen“, so die modernen Alchimisten.

Unternehmensleitsätze sind Unternehmens-„philosophie“ auf  allgemeinverständlichem Niveau, eine Art selbstgestrickter Sinngebung, die vor allem dekorativ wirken muss. Was immer das Unternehmen treibt - der naive Mitarbeiter oder Kunde soll glauben, man ernähre sich nicht vom Brot allein, sondern fühle sich vor allem dem Guten, Wahren und Schönen verpflichtet. Dahinter steckt das Kalkül, dass doch mit Verständnis und Nachsicht rechnen dürfe, wer so edel denkt.


Text: @mey
Bildmaterial: dpa
das Zentrum d.:

Das Testat als Null-Lektüre

 
09.05.02 10:37
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Wenn der Prüfer vorbei schaut - Blenderwirtschaft, Teil 2

8. Mai 2002 Wirtschaftsprüfer prüfen nicht die Rentabilität, sondern nur die Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens. Das alles so ist, wie es ist. Plötzlich meldet das Unternehmen Insolvenz. Eine unbekannte Risikoposition in Milliardenhöhe ist aufgetaucht. Den Abnehmer, mit dem jahrelang Millionenumsätze abgewickelt wurden, den gibt es nun doch nicht. Jüngstes Beispiel: der Telematikausrüster Comroad.

Keiner will ein Warnsignal erkannt haben. Auch Banken und Analysten nicht, können sie doch bequem die Ursachen ihrer Fehlentscheidung an die Wirtschaftsprüfer delegieren. Ist der Schwarze Peter dort einmal angelangt, beginnt eine juristische Wortschlacht - mitunter mit konventionellen Mitteln.

Zu den effektivsten Verbalwaffen gehört ein ganzes Arsenal an Vorbehalten und Erklärungen. Letztlich werden die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und ergänzende Bestimmungen aus Gesellschaftsvertrag oder Satzung geprüft. Außerdem sind bei Vorlage des Jahresabschlusses die Geschäfte nicht selten schon drei bis sechs Monate weiter gelaufen. In dieser Zeit kann freilich viel passieren. Verkommt das Wirtschaftsprüfer-Testat zur Null-Lektüre?

Das Scheuklappen-Dilemma

Eine aufgescheuchte Öffentlichkeit fordert die Trennung von Beratung und Prüfung. Zeitgleich aber appelliert der Chef einer der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Kanon seiner Kollegen, die Scheuklappen abzulegen: Eine effektive Prüfungsdienstleistung erfordere heutzutage Kenntnisse und Fähigkeiten, die über die Prüfungstätigkeit im engeren Sinne hinausgingen, heißt es in einer internen Losung. Gefragt seien insbesondere Kenntnisse, die sich auf Risiken im Unternehmen beziehen wie Finanzmanagement oder Restrukturierung. „Diese Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen und anzuwenden ist für uns integraler Bestandteil einer guten Prüfungsleistung.“ Gesagt, getan?

Hat der Prüfer wirklich Durchblick, wird er lenkend - also beratend - einwirken und dafür auch klingende Münze erhalten. Oder er macht gute Miene zum bösen Spiel. Aber auch dafür wird er bzw. die Prüfungsgesellschaft in Form der Mandatsverlängerung belohnt. Das Dilemma geht weiter: Steht doch im Bestätigungsvermerk - also der Zusammenfassung des Prüfungsergebnisses - dass der Abschlussbericht die tatsächlichen Verhältnisse der Ertrags- und Vermögenslage vermittelt. Zwar heißt „vermitteln“ nicht, dass es wirklich so ist. Hat aber der wackere Prüfer über den Tellerrand geschaut und hat er tatsächlich Ungemach abseits bestehender Papiere gewittert, wird er sich dennoch im Bestätigungsvermerk sehr zurückhaltend äußern. Schließlich gibt es die Verschwiegenheitspflicht im Handelsgesetzbuch und in den Standesrichtlinien.

Sagen, ohne etwas zu sagen

Der Abschlussprüfer erklärt, „dass der von den gesetzlichen Vertretern (!) der Gesellschaft aufgestellte Jahres- oder Konzernabschluss ... nach seiner Beurteilung (!) unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt (!).“

Drei Vorbehalte auf engstem Raum. Ideale Rückzugspositionen, sollten sich einmal Aktionäre zum anschwellenden Bockgesang erheben. Allerdings erklären die Prüfer auch, „dass der Abschluss mit hinreichender Sicherheit frei von Fehlaussagen ist“. Grundlage der hinreichenden Sicherheit ist freilich die eigene Auffassung und die eigene Überzeugung, mit den richtigen Methoden geprüft zu haben. Diese wiederum werden nicht selten im wissenschaftlich Diskurs kontrovers diskutiert - vor allem dann, wenn das Wesen angelsächsischer Bilanzierungspraxis in deutsche Unternehmen diffundieren soll.

Die Rückversicherer

Wissenslücken sind menschlich und damit auch bei Abschlussprüfern und ihren Gehilfen. Man darf daher auch nicht zu viel erwarten. Schließlich sind WP-Gesellschaften selbst Gewinn-Maximierer. Und an kleineren Mandaten wie beispielsweise bei Unternehmen am Neuen Markt lassen sich hervorragend Jungakademiker ohne höhere WP-Weihen ausbilden. Trainee on the Job.

Sicherlich trainieren so manch waghalsigen Geschäftsmodelle der verblassenden New Economy und deren Bilanzierungspraxis ganz besonders. Sollte trotz des eingesetzten, immer besonders erfahrenen Prüfungsleiters etwas schief gehen, trägt sowieso der Vorstand die Verantwortung oder das faule Papier war eben nicht in der Stichprobe, mit der die Rechtmäßigkeit der Buchführung überprüft worden ist.

Keineswegs böse Zungen warnten schon vor Jahren, dass die Wirtschaftsprüfung sich zunehmend zum Rückversicherer profilierungssüchtiger Manager entwickelt. Vorstände könnten das Testat als eine Art Versicherungsschein für ihre Abenteuer nutzen. Die Ehrenberufler bekommen dazu einen internationalen Fundus dehnungsfreudiger Rechtsgrundlagen auf den Tisch und dürfen fürstliche, als Prüfung deklarierte Beraterhonorare liquidieren.
das Zentrum d.:

Profit als Spielball der Finanzjongleure

 
15.05.02 09:40
Von Markus Zydra

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Blenderwelt: Kein Verlass auf Profitzahlen

14. Mai 2002 Das waren noch Zeiten, als der spöttische Blick über die Alpen mit dem Bonmot der Lire-Millionäre angereichert wurde. Millionär ist nicht gleich Millionär, so die simple Lehre, es kommt auf die Währung an. Dass Begriffen unterschiedliche Bedeutungen zukommen können, hat die Linguistik längst erkannt. Sprachliche Gebrauchsregeln legen fest, wie wir Begriffe verstehen. Das Wort „Gewinn“ etwa, gebraucht im Zusammenhang mit Kasino, meint einen Glücksfall, Gewinn im Zusammenhang mit Konzernbilanzen meint unternehmerisches Geschick - dachten wir zumindest.

Die Zeiten haben sich geändert. Das Vertrauen der Investoren in die Rechenschiebereien der Finanzvorstände geht gegen Null. Auslöser war die vielzitierte Pleite des Energiekonzerns Enron, doch die bilanziellen Blendwerke haben eine lange Tradition und Entwicklung hinter sich. Es ist wie bei dem Flüsterspiel, bei dem der erste dem zweiten ein Wort ins Ohr raunt und beim zwanzigsten ein unverständliches Kauderwelsch herauskommt. So wurde aus Gewinn die Gewinnkennzahl, aus Profit das Ebitda. Vorbei die Zeit, als der Gewinn noch der gute alte Jahresüberschuss war - vulgo: Das, was unterm Strich, nach Abzug aller Kosten, übrig blieb.

Die große Zeit der Finanzingenieure

Doch Finanzingenieuren der Berater- und Investmentbanken war der Überschuss eine zu ungenaue Größe. So kam es, dass so eingehende Gewinnkennzahlen wie Ebit, Ebitda, Ebitdaso und Proforma die Ohren des Finanzmarkts erreichten. Wunderbar, keine Ironie an dieser Stelle, denn tatsächlich haben diese Kennziffern ihren Aussagewert, allerdings jede für sich nur einen sehr begrenzten.

Proforma-Gewinn - Blenden als Kunstform

Nun kämpft der globale Aktienmarkt seit März 2000 mit dem Bären - ohne Chance. Die Unternehmensgewinne, gemeint sind die Jahresüberschüsse, purzeln im Gleichtakt mit den Kursen - und das sieht nicht gut aus - nicht für die Analysten, nicht für die Aktionäre, nicht für die Investmentbanker. Und in einer konzertierten Aktion, die nie öffentlich ausgesprochen oder gerechtfertigt wurde, begann man vor allem bei den apostrophierten Wachstumsunternehmen, die Gewinnbegriffe den Konjunkturrealitäten anzupassen. Der weltgrößte Handyhersteller Nokia etwa stieg ab Januar 2001 in seiner Quartalsberichterstattung auf den so genannten Proforma-Gewinn um.

Spielwiese für Bilanzprofis

Dabei handelt es sich um eine besonders gewitzte Kennzahl, ist sie doch nirgends verbindlich definiert. Da kann jeder rausrechnen, was er will. Abschreibungen, zum Beispiel, so genannte einmalige Ausgaben gehören auch dazu, gesteigerte Rückstellungen ebenso. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt - ein wunderbare Spielwiese für Bilanzprofis. Kurzum: Nokia berichtet zu jedem Quartal eine Steigerung des Gewinns auf Proforma-Basis. Das hat mehr mit Zauberei als reeller Offenlegung zu tun: Proforma kann man auch ein Auto teuer verkaufen, wenn man den Motorschaden verschweigt.

Glückliche Finanzwelt

Wer nun gedacht hätte, Analysten würden wegen Nokia aufschreien, institutionelle Anleger zum Ausverkauf rufen, der hat sich getäuscht. Stille, nichts als Stille, die nur dadurch unterbrochen wird, dass Analysten sagen: „Ein Ergebnis im Rahmen der Erwartungen“. Punktlandung heißt das, und alle sind zufrieden: Die einen, weil sie in ihren Prognosen richtig lagen; die anderen weil sie die Prognosen erfüllten. Schöne Finanzwelt, der Kaiser hat neue Kleider und alle applaudieren.

Das große Adhoc-Rätsel

Nun soll es ja Privatanleger geben, die sich in ihre Aktie verbeißen. Sie wollen trotz des Jubels wissen, wie es um das Unternehmen bestellt ist. Das ist möglich. In den verpflichtenden Adhoc-Mitteilungen steht in aller Regel auch der Nettoüberschuss des Quartals, meist ganz unten, aber immerhin. Und bei Nokia würde man seit 2001 im Sinne des klassischen Jahresüberschuss eben einen dramatischen Gewinneinbruch feststellen, der an den Finanzmärkten jedoch lange keine Reaktionen hervorrief. Warum, kann man sich fragen, und die Antwort mutet simpel an: Weil sich alle darauf geeinigt hatten, dass der Kaiser nicht nackt ist.

Ebitda - berüchtigt und beliebt

Neben der nebulösen Proforma-Kennzahl gibt es noch das berüchtigte Ebitda. Das ist der Gewinn vor Zinszahlungen für Kredite, vor Steuern und vor Abschreibungen. Die Deutsche Telekom hat dieses Ebitda als Steuerungsmaßzahl gewählt. Kein Wunder, möchte man sagen, denn gerade Schulden und Abschreibungen belasten den Jahresüberschuss. Ron Sommer ist da in guter Gesellschaft. AOL Time Warner musste im ersten Quartal 2002 einen Rekordverlust von 54,2 Milliarden Dollar melden - aufgrund dramatischer Abschreibungen auf die einst als zukunftsweisend charakterisierte Fusion.

Goodwill - das Versagen der Manager

Für die Deutsche Telekom erweisen sich die Investitionen in die UMTS-Zukunft als wahres Geldgrab, dazu kommt noch die Milliardenübernahme von Voicestream in den USA. In der Telekombilanz kann man in diesem Zusammenhang von milliardenschweren Goodwillabschreibungen lesen.

Goodwill ist eine Art Aufpreis, den die Telekom für Voicestream bezahlt hat. Das war üblich zu Zeiten der Hausse. Man gibt Goodwill für so genannte immaterielle Werte, sprich die Kompetenz der Mitarbeiter, die Kundenstämme und so etwas. Doch meist lag der Goodwill im zweistelligen Milliardenbereich - und damit deutlich über dem materiellen Unternehmenswert. Mit der Aktienbaisse plumpste der Goodwillwert und muss deshalb abgeschrieben werden, zumindest derzeit noch nach den Bilanzregeln von HGB und IAS, die neben dem US-Standard US-GAAP Maßstäbe setzen, die eine Vergleichbarkeit der Unternehmensperformance ad absurdum führen - doch das ist eine andere Geschichte.

Kein einheitlicher Bilanzierungsstandard

Schon der Goodwill klingt unglaublich kompliziert, man kann es deshalb so zusammenfassen: Eine umfangreiche Goodwillabschreibung sagt aus, dass der CEO für eine Übernahme zuviel Geld bezahlt hat. Aktionärsvermögen wurde vernichtet. Das hört kein Boss gerne, auch kein Investmentbanker, der den Deal einfädelte, und deshalb richtet man die Blicke lieber aufs Ebitda.

Das System regiert, die Akteure reagieren

Das klingt alles nach einer ganz großen Verschwörung, um Aktionäre zu schädigen. Doch so einfach ist es nicht. Große US-Pensionsfonds etwa, die Aktionärsvermögen verwalten, sind mit im Boot. Deutsche Fondsmanager ebenso wie britische. Sie sind systemisch gefangen. Denn wenn man groß aussteigt aus der Aktie, dann fallen die Kurse und damit der Shareholder Value. Und vor allem: Wo soll man stattdessen einsteigen? Auch die Konzernchefs sind gefangen. Vergleichbar mit Marionetten setzen sie die vielfach unausgesprochenen Erwartungen des anonymen Marktes um. Das führt zu einem Herdentrieb. Wer ausschert, wird abgestraft, wie der Fall Porsche zeigt, wo man sich weigert, jedes Quartal Konzernzahlen zu veröffentlichen.

Ausreizen des Wachstumsdiktats

Irgendwann ist das Wachstumsdiktat des Shareholder Value trotz günstigen Ebitda-Ausweisen Makulatur - dann steht der Wachstumszug, es sei denn, die Finanzabteilungen drehen größere Räder. Enron lagerte alle Schulden in so genannte Zweckgesellschaften aus, die nicht in der Bilanz auftauchten. Viele Netzwerkbetreiber steigerten ihre Umsätze durch Swaps, viele lassen die teuren Aktienoptionsprogramme für ihre Angestellten aus der Bilanz, viele kaufen Aktien zurück, manche veräußern Immobilien und leasen sie bilanzneutral zurück - alles nur, um die Wachstumsstory am Leben zu erhalten.

Gewinn ist nicht gleich Gewinn

Die Finanzwelt ist nun allerdings an dem Punkt angekommen, wo die Möglichkeiten des Blendens ausgereizt sind. Nun fällt das Kartenhaus zusammen, die Potemkinschen Dörfer werden als das gesehen, was sie sind: marode. Und der Privatanleger muss feststellen, nun da der Nebel sich lichtet: Alles ist relativ. Auch der Profit. Der kann nämlich nicht nur erwirtschaftet, sondern auch kunstvoll erzeugt werden. Gewinn ist nicht gleich Gewinn. Es kommt auf die Konvention der Berechnung an.

Text: @zyd
Bildmaterial: Rose/Mueller/STOCK4B
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