Nach der von Bundeskanzler Gerhard Schröder erzwungenen Zustimmung zur Bereitstellung deutscher Soldaten im Afghanistan-Krieg wird an der Parteibasis der Grünen heftiger Unmut erkennbar. Eine Woche vor dem Bundesparteitag in Rostock sehen Teile der Parteibasis die Regierungskoalition mit der SPD am Ende.
Hamburg - Der niedersächsische Landesvorstandssprecher Jan Henrik Horn sagte der "Bild am Sonntag": "Rot-Grün hat seinen Charme verloren." Nach dem von Schröder erzwungenen Votum für die Bereitstellung deutscher Soldaten sei "die Vertrauensbasis nachhaltig gestört". Die Koalition habe "keine Zukunftsperspektive mehr". Die Grünen müssten das Regierungsbündnis "geschäftsmäßig zu Ende führen".
Horn griff auch die eigene Parteiführung an: "Der Vertrauensvorschuss, den unsere Führung hatte, ist verbraucht." Zur nächsten Wahl, so Horn, müssten die Grünen "mit einer teilweise veränderten Mann- und Frauschaft" antreten.
Die rheinland-pfälzische Grünen-Sprecherin Steffi Ober forderte den Parteitag zur Diskussion auf, "ob es sinnvoll ist, unter solchen Bedingungen in der Koalition zu bleiben". Thüringens Grünen-Chefin Astrid Rothe erklärte, der Umgang des Kanzlers mit den Grünen sei "keine gute Ausgangsbasis für eine weitere Zusammenarbeit mit der SPD".
Die niedersächsischen Landesvorsitzende Heidi Tischmann erklärte, Rot-Grün sei nicht das Erfolgsmodell, für das es einmal gehalten wurde. Es dürfe künftig in Berlin nicht wieder eine Koalition wie jetzt geben, in der die Grünen so viele Zugeständnisse machen müssten.
Dagegen plädierte Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer dafür, dass die Koalitionspartner SPD und Grüne nun zu einer "guten und professionellen Zusammenarbeit" zurückkehren. Im "DeutschlandRadio Berlin" sagte sie am Freitag, die Politiker beider Parteien müssten jetzt "durch ihre Parteitage durch und ihren Parteien sowohl für den Inhalt als auch für die Methode der Konfliktbewältigung Rede und Antwort stehen". Danach vertraue sie darauf, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gesagt habe, "er will Rot-Grün auch über das Ende dieser Legislaturperiode hinaus".
Der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz forderte eine Zwei-Drittel-Mehrheit als Voraussetzung für künftige Truppenentsendungen. Für einen solchen Vorstoß erwarte er Zustimmung in seiner Partei, sagte Schulz der "Leipziger Volkszeitung". "Die Neigung der Grünen für eine solche Regelung ist nun sehr groß", sagte Schulz nach der Vertrauensabstimmung vom Freitag.
Unterdessen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeräumt, den Widerstand gegen die mögliche Entsendung deutscher Truppen nach Afghanistan in seiner Partei und bei den Grünen zunächst unterschätzt zu haben. Dann sei es aber Zeit geworden zu erklären, dass die Handlungsfähigkeit einer Regierung "vom Ernst und von der Disziplin" der sie tragenden Mehrheit abhänge. Schröder fügte hinzu, er sei sich sicher, dass die rot-grüne Koalition jetzt bis zur Bundestagswahl im September hält - ohne eine weitere Vertrauensfrage.
Schröder hatte am Freitag im Bundestag die Abstimmung über die Bereitstellung deutscher Soldaten für den Anti-Terror-Kampf mit der Vertrauensfrage verbunden. Mehrere Grünen-Abgeordnete hatten aus Angst um den Fortbestand der Koalition zugestimmt, obwohl sie Vorbehalte gegen die Bereitstellung der Bundeswehr hatten. Der Kanzler bestand daraufhin die Vertrauensabstimmung mit der knappen Mehrheit von zwei Stimmen.
Quelle: DPA