Die Nachricht hätte für den Pharmakonzern Aventis zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können: Während sämtliche Abteilungen damit beschäftigt sind, den Abwehrkampf gegen den Konkurrenten Sanofi-Synthélabo zu führen, werden Todesfälle im Zusammenhang mit einem hauseigenen Rheuma-Medikament bekannt.
Tokio - In Japan seien fünf Menschen nach der Einnahme des Arthritismittels Avara gestorben, teilte der Konzern am Dienstag mit. Es sei aber nicht klar, ob das Medikament die Todesfälle verursacht habe, sagte Yota Kikuchi von Aventis Pharma Japan. Die Ärzte glaubten, dass Avara für den Tod zweier Patienten verantwortlich sein könnte. Insgesamt 16 Menschen seien nach der Einnahme an einer so genannten interstitiellen Lungenentzündung erkrankt.
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben die Ärzteschaft aufgefordert, Patienten mit Atemwegsproblemen das Medikament nicht zu verschreiben. Seit der Markteinführung von Arava in Japan im vergangenen September haben den Angaben zufolge rund 3400 Menschen das Medikament eingenommen, das zur Behandlung rheumatischer Arthritis dient. Außerhalb Japans sei das Mittel rund 400.000 Patienten verabreicht worden, von denen 80 eine interstitielle Lungenentzündung entwickelt hätten, sagte Kikuchi weiter.
Das Mittel wird laut Aventis Pharma Deutschland (Bad Soden) auch in Deutschland vertrieben. "Die Fälle in Japan werden derzeit geprüft", sagte ein Sprecher. Er verwies auf den Beipackzettel. Menschen mit geschwächten Immunsystem oder Infektionen sollten ihren Arzt zu Rate ziehen.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn ist Arava seit 1999 trotz möglicher Risiken in den EU-Staaten zugelassen. Im Rahmen der Zulassungsverfahren seien als Risiken mögliche Leberschädigungen und ein negativer Einfluss auf das Immunsystem erörtert worden, sagte ein Experte des BfArM in Bonn.
Es sei aber bisher festgestellt worden, dass das Nutzen-Schaden-Verhältnis positiv sei. Es werde für schwere rheumatische Erkrankungen verschrieben, sei aber keines der herkömmlichen Rheuma-Mittel. Allerdings habe der Hersteller im Vorjahr seine Warnhinweise an Ärzte verschärft.
Möglich ist, dass die Nachricht Aventis im Übernahmepoker gegenüber den französischen Konkurrenten Sanofi-Syntélabo entscheidend schwächt. Aventis erwirtschaftet zwar rund doppelt so viel Umsatz wie Sanofi. Der Börsenwert beider Unternehmen ist aber etwa gleich hoch. Das könnte sich jetzt allerdings ändern.
Ursprünglich hatte der Aventis-Vorstand geplant, schon bei Vorlage der Geschäftszahlen 2003 am 5. Februar eine Übersicht über wichtige Projekte aus der Medikamenten-Sparte zu präsentieren. Analysten erwarten, dass Aventis kommende Woche sowohl auf die geplante Restrukturierung als auch auf die vor der Zulassung stehenden neuen Produkte hinweisen wird, um einen erheblich höheres Angebot zu rechtfertigen. "Die Restrukturierungspläne sind ebenfalls wichtig, da sie uns eine Idee geben, was eine eigenständige Aventis an Wachstum liefern kann", sagte Kevin Scotcher von der SG Securities. Den guten Eindruck könnten die Nachrichten von tödlichen Nebenwirkungen eines Medikaments ins Gegenteil verkehren.
Welche Folgen Negativschlagzeilen über tödliche Nebenwirkungen eines Medikaments für ein Unternehmen haben können, zeigt das Beispiel Bayer. Der Pharmakonzern aus Leverkusen musste im Dezember 2001 seinen Cholesterin-Präparat Lipobay vom Markt nehmen, nachdem etliche Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme des Mittels bekannt geworden waren. In der Folge verlor das Unternehmen zeitweise mehr als zwei Drittel seines Börsenwertes. Die märkte schlossen auch eine feindliche Übernahme nicht mehr aus. Die Zahl der Todesopfer war damals allerdings deutlich höher - rund 100 Menschen starben an den Nebenwirkungen von Lipobay.
spiegel.de