02.09.2003
Ausnahmen bestätigen die Regel
Aus der Vergangenheit kann man lernen. Diese Einsicht gilt auch häufig als guter Wegweiser für die Börse. Wer sich jedoch ausschließlich an der Geschichte ausrichtet, kann mitunter Schiffbruch erleiden. Was den Börsenalltag nämlich besonders auszeichnet, ist das Unerwartete. In anderen Worten: Ausnahmen bestätigen hier häufig die Regel. Einen Automatismus gibt es auf dem Börsenparkett somit nicht. Nicht anders war es diesmal im August. Hatte sich dieser Sommermonat in den vergangenen 15 Jahren mit Abstand zum schlechtesten Börsemonat entwickelt und damit sogar den traditionell schwachen September von seinem letzten Platz verdrängt, so waren Börsianer schlecht beraten, die mit diesem statistischen Wissen bewaffnet, ihren Sommerurlaub im August diesmal ohne Aktienpositionen antraten. Noch schlimmer war es sogar für diejenigen, die glaubten sich Urlaubsgeld durch den Verkauf von Aktien, die sie nicht besassen, zu verdienen, in der Hoffnung sie billiger zurückkaufen zu können. In der Fachsprache wird dies als Leerverkauf bezeichnet.
Im Gegensatz zu seinem Negativimage kam es im August diesmal beim Dow Jones-Index sogar in jeder Woche zu einem Anstieg. Aber auch der Standard & Poor’s 500-Index und der Freiverkehrsmarkt vermochten trotz einer schwachen ersten Woche den August im Plus zu beenden. Während der Dow Jones und S&P 500 im August jeweils fast 2% zulegten, kam der Freiverkehrsmarkt auf mehr als 4%. Damit befindet sich Wall Street in einem ununterbrochenen sechsmonatigen Aufwärtstrend, was zuletzt vor acht Jahren der Fall war. Der Freiverkehrsmarkt kommt sogar auf einen siebenmonatigen Anstieg. Bei einer solchen eindrucksvollen Rekordsträhne erübrigt sich die Frage, ob es sich hierbei um eine neue Hausse handelt. Selbst Pessimisten müssen bei so überzeugenden Statistiken das Handtuch werfen. Der Einwand, daß das Wirtschaftswachstum noch relativ schwach sei, und auch die Unternehmensgewinne bisher nicht überzeugen, kann lediglich als Versuch gewertet werden, der Börsenrealität nicht in die Augen schauen zu wollen. Denn bekanntlich ist der Aktienmarkt der realen Entwicklung bei Wirtschaft und Gewinn der Zeit immer etwas Voraus. Normalerweise reflektiert die Börse die Entwicklung der kommenden sechs bis neun Monate.
Das Wirtschaftswachstum Amerikas ist in diesem Jahr kontinuierlich gestiegen. Im dritten Quartal rechnet man sogar mit einer Beschleunigung von über 4%. Dabei dürften sich auch die Unternehmensgewinne weiterhin verbessern. Im Vergleich zu den geringen Tageszinsen von rund 1% und den historisch niedrigen Renditen am Rentenmarkt ist der Aktienmarkt keinesfalls überbewertet.
Die Hoffnung der Pessimisten, daß der September seinem herkömmlich schlechten Image gemäß Indexverluste bringen wird, kann ähnlich wie der August zu einer bitteren Enttäuschung werden. Auch wenn der September in den vergangenen 50 Jahren der mit Abstand schlechteste Börsenmonat war und im Durchschnitt auf ein Minus von fast 1% kommt, kann in diesem Jahr auch hier die Ausnahme den Regelfall bestätigen. Nach dem Motto - was jeder weiß, tritt an der Börse selten ein - haben die wenigsten bisher erkannt, daß in rund 40% der Fälle der September trotz seines Negativimages im Plus schloß und fast der Hälfte davon mit einem Anstieg von mindestens 4%. Schaut man sich die Statistik noch etwas detaillierter an, so ist es beim Dow Jones seit dem Zweiten Weltkrieg noch niemals zu mehr als vier aufeinanderfolgende negative Septemberergebnisse gekommen. Seit 1999 legte der Dow Jones im September jeweils ein negatives Ergebnis vor und dabei in den vergangenen zwei Jahren mit einem Minus von jeweils über 11% sogar das mit Abstand schlechteste Resultat für diesen Monat, so ist es statistisch unwahrscheinlich, daß sich dies in diesem Jahr wiederholen wird. Beim Standard & Poor’s 500-Index gab es nur einmal eine fünfjährige Negativsträhne im September, so daß auch hier nach einem vierjährigen Rückgang ein erneuter Indexverlust unwahrscheinlich ist. Beim Freiverkehrsmarkt brachten die vergangenen drei Jahre im September die jeweils größten Minuszahlen in diesem Monat, so daß ein erneuter Rückgang auch hier eher die Ausnahme von einer relativ unbekannten Regel wäre. Die Kursexplosion, die die internationalen Börsen am 1. September vorlegten, während Wall Street sich mit einem dreitägigen Wochenende vom Sommer verabschiedete, ist vielleicht bereits Indikation, daß die Pessimisten auch in diesem Monat erneut schwitzen werden, auch wenn sich die Aussentemperaturen nach einem heissen Sommer inzwischen etwas abgekühlt haben.
mfg
ath