09. November 2002 Die geplante Erhöhung des Rentenbeitragssatzes auf 19,5 Prozent droht zu einer Belastungsprobe für die Koalition zu werden. Der Grünen-Parlamentarier Werner Schulz rechnet damit, dass rund ein Dutzend Mitglieder seiner Fraktion die Anhebung in der kommenden Woche ablehnen.
Presseberichten zufolge gibt es auch in der SPD-Fraktion Unmut über die Erhöhung. Da SPD und Grüne im Bundestag nur über eine knappe Mehrheit von 306 der 603 Mandate verfügen, könnte die Vorlage wegen der bereits angekündigten Ablehnung der Opposition scheitern.
Gegen des Kanzlers Dominanz
Die Spitzen von SPD und Grünen hatten zu Wochenbeginn eine Anhebung des Rentenbeitragssatzes von derzeit 19,1 auf 19,5 Prozent im kommenden Jahr vereinbart. Die Grünen wollten ursprünglich nur eine Erhöhung auf 19,3 Prozent mitmachen. In der Fraktionssitzung der Grünen am Dienstag war es daher zu heftigen Debatten gekommen. Schulz sagte, „am Schlimmsten“ sei diese Art, mit einem Kanzler-Wort zu regieren. „Das kann Schröder ja versuchen, aber dazu bräuchte er auch den entsprechenden Koalitionspartner. Den sollten die Grünen nicht abgeben.“
„Drei bis viermal so groß wie die Ströbele-Gruppe“
Schulz schätzte den Pool der möglichen Nein-Sager in seiner Fraktion „drei bis viermal so groß wie die Ströbele-Gruppe“, die seinerzeit den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr abgelehnt hatte. Damals hatten vier Grünen-Parlamentarier mit Nein gestimmt. Laut „Spiegel“ haben mehrere Grüne, darunter die Nachwuchspolitikerin Anna Lührmann, bereits ihre mögliche Ablehnung angekündigt. Als „das glatte Gegenteil von Generationengerechtigkeit“ kritisierte der Abgeordnete Alexander Bonde das Gesetz.
Auch in der SPD-Fraktion grummelt es laut „Spiegel“. Vor allem jüngere Abgeordnete warnten vor den Folgen einer aus ihrer Sicht einseitigen Politik. „Auch die Älteren müssen zur Kasse gebeten werden“, forderte der 38-jährige Abgeordnete Christian Lange.
Grüne Bedingungen
Die Grünen-Fraktion will ihre Zustimmung zur Anhebung des Rentenbeitragssatzes offenbar an Bedingungen knüpfen. Die Wirtschaftsexpertin Christine Scheel und die Wirtschaftsfachfrau Thea Dückert machten deutlich, dass sich die Grünen die künftige Absenkung der Lohnnebenkosten verbindlich festschreiben lassen wollen. Daran werde sich die Zustimmung der Fraktion zum Eilpaket für Rente, Gesundheit und Arbeitsmarkt am Freitag in zweiter und dritter Lesung festmachen, betonten Scheel und Dückert.
Unterdessen sprach sich die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt für eine längere Lebensarbeitszeit zur Stabilisierung der Rentenkassen aus. „Wir kommen nicht daran vorbei, das reale Renteneintrittsalter zu erhöhen“, sagte sie. Die Grünen-Politikerin forderte ferner eine Reform der privaten Zusatzversorgung, der so genannten Riester-Rente.
Ministerium: Pflegeversicherung stabil
Anders als in der Renten- und Krankenversicherung soll der Beitragssatz in der Pflegeversicherung stabil bleiben. Eine Sprecherin des Bundessozialministeriums sagte, die Pflegeversicherung befinde sich „finanziell in einer guten Situation“. Von einer Beitragssatzerhöhung könne „keine Rede sein“. Zuvor hatte die Zeitschrift „Focus“ das Mitglied im Sachverständigenrat des Ministeriums, Friedrich-Wilhelm Schwartz, mit der Prognose zitiert, dass für Ende des Jahres eine Erhöhung der Beiträge von 1,7 Prozent
auf 2,0 oder 2,2 Prozent drohe.
Text: ddp, dpa
Bildmaterial: dpa