FOKUS 1 - Duisenberg - EZB wartet mit Zinsänderung noch ab
Brüssel, 05. Mär (Reuters) - Die Leitzinsen in der Euro-Zone
werden nach den Worten von EZB-Präsident Wim Duisenberg vorerst
unverändert bleiben. Vor ihrem nächsten Zinsschritt wolle die
Europäische Zentralbank (EZB) weitere Signale über die
Wirtschaftslage abwarten, sagte Duisenberg am Montag in Brüssel
im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen
Parlaments. Die Leitzinsen seien in den USA gesenkt worden, und
die EZB habe sie nicht verändert. "Das wird auch vorerst so
bleiben." Die Teuerung in der Euro-Zone werde schon in drei bis
vier Monaten die von der EZB definierte Höchstgrenze von zwei
Prozent unterschreiten. Das Wachstum werde 2001 und 2002 bei
knapp drei Prozent liegen, bekräftigte er. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB) forderte die EZB unterdessen zu einer
Zinssenkung auf.
Zwischen der Geldpolitik "außerhalb der Euro-Zone" und den
Entscheidungen der EZB gebe es keinen "Automatismus", sagte der
EZB-Präsident vor den Parlamentariern. Das einzige Ziel, das die
EZB bei ihrer Geldpolitik verfolge, sei die Preisstabilität -
"und ich meine interne Preisstabilität auf mittlere Sicht". Die
Gefahren für ein stabiles Preisniveau seien inzwischen
ausgeglichener. Deshalb habe die EZB die Zinsen seit Oktober
2000 nicht geändert. Duisenberg stellte in "drei bis vier
Monaten" einen Inflationsrückgang unter die Marke von zwei
Prozent in Aussicht, bis zu der nach Definition der EZB stabile
Preise gewährleistet sind.
Trotz dieser positiven Inflationsaussichten stellte der
EZB-Präsident fest: "Einige Faktoren sprechen weiter für
Vorsicht". So verwies er auf Lohnverhandlungen und die
Staatshaushalte einiger Mitgliedsländer. Steuersenkungen ohne
gleichzeitige Ausgabekürzungen könnten die Nachfrage ankurbeln
und zu Preisdruck führen.
Es gebe keine Anzeichen für deutliche und anhaltende
Auswirkungen der Konjunkturabkühlung in den USA auf die
Wirtschaft der Euro-Zone, sagte Duisenberg. Selbst wenn mit
einem Exportrückgang zu rechnen sei, werde die Konjunktur der
Euro-Zone vor allem von binnenwirtschaftlichen Faktoren
bestimmt. Trotzdem sei eine genaue Beobachtung der
Weltwirtschaft weiter notwendig. Das Wachstum habe sich im
Euro-Währungsraum im zweiten Halbjahr 2000 im Vergleich zu den
ersten sechs Monaten abgeschwächt. "Wie auch immer, die
allgemeinen Aussichten bleiben positiv für dieses und das
nächste Jahr". Auch in den Jahren danach sei eine Wachstumsrate
von knapp drei Prozent möglich.
Der Euro
Wachstumsaussagen Duisenbergs nach Ansicht von Händlern nicht
profitieren. Nachdem die Gemeinschaftswährung vor allem wegen
der Schwäche des Yen am Morgen deutlich gestiegen war, verlor
sie wegen Gewinnmitnahmen am Nachmittag wieder rund einen
Dreiviertel Cent unter 0,93 Dollar.
DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer verlangte unterdessen
von der EZB angesichts eines "Wachstumsschocks", der unter
anderem vom US-Abschwung ausgehe, eine Zinssenkung. Nicht
Inflationsrisiken, sondern eine Konjunkturabkühlung gefährdeten
die europäische Wirtschaft. Die EZB bewerte die
Inflationsrisiken als zu hoch und werde mit ihrer Geldpolitik
Investitionen und Wachstum bremsen. Der EZB-Präsident sagte
dagegen: "Die Geldpolitik ist kein Hindernis für das Wachstum."
Die Geldpolitik könne keinen Beitrag zum schnelleren Abbau der
Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone leisten. Die Arbeitslosenquote
werde in den kommenden anderthalb Jahren voraussichtlich unter
acht Prozent falllen.
Während die US-Notenbank aus Sorge vor einem
Konjunkturabschwung die Zinsen bereits zwei Mal in diesem Jahr
um insgesamt 100 Basispunkte gesenkt hat, hat die EZB den
Schlüsselzins in der Euro-Zone seit Oktober vergangenen Jahres
unverändert bei 4,75 Prozent gelassen. Zuvor hatte die
Zentralbank wegen anhaltender Inflationsgefahren die Zinsen in
sieben Schritten um insgesamt 2,25 Prozentpunkte angehoben. Die
meisten Analysten erwarten wegen der inzwischen ebenfalls
spürbaren Konjunkturabkühlung in der Euro-Zone noch im ersten
Halbjahr eine erste Zinssenkung der EZB.
iws/sam