Jan soll noch nicht sterben
Wenn Zahlen nicht mehr helfen, müssen Kinder herhalten. Im Übernahmekampf um den deutschen Pharmakonzern Aventis hat der Branchenriese Sanofi Synthélabo die PR-Schlacht nun mit ganzseitigen Farb-Anzeigen begonnen. Die Botschaft: Wer gegen die Fusion ist, lässt kranke Jungen leiden.
Sanofi-Anzeige: In Frankreich hieß Jan noch Louis
Hamburg - Die Augen strahlen Hoffnung aus und Dankbarkeit, ein mattes Lächeln umspielt seine Lippen. Hinter dem Gesicht eines Jungen, den die Werber Jan genannt haben, ist die Silhouette eines Mannes mit weißem Kittel und Stethoskop zu erkennen. "Wir sehen nicht ein, warum wir nicht schneller ein Medikament für Jan finden sollen", heißt die Überschrift der ganzseitigen Anzeige, die heute unter anderem in der "Süddeutschen Zeitung" und im "Handelsblatt" erschien.
Mit der Kampagne will das französische Sanofi-Konglomerat die Aventis-Aktionäre für die Zustimmung zur Übernahme ihres Konzerns gewinnen. Im Werben um die Sympathie der Öffentlichkeit haben die Sanofi-Strategen sogar nationale Eigenheiten berücksichtigt: In den führenden französischen Tageszeitung wie dem "Figaro" oder "Liberation" hört der kranke Junge auf den Namen Louis.
Wem das Bild des kranken Jan respektive Louis noch nicht die Tränen in die Augen getrieben hat, dem wird bei der Lektüre der Bildunterschrift nochmal richtig eingeheizt. "Wollen Sie Jan etwa sagen, dass seine Medizin erst in zwanzig Jahren erfunden wird?" fragt Sanofi und antwortet sich selbst. "Nein, niemand will das. Unser Zusammenschluss mit Aventis ist ein großer Schritt nach vorne für die Forschung." Fazit: Nur herzlose Sadisten können gegen die Fusion der beiden Pharmariesen sein - und vielleicht ein paar Aventis-Mitarbeiter, die ihren Job für Jan vielleicht nicht gerade loswerden wollen.
Bei Aventis arbeitet bereits ein Expertenteam an einer Abwehrstrategie. "Wir wollen den Aktionären klar machen, wofür Aventis steht", sagte ein Firmensprecher. Man werde den Vorsprung bei der Behandlung der Volkskrankheit Diabetes plakativ in Szene setzen. Ob auf dem Großbild dann ein glückliches Kind herumrollen wird, wollte er allerdings noch nicht verraten. Nur soviel: "Uns geht es um mehr Lebensqualität und Lebenszeit".
Gewinner solcher PR-Schlachten sind in jedem Fall die Zeitungsverleger. In einer bis dahin beispiellosen Anzeigenkampagne hatten Mannesmann und Vodafone um den Jahreswechsel 1999/2000 versucht, das Herz der Anleger für sich zu gewinnen. Da zeigten lachende Frauen, wie glücklich ein Aktientausch machen kann und Mannesmann konterte mit einem unschuldig drein blickenden Baby. Als die beiden Kontrahenten sich schließlich mit dem berühmten goldenen Handschlag einigten, hatten die Mannesmänner insgesamt rund 400 Millionen Euro Anzeigen bezahlt - Vodafone soll das dreifache ausgegeben haben.
Der französische Pharma-Konzern Sanofi-Synthélabo hatte Anfang der Woche rund 48 Millarden Euro für eine Übernahme des größeren Konkurrenten Aventis geboten. Bei einem Zusammenschluss entstünde der weltweit drittgrößte Pharmagigant mit rund 25 Milliarden Euro Umsatz, einem Börsenwert von mehr als 90 Milliarden und gut 100.000 Beschäftigten. Branchenkenner fürchten, mit der Fusion könnte Deutschland nicht nur Tausende Arbeitsplätze verlieren, sondern auch seine Spitzenposition in der Pharma-Foschung. Am Dienstag hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac persönlich für die Unabhängigkeit von Aventis eingesetzt.
spiegel.de