Auch am dritten Tag des Weltwirtschaftsforums blieb in New York alles friedlich. Im abgeschotteten Waldorf Astoria kritisierten Bono und Bill Gates die Entwicklungspolitik der westlichen Länder. Draußen gab es Straßen-Karneval.
New York - "Sie behaupten, sie seien menschlich. Das ist eine Lüge", schallt es über die Park Avenue. "Sie lieben Profite, nicht Menschen." Der Mann mit dem Megaphon klingt wütend. Die Demonstranten rufen "WEF, hau ab." Sie sind eingezäunt, schräg gegenüber vom Waldorf Astoria. Das Häuflein sieht jämmerlich aus. Die Polizei habe zwanzig Busse voller Demonstranten umgelenkt, schimpft einer. Ein anderer haut mit seinem Protest-Schild auf die Absperrung, doch mehr traut er sich nicht. Man begnügt sich mit Gewaltfantasien, aus den Lautsprechern tönt: "I shot the sheriff." Ein Polizist steckt sich gelben Schaumstoff in die Ohren. Alles unter Kontrolle. Es ist Samstagvormittag.
Im großen Ballsaal des Waldorf Astoria wird bereits diskutiert. Die Runde ist wie immer mehrere Milliarden Dollar schwer. Microsoft-Gründer Bill Gates trägt den größten Teil dazu bei. Die anderen sind U2-Sänger Bono, der US-Finanzminister Paul O'Neill und der ehemalige Präsident von Mexiko, Ernesto Zedillo. Das Thema: "Mehr als gute Intentionen: Wie man öffentliche Unterstützung für Entwicklungshilfe gewinnt".
Bono, Gates und Zedillo fordern die anwesenden Politiker und Unternehmer auf, mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben. O'Neill ist in der Defensive, schließlich hat sein Chef, George W. Bush, gerade seine drei Top-Prioritäten gesetzt: Militär, Militär, Militär. Der Finanzminister meint, erst müsse die Entwicklungshilfe effizienter werden, bevor man über Budgeterhöhungen rede. Sonst könne man die US-Bürger schwerlich überzeugen.
Bono, der seit längerem für einen Schuldenerlass für die Entwicklungsländer kämpft, hat Erfahrungen mit der desinteressierten Öffentlichkeit. Die Medien seien erst aufgewacht, als er zusammen mit Papst Johannes Paul II. aufgetreten sei. "Da haben sie sich gefragt: Hm, warum um alles in der Welt hängen diese beiden zusammen rum?" Seither suche er nach öffentlichkeitswirksamen Paarungen, wie jetzt die mit dem "Papst der Software". Bono meldet Fortschritte seiner Aufklärungskampagne: Kanadas Premierminister Jean Chretien habe ihm versprochen, dass Afrika beim nächsten G8-Gipfel im Zentrum stehen werde. Bono fordert einen Marshall-Plan für Afrika.
Bill Gates erzählt, wie viel man in Afrika mit wenig Geld erreichen könne und ruft die Anwesenden zur Nachahmung auf. Entwicklungshilfe sei nicht vergeblich. Er ist seit sechs Jahren neben den Milliardären George Soros und Ted Turner einer der großzügigsten Geber. Die Gates Foundation hat Millionen in die Bekämpfung der AIDS-Epidemie gesteckt. Das entbinde allerdings nicht die Regierungen der westlichen Staaten von ihrer Verantwortung, betont Gates. "Selbst Bills Taschen sind irgendwann leer", erklärt Bono.
Den ganzen Samstag reden sie im Waldorf Astoria über die Probleme der Entwicklungsländer. Die Handels- und Sicherheitspolitik der reichen Länder wird angegriffen, die USA werden regelmäßig als die Oberschurken angeprangert. Sind wir hier auf dem Weltwirtschaftsforum, der so genannten "Cocktailparty der Reichen", oder doch eher auf dem Weltsozialforum? Sicher, es gibt weiterhin die üblichen Manager-Fortbildungen à la "Wie führe ich mein Unternehmen durch die Krise". Doch einige Diskussionen zeigen, wie weit es die Globalisierungskritiker gebracht haben. Auch wenn nur wenige Vertreter persönlich eingeladen sind, in den Köpfen der Anwesenden sind sie durchaus präsent.
Es mag daran liegen, dass der Samstag gleichzeitig auch der "universale Aktionstag" der Kritiker ist. Die Demo direkt am Waldorf Astoria ist dabei die kleinste. Weitere zweitausend stehen am Washington Square, und Zehntausende versammeln sich am Central Park, zehn Blocks vom Waldorf Astoria entfernt, um dann die Park Avenue hochzumarschieren.
Die Hauptdemonstration verläuft wie versprochen friedlich, die Teilnehmer singen, tanzen, lachen. Sie trommeln auf umgehängten Plastikeimern, etliche tragen bunte Kostüme. Eine Gruppe Frauen hat sich als Freiheitsstatuen verkleidet, sie singen den Sinatra-Song "New York, New York". Dabei werfen sie die Beine hoch, wie Cancan-Tänzerinnen. Ein meterlanger Drachen zieht vorbei. Ein übergroßer Pappkopf mit dem Gesicht von George W. Bush erscheint. Auf der Stirn steht "Enron", der Mund des Präsidenten ist zugenäht. Der Zug erinnert an politischen Karneval. Mancher Polizist reibt sich erstaunt die Augen. Das sollen die Steine werfenden Monster sein, auf die sie sich wochenlang vorbereitet haben? Einer fragt seinen Kollegen gar, wann die Parade denn vorbei sei. Die Parade!
Doch bei aller guten Laune vergessen die Demonstranten nicht das Protestieren. "Das Forum produziert Armut", ist zu lesen, "Jobs statt Krieg" und immer wieder "Menschen statt Profite". Und sie werden den Forumsteilnehmern folgen, wie ein Demonstrant sagte, "wenn es sein muss, bis in die Hölle". Aber erstmal bis zur Wall Street. Dort findet am Samstagabend einer der Höhepunkte des Treffens statt: Die Cocktailparty auf dem Parkett der Börse
Quelle: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,180567,00.html
New York - "Sie behaupten, sie seien menschlich. Das ist eine Lüge", schallt es über die Park Avenue. "Sie lieben Profite, nicht Menschen." Der Mann mit dem Megaphon klingt wütend. Die Demonstranten rufen "WEF, hau ab." Sie sind eingezäunt, schräg gegenüber vom Waldorf Astoria. Das Häuflein sieht jämmerlich aus. Die Polizei habe zwanzig Busse voller Demonstranten umgelenkt, schimpft einer. Ein anderer haut mit seinem Protest-Schild auf die Absperrung, doch mehr traut er sich nicht. Man begnügt sich mit Gewaltfantasien, aus den Lautsprechern tönt: "I shot the sheriff." Ein Polizist steckt sich gelben Schaumstoff in die Ohren. Alles unter Kontrolle. Es ist Samstagvormittag.
Im großen Ballsaal des Waldorf Astoria wird bereits diskutiert. Die Runde ist wie immer mehrere Milliarden Dollar schwer. Microsoft-Gründer Bill Gates trägt den größten Teil dazu bei. Die anderen sind U2-Sänger Bono, der US-Finanzminister Paul O'Neill und der ehemalige Präsident von Mexiko, Ernesto Zedillo. Das Thema: "Mehr als gute Intentionen: Wie man öffentliche Unterstützung für Entwicklungshilfe gewinnt".
Bono, Gates und Zedillo fordern die anwesenden Politiker und Unternehmer auf, mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben. O'Neill ist in der Defensive, schließlich hat sein Chef, George W. Bush, gerade seine drei Top-Prioritäten gesetzt: Militär, Militär, Militär. Der Finanzminister meint, erst müsse die Entwicklungshilfe effizienter werden, bevor man über Budgeterhöhungen rede. Sonst könne man die US-Bürger schwerlich überzeugen.
Bono, der seit längerem für einen Schuldenerlass für die Entwicklungsländer kämpft, hat Erfahrungen mit der desinteressierten Öffentlichkeit. Die Medien seien erst aufgewacht, als er zusammen mit Papst Johannes Paul II. aufgetreten sei. "Da haben sie sich gefragt: Hm, warum um alles in der Welt hängen diese beiden zusammen rum?" Seither suche er nach öffentlichkeitswirksamen Paarungen, wie jetzt die mit dem "Papst der Software". Bono meldet Fortschritte seiner Aufklärungskampagne: Kanadas Premierminister Jean Chretien habe ihm versprochen, dass Afrika beim nächsten G8-Gipfel im Zentrum stehen werde. Bono fordert einen Marshall-Plan für Afrika.
Bill Gates erzählt, wie viel man in Afrika mit wenig Geld erreichen könne und ruft die Anwesenden zur Nachahmung auf. Entwicklungshilfe sei nicht vergeblich. Er ist seit sechs Jahren neben den Milliardären George Soros und Ted Turner einer der großzügigsten Geber. Die Gates Foundation hat Millionen in die Bekämpfung der AIDS-Epidemie gesteckt. Das entbinde allerdings nicht die Regierungen der westlichen Staaten von ihrer Verantwortung, betont Gates. "Selbst Bills Taschen sind irgendwann leer", erklärt Bono.
Den ganzen Samstag reden sie im Waldorf Astoria über die Probleme der Entwicklungsländer. Die Handels- und Sicherheitspolitik der reichen Länder wird angegriffen, die USA werden regelmäßig als die Oberschurken angeprangert. Sind wir hier auf dem Weltwirtschaftsforum, der so genannten "Cocktailparty der Reichen", oder doch eher auf dem Weltsozialforum? Sicher, es gibt weiterhin die üblichen Manager-Fortbildungen à la "Wie führe ich mein Unternehmen durch die Krise". Doch einige Diskussionen zeigen, wie weit es die Globalisierungskritiker gebracht haben. Auch wenn nur wenige Vertreter persönlich eingeladen sind, in den Köpfen der Anwesenden sind sie durchaus präsent.
Es mag daran liegen, dass der Samstag gleichzeitig auch der "universale Aktionstag" der Kritiker ist. Die Demo direkt am Waldorf Astoria ist dabei die kleinste. Weitere zweitausend stehen am Washington Square, und Zehntausende versammeln sich am Central Park, zehn Blocks vom Waldorf Astoria entfernt, um dann die Park Avenue hochzumarschieren.
Die Hauptdemonstration verläuft wie versprochen friedlich, die Teilnehmer singen, tanzen, lachen. Sie trommeln auf umgehängten Plastikeimern, etliche tragen bunte Kostüme. Eine Gruppe Frauen hat sich als Freiheitsstatuen verkleidet, sie singen den Sinatra-Song "New York, New York". Dabei werfen sie die Beine hoch, wie Cancan-Tänzerinnen. Ein meterlanger Drachen zieht vorbei. Ein übergroßer Pappkopf mit dem Gesicht von George W. Bush erscheint. Auf der Stirn steht "Enron", der Mund des Präsidenten ist zugenäht. Der Zug erinnert an politischen Karneval. Mancher Polizist reibt sich erstaunt die Augen. Das sollen die Steine werfenden Monster sein, auf die sie sich wochenlang vorbereitet haben? Einer fragt seinen Kollegen gar, wann die Parade denn vorbei sei. Die Parade!
Doch bei aller guten Laune vergessen die Demonstranten nicht das Protestieren. "Das Forum produziert Armut", ist zu lesen, "Jobs statt Krieg" und immer wieder "Menschen statt Profite". Und sie werden den Forumsteilnehmern folgen, wie ein Demonstrant sagte, "wenn es sein muss, bis in die Hölle". Aber erstmal bis zur Wall Street. Dort findet am Samstagabend einer der Höhepunkte des Treffens statt: Die Cocktailparty auf dem Parkett der Börse
Quelle: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,180567,00.html