Schräge Rechenspiele am Neuen Markt
Wir kennen sie alle. Überall läuft sie uns über den Weg, und scheinbar in jeder Zeitung oder Zeitschrift ist sie mittlerweile schon einmal abgedruckt worden. Die "Schreckenskurve" des Neuen Markts, die den Kursverlauf des Nemax mit der Entwicklung seines KGV abbildet und dabei diametral entgegengesetzte Bewegungen aufzeigt: Der Markt fällt nahezu wie ein Lot, dafür steigt das KGV fast senkrecht an.
Zwei Methoden zur KGV-Ermittlung
Wie das, fragt sich sicherlich der Anleger, der diese Grafik zum ersten Mal sieht? Die Kurse fallen - und die Aktien werden trotzdem jeden Tag teurer. Wie passt das zusammen? Und dann der erste Interpretationsversuch: Natürlich, die Gewinne - beziehungsweise die Gewinnerwartungen - fallen schneller als die Kurse, weshalb sich das KGV natürlich erhöhen muss.
Doch ist eine derartige Interpretation richtig? Ich behaupte nein, denn letztlich beruht der Anstieg des KGV in dieser Interpretationsvariante ausschließlich auf einem Rechentrick, von dem natürlich - an fallenden Kursen - interessierte Seiten gerne und häufig und am besten in versteckter Manier Gebrauch machen.
Das KGV eines Marktes kann man nämlich prinzipiell in zweifacher Weise ermitteln, einmal als durchschnittliches und einmal als gewichtetes KGV. Betrachten wir hierzu als Beispiel nur einmal einen Markt, an dem nur zwei Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von jeweils 100 Mio. Euro notieren. Schreiben diese Unternehmen nun beide schwarze Zahlen, beispielsweise jeweils 5 Mio. Euro, so sind sowohl das durchschnittliche als auch das gewichtete KGV identisch - und betragen jeweils 20.
Die Kalamität des Defizitfalles
Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn nun eines der beiden Unternehmen rote Zahlen schreibt - und anstelle von 5 Mio. Euro Gewinn 4 Mio. Euro Verlust machen würde. Denn hier bleibt nun das durchschnittliche KGV weiterhin bei 20, während das gewichtete KGV jedoch auf 200 (!) ansteigt. Doch how come? Da ein Unternehmen definitionsgemäß bei Verlusten keinen Gewinn hat, kann es in diesem Fall auch kein KGV besitzen, weshalb letztlich das KGV des Gesamtmarktes demjenigen des Gewinne schreibenden Unternehmens entspricht. Bei gewichteten KGV hingegen werden sowohl die Marktkapitalisierungen als auch die Gewinne und Verluste addiert - und dann der Quotient gebildet. In diesem Beispiel: 100 + 100 / (5 - 4) = 200.
Man kann mit dem KGV eines Gesamtmarktes also letztlich alles und nichts beweisen - man kann aus identischen (!) Zahlen sowohl eine sehr niedrige als auch eine groteske Überbewertung deduzieren. Denn letztlich trifft wohl weder das durchschnittliche KGV (weil zu niedrig) noch das gewichtete KGV voll die Wirklichkeit. Wobei jedoch das gewichtete KGV zu viel abstruseren Ergebnissen führt.
Wenn das KGV verrückt spielt
Hierzu muss man nur einmal betrachten, was denn nun mit dem KGV passieren würde, wenn sich die roten Zahlen des defizitären Unternehmens noch weiter ausdehnen. Beispielsweise von 4 auf 4,5, auf 4,9, auf 5, auf 5,1, auf 7,5, auf 10 und schließlich auf 1.000 Mio. Euro. Entsprechend würden sich daraus nämlich - bei Konstanz der Ergebnisse des anderen Unternehmens - folgende Gesamtmarkt-KGVs ergeben: 200, 400, 2.000, nicht definiert - beziehungsweise unendlich, -2.000, -80, -20 und zum Ende nur noch -0,2.
Das heißt: Dehnen sich die Verluste der Verlustunternehmen aus, obwohl die Gewinnsituation der Gewinner stabil bleibt, steigt das KGV so lange an, bis es schließlich unendlich groß ist, woraufhin es anschließend negativ wird, dann jedoch, bei Ausweitung der Verluste sich immer stärker der Null angleicht - und diese sogar dann erreicht, wenn die Verluste der Verlustunternehmen unendlich werden.
Was für ein Tollhaus diese Börse also ist. Und die Moral von der Geschicht? Manchmal ist die Mathematik der Märkte ebenso verrückt wie das Geschehen an den Märkten selbst. Drum glaube besser alles nicht! Zumindest das nicht, was du nicht selbst auf Herz und Nieren nachgeprüft hast.
Von Bernd Niquet
Wir kennen sie alle. Überall läuft sie uns über den Weg, und scheinbar in jeder Zeitung oder Zeitschrift ist sie mittlerweile schon einmal abgedruckt worden. Die "Schreckenskurve" des Neuen Markts, die den Kursverlauf des Nemax mit der Entwicklung seines KGV abbildet und dabei diametral entgegengesetzte Bewegungen aufzeigt: Der Markt fällt nahezu wie ein Lot, dafür steigt das KGV fast senkrecht an.
Zwei Methoden zur KGV-Ermittlung
Wie das, fragt sich sicherlich der Anleger, der diese Grafik zum ersten Mal sieht? Die Kurse fallen - und die Aktien werden trotzdem jeden Tag teurer. Wie passt das zusammen? Und dann der erste Interpretationsversuch: Natürlich, die Gewinne - beziehungsweise die Gewinnerwartungen - fallen schneller als die Kurse, weshalb sich das KGV natürlich erhöhen muss.
Doch ist eine derartige Interpretation richtig? Ich behaupte nein, denn letztlich beruht der Anstieg des KGV in dieser Interpretationsvariante ausschließlich auf einem Rechentrick, von dem natürlich - an fallenden Kursen - interessierte Seiten gerne und häufig und am besten in versteckter Manier Gebrauch machen.
Das KGV eines Marktes kann man nämlich prinzipiell in zweifacher Weise ermitteln, einmal als durchschnittliches und einmal als gewichtetes KGV. Betrachten wir hierzu als Beispiel nur einmal einen Markt, an dem nur zwei Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von jeweils 100 Mio. Euro notieren. Schreiben diese Unternehmen nun beide schwarze Zahlen, beispielsweise jeweils 5 Mio. Euro, so sind sowohl das durchschnittliche als auch das gewichtete KGV identisch - und betragen jeweils 20.
Die Kalamität des Defizitfalles
Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn nun eines der beiden Unternehmen rote Zahlen schreibt - und anstelle von 5 Mio. Euro Gewinn 4 Mio. Euro Verlust machen würde. Denn hier bleibt nun das durchschnittliche KGV weiterhin bei 20, während das gewichtete KGV jedoch auf 200 (!) ansteigt. Doch how come? Da ein Unternehmen definitionsgemäß bei Verlusten keinen Gewinn hat, kann es in diesem Fall auch kein KGV besitzen, weshalb letztlich das KGV des Gesamtmarktes demjenigen des Gewinne schreibenden Unternehmens entspricht. Bei gewichteten KGV hingegen werden sowohl die Marktkapitalisierungen als auch die Gewinne und Verluste addiert - und dann der Quotient gebildet. In diesem Beispiel: 100 + 100 / (5 - 4) = 200.
Man kann mit dem KGV eines Gesamtmarktes also letztlich alles und nichts beweisen - man kann aus identischen (!) Zahlen sowohl eine sehr niedrige als auch eine groteske Überbewertung deduzieren. Denn letztlich trifft wohl weder das durchschnittliche KGV (weil zu niedrig) noch das gewichtete KGV voll die Wirklichkeit. Wobei jedoch das gewichtete KGV zu viel abstruseren Ergebnissen führt.
Wenn das KGV verrückt spielt
Hierzu muss man nur einmal betrachten, was denn nun mit dem KGV passieren würde, wenn sich die roten Zahlen des defizitären Unternehmens noch weiter ausdehnen. Beispielsweise von 4 auf 4,5, auf 4,9, auf 5, auf 5,1, auf 7,5, auf 10 und schließlich auf 1.000 Mio. Euro. Entsprechend würden sich daraus nämlich - bei Konstanz der Ergebnisse des anderen Unternehmens - folgende Gesamtmarkt-KGVs ergeben: 200, 400, 2.000, nicht definiert - beziehungsweise unendlich, -2.000, -80, -20 und zum Ende nur noch -0,2.
Das heißt: Dehnen sich die Verluste der Verlustunternehmen aus, obwohl die Gewinnsituation der Gewinner stabil bleibt, steigt das KGV so lange an, bis es schließlich unendlich groß ist, woraufhin es anschließend negativ wird, dann jedoch, bei Ausweitung der Verluste sich immer stärker der Null angleicht - und diese sogar dann erreicht, wenn die Verluste der Verlustunternehmen unendlich werden.
Was für ein Tollhaus diese Börse also ist. Und die Moral von der Geschicht? Manchmal ist die Mathematik der Märkte ebenso verrückt wie das Geschehen an den Märkten selbst. Drum glaube besser alles nicht! Zumindest das nicht, was du nicht selbst auf Herz und Nieren nachgeprüft hast.
Von Bernd Niquet