11 WALL STREETGoogle-Gier frisst GehirnVon Thomas Hillenbrand Nichts ist an der Börse derzeit begehrter als Google-Aktien. Ein findiger Niederländer nutzte den Rummel um die Suchmaschine aus und erleichterte mehrere Finanzprofis, darunter ein Investmentbanker und der Chairman eines globalen Telekommunikationskonzerns, um einen sechsstelligen Dollarbetrag.APGoogle-Zentrale: Seltsame Holland-ConnectionNew York - Der Legende nach wird unbedarften Touristen in New York immer mal wieder die Brooklyn Bridge zum Kauf angeboten. Der Brückeninvestor muss dann nach kurzer Zeit feststellen, dass sein Geld futsch und seine angebliche Kaufurkunde nur ein wertloser Fetzen Papier ist.Auch an der Wall Street kennt man sich mit Geschäften dieser Art bestens aus. Umso erstaunlicher ist es, dass einige New Yorker Geschäftsleute kürzlich auf einen groß angelegten Schwindel ähnlichen Musters hereinfielen: Ausgerechnet ein Tourist verkaufte mehreren arglosen Investoren für viel Geld Aktien, die es überhaupt nicht gab.Blüten aus AmsterdamDer Niederländer Shamoon Rafiq hatte das richtige Rezept für einen Schwindel erster Klasse im Gepäck, als er am 27. Oktober 2003 auf dem New Yorker Flughafen John F. Kennedy landete. Rafiq hatte alle notwendigen Zutaten beisammen. Er verfügte über ein Anlageprodukt, das Investoren quasi über Nacht sagenhaften Reichtum verhieß. Er kannte sich in der Finanzszene aus. Und er verfügte über die seltene Gabe, aberwitzige Lügen erzählen und gleichzeitig todernst dreinschauen zu können.Wichtige Unternehmensdaten:MittwochYahoo!DonnerstagPepsi BottlingFreitagGeneral ElectricWichtige Wirtschaftsdaten:DienstagIndex Nicht-Verarbeitendes GewerbeRede von Fed-Mitglied Alfred BroaddusMittwochRede des Vize-Chefs der Fed, Roger FergusonOECD-Arbeitsmarktbericht FreitagLagerbestände GroßhandelIm Herbst 2003 beherrschte ein Thema die New Yorker Finanzkreise - der angeblich anstehende Börsengang der Suchmaschine Google. Außer einigen vagen Presseberichten gab es noch keine Details oder gar einen ordnungsgemäßen Emissionsprospekt, aber das störte niemanden und regte im Gegenteil die Phantasie an. Wie viel würden die Aktien kosten? Um wie viel Prozent würden sie am ersten Tag steigen? Und wie, verdammt noch mal, bekäme man welche?Auftritt Rafiq, der jedem, der es hören wollte, seine Geschichte erzählte. Er habe an der Elite-Uni Stanford studiert, wo auch die beiden Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page immatrikuliert waren. Die boys, so der Niederländer, seien mächtig dicke Kumpel von ihm. Rafiq erklärte weiter, dass er ein Partner bei Amerikas berühmtester Wagniskapitalfirma Kleiner Perkins Caulfield & Byers sei. Derzeit bereite er Googles Börsengang vor und sei auf einer Art One-Man-Roadshow unterwegs.Callgirls statt AktienWer in dieser Phase des Gesprächs noch nicht in helles Gelächter ausgebrochen war und den Raum verlassen hatte, dem bot Rafiq Google-Vozugsaktien zu zwölf Dollar das Stück an. Der gemäß seiner Selbstdarstellung 40 Millionen Dollar schwere Holländer bot seinen Opfern zudem großzügig an, einen Teil des Geldes vorzuschießen. Entsprechende Formulare, auf denen die Deals schriftlich festgehalten wurden, hatte Rafiq, der in Wahrheit nie etwas mit Google, Stanford oder Kleiner Perkins zu tun hatte, selbstverständlich griffbereit.Insgesamt verkaufte er nicht existente Google-Aktien im Wert von 2,8 Millionen Dollar, davon allerdings einen Teil auf Kredit. Immerhin überwiesen seine Opfer eine halbe Million Dollar auf Rafiqs New Yorker Konto. Das Geld reinvestierte der Holländer nicht in Technologieaktien, sondern ins Hier und Jetzt. Er feierte Partys im Nobelschuppen Lotus und dinierte in Manhattans feinsten Restaurants. Außerdem gab er einem von der "New York Post" zitierten Bekannten zufolge gerne damit an, dass er Unsummen für "Callgirls und Nutten" ausgebe. Anders als die betuppten Google-Spekulanten scheint Rafiq insofern etwas von dem Geld gehabt zu haben. Zumindest bis März 2004, als ihm das FBI auf die Schliche kam. Inzwischen hat sich Rafiq vor einem New Yorker Gericht schuldig bekannt und dürfte demnächst für mehrere Jahre ins Gefängnis wandern - ob in den USA oder in den Niederlanden steht noch nicht fest.Meisterhafte SchwindeleiDen Opfern ist ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden. Dennoch kann man nicht umhin zu bewundern, was für ein Meisterschwindler Shamoon Rafiq gewesen sein muss. Für gewöhnlich fallen auf derartige Finanzgaunereien nur unbedarfte Privatpersonen herein. Rafiq hingegen schaffte es, den New Yorker Justiziar einer europäischen Telefongesellschaft einzuwickeln. Auch einem Seniormanager eines New Yorker Wertpapierhandelshauses schwatzte er 37.500 Mumpitz-Aktien für 450.000 Dollar auf.In eigener SacheAb kommender Woche wird die Kolumne "11 Wall Street" wieder von meinem Kollegen Mark Pitzke betreut. Ich bedanke mich für Ihr Interesse! - Thomas HillenbrandBei einem Investmentbanker sowie dem Chairman eines globalen Telekommunikationskonzerns konnte Rafiq mit seiner Geschichte ebenfalls landen. Die Behörden haben es bisher geschafft, die Identitäten der Opfer geheim zu halten. Schade eigentlich. Die Namen jener Börsenprofis, die eine echte Aktie nicht von einem wertlosen Stück Papier unterscheiden können, hätte man schon gerne erfahren.