Roland Leuschel
Die Nachbeben des grossen Börsencrashs vorbei?
Ende März wies ich darauf hin, dass der grosse Salami-Crash 1997/2000 sich seinem Ende zuneigte und es wieder Zeit wurde, Value-Aktien und stark gebeutelte Technologiewerte einzusammeln, das heisst, den Aktienanteil eines Portefeuilles über die Minimumgrenze von 30% zu erhöhen. Bei der Nasdaq und dem Neuen Markt gingen die Aktienoptimisten allerdings so gierig ans Werk, dass ich Ende Mai (« Droht ein neues Börsengewitter? ») warnen und auf das « Mitnehmen von Gewinnen » pochen musste. « All diese Aktienkurse laufen Ihnen nicht weg », war mein Urteil. Heute gibt es Anzeichen dafür, dass nach dem Sommergewitter nun dennoch eine Sommerrallye an den Märkten folgt. Aber bleiben Sie vorsichtig. Der Aufwärtsweg wird holprig, und Sie müssen weiterhin auf der Hut sein. « Die meisten Bullenmärkte beginnen mitten in einer Rezession », sagte Ende Mai der Chefökonom der zweitgrössten Bank der Welt, Stephen King von HSBC. « Erst aus mittlerer Sicht werden Aktien ein lohnendes Engagement. » Und wir sind noch nicht in der Rezession.
Ich bleibe bei meiner Meinung : Nach dem grössten Börsencrash aller Zeiten (Kapitalvernichtung rund 5.000 Milliarden US-Dollar) riskieren wir eine Weltrezession sowie eine globale Finanzkrise in Form einer Dollarkrise. So ist nun einmal der Ablauf der Dinge, und die Konjunkturschwäche in den USA stellt die grösste Gefahr für die Stabilität des internationalen Finanzsystems dar. Sollte sich die Gewinnsituation der Unternehmen weiterhin verschlechtern, und vieles deutet darauf hin, dann könnte es noch im Herbst zu Kurseinbrüchen am Aktienmarkt kommen. Die Analysten von J.P. Morgan rechnen für das kommende Jahr mit einem erheblich schwächeren Gewinnwachstum der US-Gesellschaften als die Konsensschätzungen annehmen: Nach einem Rückgang der Gewinne von rund 10% im Jahre 2001 könnte nach Schätzungen der Bank der Gewinnanstieg im Jahre 2002 mit nur 6% recht dürftig ausfallen. Die Konsensschätzungen gehen von +19% aus. Ein wesentlicher Grund für die moderate Einschätzung der J.P. Morgan Analysten besteht in der Beurteilung der Unternehmen des Technologie- und Finanzsektors; denn in « beiden Industrien ist angesichts der Investititionszurückhaltung der Unternehmen und der schwachen Verfassung der Kapitalmärkte nicht mit einer deutlichen Erholung der Gewinne zu rechnen ».
Stephen King formuliert es sehr deutlich: « Once upon a time, the number one fear was a US recession. Now the biggest danger is a global recession. » Die starke Abnahme des Welthandels in diesem Jahr könnte eine globale Finanzkrise auslösen. Zwar hat der Godfather von Wall Street, Alan Greenspan, bereits 6 mal die Leitzinsen gesenkt, aber der Geldpolitik sind in diesem Szenario Grenzen gesetzt. Ganz davon abgesehen, dass in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, Japan, die Zinsen bereits seit über einem Jahr bei 0% angekommen sind. Andere Chefökonomen von Morgan Stanley oder Merrill Lynch sind sogar davon überzeugt, dass sich letztlich stark « deflationäre Kräfte » entwickeln. Diese These ist ernst zu nehmen, und das von mir im November letzten Jahres vorausgesagte Stagflations-Szenario hätte dann nur eine kurze Lebensdauer, nämlich gerade mal ein Jahr (2001). Wer diese Überlegungen für pessimistisch hält, dem empfehle ich, den gerade veröffentlichten Jahresbericht des Internationalen Währungsfonds zu lesen. « International financial markets are threatened by the risk of further falls in US stocks and a potentially disruptive drop in the value of the dollar. » In seinem Jahresbericht schreibt das IWF wörtlich : « Price-earnings ratios in the US and other markets were somewhat on the high standards of historical averages. A sharp repricing in US stocks was a key risk for the world economy. »
Ich kann Ihnen nur empfehlen, täglich die amerikanischen Börsenmärkte und den Dax zu beobachten. Sollten die im März/April dieses Jahres erreichten Tiefstpunkte noch einmal getestet werden, dann besteht das Risiko, neuer Tiefstpunkte, bevor der neue Bullenmarkt wieder beginnt. Zwischenzeitlich würde ich meinen Cashbestand (20 bis 30% des Portefeuilles) hochhalten, wobei die Postion in Dollar auf weniger als 50% zurückgefahren werden sollte. Bei Anleihen würde ich nach wie vor nur allererste Qualität suchen, AAA, und auf die höheren Renditen bei Unternehmensanleihen bzw. Schwellenmärkten verzichten. Man kann nicht alles haben im Leben.
Übrigens sollten tatsächlich die Experten der deflationistischen These Recht behalten, dann kann es auch zu Preiseinbrüchen in Teilsegmenten (z.B. London oder München, Südspanien oder Portugal) des Immobiliensektors kommen, wo überhitzte Gemüter glaubten, die Mentalität vom Neuen Markt auf Immobilienpreise übertragen zu können. Wie so etwas ausgeht, wissen wir inzwischen: Seit Anfang Juli 2000, also seit einem Jahr, mussten 70% der Gesellschaften am Neuen Markt Kursverluste von über 90% einstecken. So sieht die Realität aus. Konservatives auf Rendite basiertes Anlageverhalten ist weiterhin gefragt. Die Zeit für Spekulanten kommt viel später wieder.
Roland Leuschel
16.07.2001
Die Nachbeben des grossen Börsencrashs vorbei?
Ende März wies ich darauf hin, dass der grosse Salami-Crash 1997/2000 sich seinem Ende zuneigte und es wieder Zeit wurde, Value-Aktien und stark gebeutelte Technologiewerte einzusammeln, das heisst, den Aktienanteil eines Portefeuilles über die Minimumgrenze von 30% zu erhöhen. Bei der Nasdaq und dem Neuen Markt gingen die Aktienoptimisten allerdings so gierig ans Werk, dass ich Ende Mai (« Droht ein neues Börsengewitter? ») warnen und auf das « Mitnehmen von Gewinnen » pochen musste. « All diese Aktienkurse laufen Ihnen nicht weg », war mein Urteil. Heute gibt es Anzeichen dafür, dass nach dem Sommergewitter nun dennoch eine Sommerrallye an den Märkten folgt. Aber bleiben Sie vorsichtig. Der Aufwärtsweg wird holprig, und Sie müssen weiterhin auf der Hut sein. « Die meisten Bullenmärkte beginnen mitten in einer Rezession », sagte Ende Mai der Chefökonom der zweitgrössten Bank der Welt, Stephen King von HSBC. « Erst aus mittlerer Sicht werden Aktien ein lohnendes Engagement. » Und wir sind noch nicht in der Rezession.
Ich bleibe bei meiner Meinung : Nach dem grössten Börsencrash aller Zeiten (Kapitalvernichtung rund 5.000 Milliarden US-Dollar) riskieren wir eine Weltrezession sowie eine globale Finanzkrise in Form einer Dollarkrise. So ist nun einmal der Ablauf der Dinge, und die Konjunkturschwäche in den USA stellt die grösste Gefahr für die Stabilität des internationalen Finanzsystems dar. Sollte sich die Gewinnsituation der Unternehmen weiterhin verschlechtern, und vieles deutet darauf hin, dann könnte es noch im Herbst zu Kurseinbrüchen am Aktienmarkt kommen. Die Analysten von J.P. Morgan rechnen für das kommende Jahr mit einem erheblich schwächeren Gewinnwachstum der US-Gesellschaften als die Konsensschätzungen annehmen: Nach einem Rückgang der Gewinne von rund 10% im Jahre 2001 könnte nach Schätzungen der Bank der Gewinnanstieg im Jahre 2002 mit nur 6% recht dürftig ausfallen. Die Konsensschätzungen gehen von +19% aus. Ein wesentlicher Grund für die moderate Einschätzung der J.P. Morgan Analysten besteht in der Beurteilung der Unternehmen des Technologie- und Finanzsektors; denn in « beiden Industrien ist angesichts der Investititionszurückhaltung der Unternehmen und der schwachen Verfassung der Kapitalmärkte nicht mit einer deutlichen Erholung der Gewinne zu rechnen ».
Stephen King formuliert es sehr deutlich: « Once upon a time, the number one fear was a US recession. Now the biggest danger is a global recession. » Die starke Abnahme des Welthandels in diesem Jahr könnte eine globale Finanzkrise auslösen. Zwar hat der Godfather von Wall Street, Alan Greenspan, bereits 6 mal die Leitzinsen gesenkt, aber der Geldpolitik sind in diesem Szenario Grenzen gesetzt. Ganz davon abgesehen, dass in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, Japan, die Zinsen bereits seit über einem Jahr bei 0% angekommen sind. Andere Chefökonomen von Morgan Stanley oder Merrill Lynch sind sogar davon überzeugt, dass sich letztlich stark « deflationäre Kräfte » entwickeln. Diese These ist ernst zu nehmen, und das von mir im November letzten Jahres vorausgesagte Stagflations-Szenario hätte dann nur eine kurze Lebensdauer, nämlich gerade mal ein Jahr (2001). Wer diese Überlegungen für pessimistisch hält, dem empfehle ich, den gerade veröffentlichten Jahresbericht des Internationalen Währungsfonds zu lesen. « International financial markets are threatened by the risk of further falls in US stocks and a potentially disruptive drop in the value of the dollar. » In seinem Jahresbericht schreibt das IWF wörtlich : « Price-earnings ratios in the US and other markets were somewhat on the high standards of historical averages. A sharp repricing in US stocks was a key risk for the world economy. »
Ich kann Ihnen nur empfehlen, täglich die amerikanischen Börsenmärkte und den Dax zu beobachten. Sollten die im März/April dieses Jahres erreichten Tiefstpunkte noch einmal getestet werden, dann besteht das Risiko, neuer Tiefstpunkte, bevor der neue Bullenmarkt wieder beginnt. Zwischenzeitlich würde ich meinen Cashbestand (20 bis 30% des Portefeuilles) hochhalten, wobei die Postion in Dollar auf weniger als 50% zurückgefahren werden sollte. Bei Anleihen würde ich nach wie vor nur allererste Qualität suchen, AAA, und auf die höheren Renditen bei Unternehmensanleihen bzw. Schwellenmärkten verzichten. Man kann nicht alles haben im Leben.
Übrigens sollten tatsächlich die Experten der deflationistischen These Recht behalten, dann kann es auch zu Preiseinbrüchen in Teilsegmenten (z.B. London oder München, Südspanien oder Portugal) des Immobiliensektors kommen, wo überhitzte Gemüter glaubten, die Mentalität vom Neuen Markt auf Immobilienpreise übertragen zu können. Wie so etwas ausgeht, wissen wir inzwischen: Seit Anfang Juli 2000, also seit einem Jahr, mussten 70% der Gesellschaften am Neuen Markt Kursverluste von über 90% einstecken. So sieht die Realität aus. Konservatives auf Rendite basiertes Anlageverhalten ist weiterhin gefragt. Die Zeit für Spekulanten kommt viel später wieder.
Roland Leuschel
16.07.2001