Große Verluste mit Ost-Immobilien
„Da bluten einige Leute nun ganz furchtbar!“
Viele Anleger sind in einer nahezu ausweglosen Lage: Ihre Objekte sind inzwischen fast wertlos, zugleich müssen Bankkredite mit hohen Zinsen zurückgezahlt werden.
Von Markus Zydra
Karl Fohrer (Name von der Redaktion geändert) ist in der Klemme. Sein Schuldenstand bei der Bank beläuft sich auf 700.000 Euro. Das Geld hat er nicht gut angelegt. Privatmann Fohrer kaufte Anfang der neunziger Jahre in Halle vier Eigentumswohnungen. Es war die große Zeit der Immobilieninvestitionen im Osten, die von der Regierung subventioniert wurden. Doch mittlerweile brechen diese Steuerspar-Modelle in sich zusammen. Mietbindungen laufen aus, Wohnungen stehen leer, viele Immobilien sind praktisch wertlos. Doch die Kreditverpflichtungen laufen weiter.
Kein gesetzlicher Wucher
Auch Fohrer muss refinanzieren, doch das Angebot der HypoVereinsbank bringt ihn aus der Fassung: 6,08 effektiver Jahreszins bei einer Laufzeit von fünf Jahren. „Wucher“, schimpft Fohrer, schließlich lägen die aktuellen Hypothekenzinsen im Durchschnitt deutlich unter fünf Prozent.
So verständlich der Ärger des Bankkunden auch ist: Die Gesetzeslage sieht anders aus. „Wucher beginnt bei Preisaufschlägen von 100 Prozent und mehr“, sagt Stefan Frisch, Rechtsanwalt der Kanzlei Tilp&Kälberer.
HypoVereinsbank enttäuscht die Anleger
Auffällig ist jedoch, dass gerade die Bayerische Hypo-Bank, die später zur HypoVereinsbank fusionierte, nach der Wende bei der Vermittlung und Finanzierung dieser Steuersparmodelle sehr aktiv war. Kreditverträge in Höhe von 13 Milliarden Euro sollen abgeschlossen worden sein – auch der mit Karl Fohrer.
„Die Banken begründen die hohen Zinsen mit dem Ausfallrisiko. Dabei ist es doch umgekehrt. Die hohen Zinsen führen zu steigenden Ausfallraten. Den Schuldnern wird die Luft abgeschnürt“, sagt Erwin Kainz, Schuldnerberater der Stadt München. Auch der 60 Jahre alte Fohrer ist in der Klemme. Keine andere Bank würde seinen Kredit auslösen: Entweder er unterschreibt das Angebot, oder er beantragt private Insolvenz. Beides wäre für ihn ein Desaster.
Richter schalten sich ein
Verbraucherschützer, Schuldnerberater und Rechtsanwälte betreuen unzählige Privathaushalte, die sich verspekuliert haben, sei es durch Direktinvestitionen oder geschlossene Immobilienfonds. Bis zum heutigen Tag beschäftigen sich die Gerichte mit den Fällen.
Der zweite Senat des Bundesgerichtshofs gab Verbrauchern jüngst neue Hoffnung. In seinem Urteil vom 22. Juli 2003 (Az.:II ZR 387/02) räumt er geschädigten Anlegern das Recht ein, gezahlte Kreditzinsen von den Banken zurückzufordern, wenn sie den geschlossenen Immobilienfonds kündigen. Das gilt allerdings nur, wenn der Vermittler der Fondsbeteiligung dem Kunden damals zeitgleich auch einen Darlehensvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat – also ein verbundenes Geschäft abgeschlossen wurde. „Das war in vielen Fällen so. Viele Banken werden jetzt zittern“, meint Thomas Bieler, Experte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Man müsse jedoch erst die Urteilsbegründung abwarten, so Bieler.
Doch der Druck auf die Banken wächst: Das Landgericht Bochum schaltete Ende Juli den Europäischen Gerichtshof EuGH in dieser Sache ein. Die Richter bemängeln, dass der Verbraucherschutz bei den vermeintlichen Steuersparmodellen nicht genügend umgesetzt wurde.
Juristischer Streit kostet wertvolle Zeit
Doch der juristische Streit kostet Zeit, und die läuft vielen Privatinvestoren davon. Der 66-jährige Udo Schlott hat ein kleines Vermögen in einen geschlossenen Immobilienfonds investiert. Im Jahr 2004 läuft die Mietbindung für die Immobilie in Berlin aus. Es droht die Pleite. „Wir können die Zahlungsunfähigkeit nur verhindern, wenn die Ausschüttungen zur Überbrückung eingesetzt werden“, sagt er, „doch die Ausschüttungen liegen auf einem Sperrkonto.“
Die Millionenbeträge sind von der Geschäftsführung des Fonds an die Kreditgeber verpfändet worden. „Ein Kreditgeber ist die Arag Leben, die den Fonds auch aufgelegt hat und größte Kommanditistin ist“, sagt der Anwalt von Karl Schlott, der ungenannt bleiben möchte. Um das Sperrkonto aufzulösen, braucht Schlott jedoch die Mehrheit bei der Gesellschafterversammlung. „Doch es ist schwer an die Namen der Investoren heranzukommen. Die Treuhänder weigern sich, eine Liste herauszugeben“, so Schlott. Sein Anwalt liegt deshalb im Clinch mit dem geschäftsführenden Kommanditisten der – und jetzt wird es kompliziert – Arcap Beteiligungsverwaltungs GmbH & Co. Columbus Immobilienfonds VI „Berlin Neue Grünstraße“ KG.
Gefahr im Kleingedruckten
Das Geflecht von GmbH und Kommanditgesellschaft (KG) birgt Zündstoff. „Geht eine GmbH Pleite, wandelt sie sich in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR – und dann könnten Investoren wie mein Mandant plötzlich unbeschränkt haftbar sein“, sagt Schlotts Anwalt. Da droht eine böse Überraschung, denn eigentlich haften Kommanditisten nur mit ihrer Einlage.
So dröge solche juristischen Erörterungen wirken, so wichtig sind sie: „Viele Anleger haben die Rechtsform des Fonds völlig ignoriert. Doch hier entscheidet sich, ob man Kapital nachschießen muss oder nicht“, so Rechtsanwalt Frisch: „Und da bluten einige Leute nun ganz furchtbar!“
„Da bluten einige Leute nun ganz furchtbar!“
Viele Anleger sind in einer nahezu ausweglosen Lage: Ihre Objekte sind inzwischen fast wertlos, zugleich müssen Bankkredite mit hohen Zinsen zurückgezahlt werden.
Von Markus Zydra
Karl Fohrer (Name von der Redaktion geändert) ist in der Klemme. Sein Schuldenstand bei der Bank beläuft sich auf 700.000 Euro. Das Geld hat er nicht gut angelegt. Privatmann Fohrer kaufte Anfang der neunziger Jahre in Halle vier Eigentumswohnungen. Es war die große Zeit der Immobilieninvestitionen im Osten, die von der Regierung subventioniert wurden. Doch mittlerweile brechen diese Steuerspar-Modelle in sich zusammen. Mietbindungen laufen aus, Wohnungen stehen leer, viele Immobilien sind praktisch wertlos. Doch die Kreditverpflichtungen laufen weiter.
Kein gesetzlicher Wucher
Auch Fohrer muss refinanzieren, doch das Angebot der HypoVereinsbank bringt ihn aus der Fassung: 6,08 effektiver Jahreszins bei einer Laufzeit von fünf Jahren. „Wucher“, schimpft Fohrer, schließlich lägen die aktuellen Hypothekenzinsen im Durchschnitt deutlich unter fünf Prozent.
So verständlich der Ärger des Bankkunden auch ist: Die Gesetzeslage sieht anders aus. „Wucher beginnt bei Preisaufschlägen von 100 Prozent und mehr“, sagt Stefan Frisch, Rechtsanwalt der Kanzlei Tilp&Kälberer.
HypoVereinsbank enttäuscht die Anleger
Auffällig ist jedoch, dass gerade die Bayerische Hypo-Bank, die später zur HypoVereinsbank fusionierte, nach der Wende bei der Vermittlung und Finanzierung dieser Steuersparmodelle sehr aktiv war. Kreditverträge in Höhe von 13 Milliarden Euro sollen abgeschlossen worden sein – auch der mit Karl Fohrer.
„Die Banken begründen die hohen Zinsen mit dem Ausfallrisiko. Dabei ist es doch umgekehrt. Die hohen Zinsen führen zu steigenden Ausfallraten. Den Schuldnern wird die Luft abgeschnürt“, sagt Erwin Kainz, Schuldnerberater der Stadt München. Auch der 60 Jahre alte Fohrer ist in der Klemme. Keine andere Bank würde seinen Kredit auslösen: Entweder er unterschreibt das Angebot, oder er beantragt private Insolvenz. Beides wäre für ihn ein Desaster.
Richter schalten sich ein
Verbraucherschützer, Schuldnerberater und Rechtsanwälte betreuen unzählige Privathaushalte, die sich verspekuliert haben, sei es durch Direktinvestitionen oder geschlossene Immobilienfonds. Bis zum heutigen Tag beschäftigen sich die Gerichte mit den Fällen.
Der zweite Senat des Bundesgerichtshofs gab Verbrauchern jüngst neue Hoffnung. In seinem Urteil vom 22. Juli 2003 (Az.:II ZR 387/02) räumt er geschädigten Anlegern das Recht ein, gezahlte Kreditzinsen von den Banken zurückzufordern, wenn sie den geschlossenen Immobilienfonds kündigen. Das gilt allerdings nur, wenn der Vermittler der Fondsbeteiligung dem Kunden damals zeitgleich auch einen Darlehensvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat – also ein verbundenes Geschäft abgeschlossen wurde. „Das war in vielen Fällen so. Viele Banken werden jetzt zittern“, meint Thomas Bieler, Experte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Man müsse jedoch erst die Urteilsbegründung abwarten, so Bieler.
Doch der Druck auf die Banken wächst: Das Landgericht Bochum schaltete Ende Juli den Europäischen Gerichtshof EuGH in dieser Sache ein. Die Richter bemängeln, dass der Verbraucherschutz bei den vermeintlichen Steuersparmodellen nicht genügend umgesetzt wurde.
Juristischer Streit kostet wertvolle Zeit
Doch der juristische Streit kostet Zeit, und die läuft vielen Privatinvestoren davon. Der 66-jährige Udo Schlott hat ein kleines Vermögen in einen geschlossenen Immobilienfonds investiert. Im Jahr 2004 läuft die Mietbindung für die Immobilie in Berlin aus. Es droht die Pleite. „Wir können die Zahlungsunfähigkeit nur verhindern, wenn die Ausschüttungen zur Überbrückung eingesetzt werden“, sagt er, „doch die Ausschüttungen liegen auf einem Sperrkonto.“
Die Millionenbeträge sind von der Geschäftsführung des Fonds an die Kreditgeber verpfändet worden. „Ein Kreditgeber ist die Arag Leben, die den Fonds auch aufgelegt hat und größte Kommanditistin ist“, sagt der Anwalt von Karl Schlott, der ungenannt bleiben möchte. Um das Sperrkonto aufzulösen, braucht Schlott jedoch die Mehrheit bei der Gesellschafterversammlung. „Doch es ist schwer an die Namen der Investoren heranzukommen. Die Treuhänder weigern sich, eine Liste herauszugeben“, so Schlott. Sein Anwalt liegt deshalb im Clinch mit dem geschäftsführenden Kommanditisten der – und jetzt wird es kompliziert – Arcap Beteiligungsverwaltungs GmbH & Co. Columbus Immobilienfonds VI „Berlin Neue Grünstraße“ KG.
Gefahr im Kleingedruckten
Das Geflecht von GmbH und Kommanditgesellschaft (KG) birgt Zündstoff. „Geht eine GmbH Pleite, wandelt sie sich in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR – und dann könnten Investoren wie mein Mandant plötzlich unbeschränkt haftbar sein“, sagt Schlotts Anwalt. Da droht eine böse Überraschung, denn eigentlich haften Kommanditisten nur mit ihrer Einlage.
So dröge solche juristischen Erörterungen wirken, so wichtig sind sie: „Viele Anleger haben die Rechtsform des Fonds völlig ignoriert. Doch hier entscheidet sich, ob man Kapital nachschießen muss oder nicht“, so Rechtsanwalt Frisch: „Und da bluten einige Leute nun ganz furchtbar!“