Dauerschlusslicht schließt auf
Weltbank: Rohstoffexport und Dienstleistungen haben Potenzial
MDZ 25-04-2003
Christian Tegethoff
Die russische Wirtschaft ist im ersten Quartal dieses Jahres um 6,4 Prozent gewachsen, wie der russische Premierminister Michail Kasjanow mitgeteilt hat. Im Vergleichszeitraum 2002 hatte das Wachstum relativ bescheidene 3,7 Prozent betragen, entsprechend bewertete Kasjanow die jüngsten Zahlen als „sehr erfreulich“.
Die Fachleute hatten zwischen drei und sieben Prozent Jahreswachstum vorausgesagt – derzeit scheinen die Optimisten Recht zu behalten. Einen vergleichbaren Zuwachs des Bruttosozialprodukts gab es zuletzt Ende 2000. Im letzten Jahr hat die Wirtschaft nach Angaben des russischen Statistikamtes immerhin um 4,3 Prozent angezogen. Insgesamt ist das Bruttosozialprodukt seit der Rubelkrise um 25 Prozent gewachsen, wie die Weltbank in ihrem aktuellen Bericht notiert.
Motor der guten Entwicklung ist demnach in erster Linie der Rohstoffexport, der zuletzt dank hoher Weltmarktpreise kräftige Gewinne eingefahren hat. Gefragt sind Erdöl, Gas und Metalle. Einheimische Unternehmen, die vor allem für den russischen Markt produzieren, stehen weniger gut da. Zwar steigt die Binnennachfrage stetig – doch viele Käufer greifen lieber zu importierten Waren. Das betrifft fast alle Branchen: Schuhe aus Mailand sind beliebter als Treter aus Tula; wer kann, besorgt sich ein Auto aus Deutschland. Am ärgsten hat es demnach im letzten Jahr die Leichtindustrie gebeutelt, die um 3,4 Prozent geschrumpft ist. Die veralteten Produktionsbetriebe in dieser und anderen Branchen sind nach Einschätzung der Weltbank „gefährliche Hindernisse auf dem Weg des Wiederaufbaus und der Entwicklung der russischen Wirtschaft“. Einzig die Lebensmittelproduzenten dürfen sich über ein durchschnittliches Wachstum von satten sechs Prozent freuen.
Der russische Dienstleistungssektor, bisher das Dauerschlusslicht in den Wachstumsstatistiken, hat im letzten Jahr sogar erstmals den sekundären Sektor überflügelt. Der Weltbankbericht bezweifelt jedoch, dass die hier erfolgten Investitionen die Arbeitsplatzverluste in den produzierenden Branchen ausgleichen können. Insgesamt könne die Zeit nach der 98er Krise aber als eine Wachstumsphase bezeichnet werden, wofür auch die verhältnismäßig niedrigen Reallöhne im Land gesorgt hätten.
Für die Zukunft erwarten die Weltbank-Experten eine weiterhin gute Entwicklung der rohstoffexportierenden Unternehmen. Dem Dienstleistungssektor wird ebenfalls eine lang anhaltende Blüte prophezeit. Schließlich müssten Klempner und Friseure keine internationale Konkurrenz fürchten, und außerdem habe das Land nach mehr als sieben Jahrzehnten Sowjetherrschaft enormen Nachholbedarf, den es künftig zu befriedigen gelte.
Damit zeigt sich insgesamt ein zwiespältiges Bild: Einerseits steht Russland wohl eine Reihe von Pleiten ins Haus, insbesondere auf dem industriellen Sektor. Andererseits bietet sich die Gelegenheit, die Wirtschaft umzustrukturieren und für die Zukunft fit zu machen. Alles hängt davon ab, so die Weltbank, ob die jungen Unternehmen Kapital finden und anschließend in Wachstum und Beschäftigung ummünzen können. Die Chancen dafür stehen gar nicht mal so schlecht. Seit 1998 interessieren sich immer mehr Investoren jenseits der Landesgrenzen für Geschäfte in Russland – auch wenn das Volumen ausländischer Direktinvestitionen mit vier Milliarden US-Dollar in 2002 noch recht überschaubar ausfiel.
Weltbank: Rohstoffexport und Dienstleistungen haben Potenzial
MDZ 25-04-2003
Christian Tegethoff
Die russische Wirtschaft ist im ersten Quartal dieses Jahres um 6,4 Prozent gewachsen, wie der russische Premierminister Michail Kasjanow mitgeteilt hat. Im Vergleichszeitraum 2002 hatte das Wachstum relativ bescheidene 3,7 Prozent betragen, entsprechend bewertete Kasjanow die jüngsten Zahlen als „sehr erfreulich“.
Die Fachleute hatten zwischen drei und sieben Prozent Jahreswachstum vorausgesagt – derzeit scheinen die Optimisten Recht zu behalten. Einen vergleichbaren Zuwachs des Bruttosozialprodukts gab es zuletzt Ende 2000. Im letzten Jahr hat die Wirtschaft nach Angaben des russischen Statistikamtes immerhin um 4,3 Prozent angezogen. Insgesamt ist das Bruttosozialprodukt seit der Rubelkrise um 25 Prozent gewachsen, wie die Weltbank in ihrem aktuellen Bericht notiert.
Motor der guten Entwicklung ist demnach in erster Linie der Rohstoffexport, der zuletzt dank hoher Weltmarktpreise kräftige Gewinne eingefahren hat. Gefragt sind Erdöl, Gas und Metalle. Einheimische Unternehmen, die vor allem für den russischen Markt produzieren, stehen weniger gut da. Zwar steigt die Binnennachfrage stetig – doch viele Käufer greifen lieber zu importierten Waren. Das betrifft fast alle Branchen: Schuhe aus Mailand sind beliebter als Treter aus Tula; wer kann, besorgt sich ein Auto aus Deutschland. Am ärgsten hat es demnach im letzten Jahr die Leichtindustrie gebeutelt, die um 3,4 Prozent geschrumpft ist. Die veralteten Produktionsbetriebe in dieser und anderen Branchen sind nach Einschätzung der Weltbank „gefährliche Hindernisse auf dem Weg des Wiederaufbaus und der Entwicklung der russischen Wirtschaft“. Einzig die Lebensmittelproduzenten dürfen sich über ein durchschnittliches Wachstum von satten sechs Prozent freuen.
Der russische Dienstleistungssektor, bisher das Dauerschlusslicht in den Wachstumsstatistiken, hat im letzten Jahr sogar erstmals den sekundären Sektor überflügelt. Der Weltbankbericht bezweifelt jedoch, dass die hier erfolgten Investitionen die Arbeitsplatzverluste in den produzierenden Branchen ausgleichen können. Insgesamt könne die Zeit nach der 98er Krise aber als eine Wachstumsphase bezeichnet werden, wofür auch die verhältnismäßig niedrigen Reallöhne im Land gesorgt hätten.
Für die Zukunft erwarten die Weltbank-Experten eine weiterhin gute Entwicklung der rohstoffexportierenden Unternehmen. Dem Dienstleistungssektor wird ebenfalls eine lang anhaltende Blüte prophezeit. Schließlich müssten Klempner und Friseure keine internationale Konkurrenz fürchten, und außerdem habe das Land nach mehr als sieben Jahrzehnten Sowjetherrschaft enormen Nachholbedarf, den es künftig zu befriedigen gelte.
Damit zeigt sich insgesamt ein zwiespältiges Bild: Einerseits steht Russland wohl eine Reihe von Pleiten ins Haus, insbesondere auf dem industriellen Sektor. Andererseits bietet sich die Gelegenheit, die Wirtschaft umzustrukturieren und für die Zukunft fit zu machen. Alles hängt davon ab, so die Weltbank, ob die jungen Unternehmen Kapital finden und anschließend in Wachstum und Beschäftigung ummünzen können. Die Chancen dafür stehen gar nicht mal so schlecht. Seit 1998 interessieren sich immer mehr Investoren jenseits der Landesgrenzen für Geschäfte in Russland – auch wenn das Volumen ausländischer Direktinvestitionen mit vier Milliarden US-Dollar in 2002 noch recht überschaubar ausfiel.