Rezessionszeit: Hat eine lange Hausse der Aktien begonnen?
Aktien im Plus: Verhalten sich die Aktienkurse ähnlich wie bei den letzten Rezessionen der 90er Jahre, so haben sie einen langen Weg nach oben vor sich.
WIEN. Im Gegensatz zu den hochrangigen Vertretern der europäischen Politik und der Notenbanken schleichen Aktienexperten um das schreckliche "R-Wort" nicht lange herum. Für sie ist klar, daß die USA, die gesamte Euro-Zone und schon recht Japan in eine Rezession geschlittert sind. Wirklich tragisch wird das kaum genommen, schließlich ist von einer Depression ja weit und breit nichts zu sehen. Zudem sorgt auch der Blick in die Vergangenheit für Zuversicht. Verhalten sich die Börsen ähnlich wie in den Rezessionen 1993 (Europa) und 1991 (USA), dann entsteht für kaufwillige Anleger schön langsam Handlungsbedarf.
Geld treibt Kurse an
Davon geht jedenfalls Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen-Zentralbank (RZB), aus. Er zieht aus den Rezessionen der 90er Jahre folgenden, zentralen Schluß: In beiden Fällen haben die Kurse an den Aktienmärkten bereits wieder zu steigen begonnen, als das Wirtschaftswachstum der betreffenden Ökonomien erstmals in die Minus-Phase gerutscht war.
So begann etwa die deutsche Wirtschaft gegen Ende 1992 zu schrumpfen, es folgten zwei weitere Quartale einer Rezession. Die im DAX zusammengefaßten wichtigsten deutschen Aktien befanden sich aber in dieser Phase längst wieder in der Steigphase (siehe Graphik). Dasselbe Szenario spielte sich laut Brezinschek 1991 in den USA ab. Die Aktien erreichten ihr Tief im Oktober 1990, das Bruttoinlandsprodukt der USA rutschte erst in den ersten zwei Quartalen 1991 ins Minus. In dieser Phase begannen die Aktien erst so richtig zu steigen.
Ausschlaggebend für die Kursanstiege zu Beginn der Rezessionen war eine sogenannte "liquiditätsgetriebene Hausse". So begannen die Notenbanker bereits bevor die Ökonomien in den roten Bereich eintauchten, an der Zinsschraube zu drehen. Die Folge: Für Anleger wurden Anleihen und Sparbücher zunehmend unattraktiv. Aktien dagegen, vor allem die sogenannten sicheren Werte, hingegen wieder interessanter. Allein deshalb, weil die Firmen von den billiger werdenden Krediten im Zuge der Zinssenkungen profitierten. Zudem konnte es ja nicht immer bergab gehen.
Ungeachtet dessen, daß die Aktienmärkte damit den Wendepunkt bereits erreichten, begann die Konjunktur ihre Talfahrt erst. Folge: Mit dem weiter schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurden die Zinsen noch aggressiver gesenkt. Noch mehr Geld wurde so für Investitionen frei, die Kursanstiege an den Märkten wurden im Zuge der Nachfrage immer stärker. Die liquiditätsgetriebene Hausse war geboren. Im Falle Deutschlands dauerte diese Phase immerhin sechs Monate lang.
Interessant dabei war, daß die Anleger die mitten in diesen Höhenflug fallenden negativen Zahlen aus den Unternehmen ignorierten (deren wirtschaftliche Lage hatte ja gerade erst begonnen, wirklich trist zu werden). Der Druck des nach Anlagezielen suchenden Geldes war einfach stärker.
Verhalten sich die Aktienmärkte in den kommenden Monaten ebenso wie 1993 bzw. 1991, dann haben sie ihre tiefsten Stände Mitte September bereits gesehen. Ein Szenario, das zwar keineswegs sicher ist, aus Sicht der Aktienexerten und Konjunkturforscher aber wahrscheinlich.
Helmut Kramer, Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), sieht starke Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen konjunkturellen Lage und jener vor acht Jahren. Auch er hält eine Rally wie zuletzt 1993 für möglich. Allerdings sei noch nicht ganz klar, ob eine mögliche Hausse auch auf einem sicheren Fundament stünde. Schwer einzuschätzen sei derzeit, ob die US-Konsumenten ihre angeschlagenen Finanzen sanieren, bevor sie an den Börsen und in den Kaufhäusern wieder verstärkt zuschlagen.
Einen Rückschlag an den Börsen hält Brezinschek nicht nur für möglich, sondern für sicher. So habe eine liquiditätsgetriebene Hausse eine beschränkte Lebenszeit. Schließlich könnten die Notenbanken die Zinsen nicht endlos nach unten treiben. Sinkt die Menge überschüssiger Geldmittel, so ist auch eine Korrekturphase an den Börsen zu erwarten. "Diese dauert traditionell knapp drei Monate und drückt die Kurse wieder um 10 bis 15 Prozent nach unten."
In der Folge hängt alles davon ab, wie stark sich die Wirtschaft von der Rezession erholt bzw. wie rasch sich die günstigen Finanzierungskosten und die wieder steigende Nachfrage in den Unternehmenszahlen niederschlägt. Können die börsenotierten Firmen in der Folge auf breiter Front mit verbesserten Unternehmenszahlen aufwarten, ist Feld für die nächste Kursphase aufbereitet: die "ertragsgetriebene Hausse". "Und diese Phase kann lange dauern", meint Brezinscheck. Im Falle des DAX waren es mehrere Jahre, mit einem Wachstum von mehr als 460 Prozent.
Aktien im Plus: Verhalten sich die Aktienkurse ähnlich wie bei den letzten Rezessionen der 90er Jahre, so haben sie einen langen Weg nach oben vor sich.
WIEN. Im Gegensatz zu den hochrangigen Vertretern der europäischen Politik und der Notenbanken schleichen Aktienexperten um das schreckliche "R-Wort" nicht lange herum. Für sie ist klar, daß die USA, die gesamte Euro-Zone und schon recht Japan in eine Rezession geschlittert sind. Wirklich tragisch wird das kaum genommen, schließlich ist von einer Depression ja weit und breit nichts zu sehen. Zudem sorgt auch der Blick in die Vergangenheit für Zuversicht. Verhalten sich die Börsen ähnlich wie in den Rezessionen 1993 (Europa) und 1991 (USA), dann entsteht für kaufwillige Anleger schön langsam Handlungsbedarf.
Geld treibt Kurse an
Davon geht jedenfalls Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen-Zentralbank (RZB), aus. Er zieht aus den Rezessionen der 90er Jahre folgenden, zentralen Schluß: In beiden Fällen haben die Kurse an den Aktienmärkten bereits wieder zu steigen begonnen, als das Wirtschaftswachstum der betreffenden Ökonomien erstmals in die Minus-Phase gerutscht war.
So begann etwa die deutsche Wirtschaft gegen Ende 1992 zu schrumpfen, es folgten zwei weitere Quartale einer Rezession. Die im DAX zusammengefaßten wichtigsten deutschen Aktien befanden sich aber in dieser Phase längst wieder in der Steigphase (siehe Graphik). Dasselbe Szenario spielte sich laut Brezinschek 1991 in den USA ab. Die Aktien erreichten ihr Tief im Oktober 1990, das Bruttoinlandsprodukt der USA rutschte erst in den ersten zwei Quartalen 1991 ins Minus. In dieser Phase begannen die Aktien erst so richtig zu steigen.
Ausschlaggebend für die Kursanstiege zu Beginn der Rezessionen war eine sogenannte "liquiditätsgetriebene Hausse". So begannen die Notenbanker bereits bevor die Ökonomien in den roten Bereich eintauchten, an der Zinsschraube zu drehen. Die Folge: Für Anleger wurden Anleihen und Sparbücher zunehmend unattraktiv. Aktien dagegen, vor allem die sogenannten sicheren Werte, hingegen wieder interessanter. Allein deshalb, weil die Firmen von den billiger werdenden Krediten im Zuge der Zinssenkungen profitierten. Zudem konnte es ja nicht immer bergab gehen.
Ungeachtet dessen, daß die Aktienmärkte damit den Wendepunkt bereits erreichten, begann die Konjunktur ihre Talfahrt erst. Folge: Mit dem weiter schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurden die Zinsen noch aggressiver gesenkt. Noch mehr Geld wurde so für Investitionen frei, die Kursanstiege an den Märkten wurden im Zuge der Nachfrage immer stärker. Die liquiditätsgetriebene Hausse war geboren. Im Falle Deutschlands dauerte diese Phase immerhin sechs Monate lang.
Interessant dabei war, daß die Anleger die mitten in diesen Höhenflug fallenden negativen Zahlen aus den Unternehmen ignorierten (deren wirtschaftliche Lage hatte ja gerade erst begonnen, wirklich trist zu werden). Der Druck des nach Anlagezielen suchenden Geldes war einfach stärker.
Verhalten sich die Aktienmärkte in den kommenden Monaten ebenso wie 1993 bzw. 1991, dann haben sie ihre tiefsten Stände Mitte September bereits gesehen. Ein Szenario, das zwar keineswegs sicher ist, aus Sicht der Aktienexerten und Konjunkturforscher aber wahrscheinlich.
Helmut Kramer, Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), sieht starke Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen konjunkturellen Lage und jener vor acht Jahren. Auch er hält eine Rally wie zuletzt 1993 für möglich. Allerdings sei noch nicht ganz klar, ob eine mögliche Hausse auch auf einem sicheren Fundament stünde. Schwer einzuschätzen sei derzeit, ob die US-Konsumenten ihre angeschlagenen Finanzen sanieren, bevor sie an den Börsen und in den Kaufhäusern wieder verstärkt zuschlagen.
Einen Rückschlag an den Börsen hält Brezinschek nicht nur für möglich, sondern für sicher. So habe eine liquiditätsgetriebene Hausse eine beschränkte Lebenszeit. Schließlich könnten die Notenbanken die Zinsen nicht endlos nach unten treiben. Sinkt die Menge überschüssiger Geldmittel, so ist auch eine Korrekturphase an den Börsen zu erwarten. "Diese dauert traditionell knapp drei Monate und drückt die Kurse wieder um 10 bis 15 Prozent nach unten."
In der Folge hängt alles davon ab, wie stark sich die Wirtschaft von der Rezession erholt bzw. wie rasch sich die günstigen Finanzierungskosten und die wieder steigende Nachfrage in den Unternehmenszahlen niederschlägt. Können die börsenotierten Firmen in der Folge auf breiter Front mit verbesserten Unternehmenszahlen aufwarten, ist Feld für die nächste Kursphase aufbereitet: die "ertragsgetriebene Hausse". "Und diese Phase kann lange dauern", meint Brezinscheck. Im Falle des DAX waren es mehrere Jahre, mit einem Wachstum von mehr als 460 Prozent.