Schau mir in die Augen, Edmund!

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vega2000:

Schau mir in die Augen, Edmund!

 
08.08.02 13:49
Noch 46 Tage Sommer. Schon aber hat der Herbst seine Arbeit begonnen. Die ersten Blätter an den Bäumen welken. Vor allem viele deutsche Kastanien haben das frische Maiengrün längst gegen ein tristes Nikotingelb eingetauscht. Man könnte also, während gerade schon wieder ein Sommerunwetter niedergeht, regelrecht schwermütig werden. Gäbe es da nicht jetzt plötzlich in unseren Städten ein ganz unverhofftes Frühlingserwachen. Einen jähen Ausbruch von Heiterkeit, Zärtlichkeit, Sonnenschein. Riesige Plakate hat man nun aufgehängt, und sie zeigen ein Paar: einen Mann und eine Frau, die einander zugetan sind. Von Herzen, hätte man in den alten Zeiten wohl gesagt. Die Frau (das ist das authentisch Moderne an der Szene) spielt die augenscheinlich dominierende Rolle. Sie schaut dem Mann, halb innig, halb schelmisch, geradewegs ins Gesicht. Auch der Mann lächelt, tief beglückt. Doch sein Blick geht ein Stück rechts an der Frau vorbei, ein wenig schief sieht er dabei aus, ein wenig schüchtern. „Jüngferlich“ hätte man so ein Lächeln vormals genannt, in den alten Zeiten. Man hat einige Mühe, sich von den romantischen Bildern loszureißen – und kühlen Blutes den Arbeitsplatz zu erreichen.

Wofür nun aber machen unsere beiden Königskinder Reklame?Beileibe nicht für einen neuen Schokoriegel oder Fruchtjoghurt. Auch nicht für eine neue Teenager-Vorabendserie im Fernsehen. Nein, sie werben, sie spielen Liebe für die CDU. Die kecke Frau („Schau mir in die Augen, Edmund!“) ist Frau Merkel, der vom holden Blick getroffene Mann ist der Herr Kanzlerkandidat Stoiber. Die beiden, das ist die beinahe rauschhafte Botschaft der Szene, verleihen einander Flügel, treiben einander unaufhaltsam zum Sieg, etwa wie die Schwimmerin van Almsick und ihr Handballspieler Kretzschmar – und E. und A. müssen sich nicht einmal tätowieren hierzu. Jammerschade, dass es in unseren Zeiten das Gewerbe des Minnesängers nicht mehr gibt. Ein solcher Barde nämlich könnte die Herzensaffäre Stoiber-Merkel in ein unsterbliches Lied verwandeln – das, in vielen Strophen, von Wolfratshausen bis ins Kanzleramt führen müsste und in welchem sich unweigerlich die Wörter „Glück“ und „Frühstück“ irgendwo im Paarreim heiter begegnen würden.

Und Schröder? Mit dem genialen CDU-Plakat, diesem wahren erotischen Photoroman, schwindet seine beinahe letzte Hoffnung: Dass er die Wahl, wenn schon nicht mit den Sachfragen, dann doch als Womanizer gewinnen könnte. Letzte Chance: ein Konter. Auch die SPD sollte jetzt sofort ein sinnlich- starkes Paar auf Plakaten in den Wahlkampf schicken! Unser Vorschlag, honorarfrei: Der Kanzler und sein Sekretär. Schröder und Müntefering also, Gerd und Franz. Das wäre echt, das wäre kantig. Und vielleicht sogar ein bisschen sexy.

SZ

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